Alles voll und trotzdem zu wenig. So lässt sich in einem Satz die Situation bei der Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis Ebersberg zusammenfassen. Denn obwohl die Unterkünfte nahezu vollständig belegt sind, liegt die Gesamtzahl der im Landkreis derzeit wohnenden Flüchtlinge deutlich unter dem Soll. Tatsächlich ist Ebersberg bei der Erfüllung der Quote weit ans Tabellenende gerutscht und steht oberbayernweit auf dem vorletzten Platz.
Aktuell, so Marion Wolinski, Leiterin des Sachgebiets Sozialhilfeverwaltung und Asyl im Landratsamt, leben in den Unterkünften, die das staatliche Landratsamt im Landkreis Ebersberg betreibt, insgesamt 1448 Personen. Davon sind 1107 Asylbewerber, die meisten davon, nämlich 297, kommen aus Afghanistan, gefolgt von der Türkei mit 261 Personen. Auf Platz drei der Herkunftsländer im Bereich Asyl liegt Nigeria, von dort kommen 113 Personen, danach folgt Jemen mit 100 Personen.
Die meisten Flüchtlinge, die in einer staatlichen Unterkunft leben, kommen aber aus der Ukraine: Derzeit sind es 341 Personen. Diese laufen aber außerhalb des regulären Betriebs, da sie kein Asylverfahren durchlaufen müssen. Weswegen Menschen aus der Ukraine für die Verwaltung als sogenannte „Fehlbeleger“ gelten, also Personen, für welche die staatlichen Unterkünfte nicht zuständig sind.
Viele Personen, die in den Unterkünften wohnen, sollten dies eigentlich woanders tun
Dasselbe gilt für Personen, deren Asylantrag bereits anerkannt wurde, 259 von ihnen leben derzeit noch in einer staatlichen Unterkunft. Für beide Gruppen sind rein rechtlich die Gemeinden zuständig, denn Obdachlosenhilfe ist eine kommunale Pflichtaufgabe. Man wolle die Städte und Gemeinden aber hier entlasten, sagte nun Landrat Robert Niedergesäß (CSU), „wir schicken keine Fehlbeleger vor die Rathaustüren“, darum könnten die betreffenden Personen in den Unterkünften wohnen bleiben.
Was dann aber auch dazu führt, dass für Asylbewerber weniger Platz ist – und wiederum zu der schlechten Unterbringungsquote für den Landkreis Ebersberg beiträgt: Diese liegt zwar bei Menschen aus der Ukraine bei 98,98 Prozent, was immerhin Platz zehn von 23 in Oberbayern ausmacht. Im Bereich Asyl ist die Quote indes nur zu 75,29 Prozent erfüllt, das reicht noch für Platz 20 und rechnet man beide Bereiche zusammen, kommt man zwar auf eine Quotenerfüllung von 88,14 Prozent – aber nur auf Platz 22 von 23.
Die neue Unterkunft im Atron-Bau in Markt Schwaben wird erst im Winter fertig
Dennoch, so schilderte es Wolinski, seien die Kapazitäten nahezu ausgeschöpft. Unterbringen könne man noch die Insassen des Busses, der diese Woche in den Landkreis geschickt wurde plus eines weiteren, der wohl in der zweiten Oktoberwoche ankommt. Dies aber auch nur, weil sich relativ kurzfristig in der Unterkunft im ehemaligen Sparkassengebäude in der Kreisstadt Platz schaffen ließ. Der Sparkassenbau ist meist die erste Unterkunft für neu im Landkreis ankommende Flüchtlinge, von dort werden die Menschen dann in andere Unterkünfte in den Gemeinden weitergeschickt.
Eine davon ist gerade in Vorbereitung: das ehemalige Atron-Gebäude in Markt Schwaben. Um diese Unterkunft hatte es seit Bekanntwerden der Pläne für eine Umwidmung viel Streit gegeben, der damalige Bürgermeister der Marktgemeinde, Michael Stolze (parteilos), war wegen der vielen Anfeindungen zurückgetreten. Zuvor hatte er noch einen Kompromiss mit der Regierung von Oberbayern ausgehandelt: Die Gemeinde baut an anderer Stelle eine weitere Unterkunft, dafür wird jene im Atron-Bau nur halb so groß. Statt wie ursprünglich geplant rund 120 sollen dort nun nur noch etwa 60 Personen wohnen.
Geflüchtete im Landkreis:Weg frei für Flüchtlingsheim am Ziegelstadel
Der Markt Schwabener Gemeinderat beschließt die Umwidmung eines Teils des ehemaligen Atron-Geländes von einem Gewerbegebiet zu einem Gebiet mit sozialem Nutzen. Erste Geflüchtete könnten im August einziehen.
Wann dies indes der Fall sein wird, ist noch nicht ganz klar. Ursprünglich war die Inbetriebnahme der Unterkunft für diesen Herbst geplant, dann hieß es, gegen Ende des Jahres sei es so weit, inzwischen hält man im Landratsamt auch einen Termin Anfang kommenden Jahres für realistisch. Als Grund dafür nennt Wolinski Verzögerungen beim Umbau, konkret habe es Probleme gegeben, geeignete Firmen zu finden. So hätten Ausschreibungen mehrmals erfolgen müssen, weil sich beim ersten Mal niemand gemeldet hatte.
Die Unterkunft in der Straße am Ziegelstadel ist zudem die einzige, die in absehbarer Zeit neu hinzukommt. Zwar ist die zweite Unterkunft in Markt Schwaben, die auf einem Grundstück am Hanslmüllerweg entstehen soll, in Planung – mit der Umsetzung kann es aber noch etwas dauern: Markt Schwabens neue Bürgermeisterin Walentina Dahms (CSU) nannte erst kürzlich als Termin für die Fertigstellung „um die Sommerferien nächstes Jahr“.
Weitere Unterkünfte seien im Landkreis derzeit nicht in Vorbereitung, sagt Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Zwar gebe es einige Immobilien, die geprüft werden, bei keiner davon stehe derzeit aber eine Umnutzung oder Bebauung bevor. Manche bereits untersuchten Gebäude hätten sich auch als nicht geeignet erwiesen, etwa die Hotels in der Vaterstettener Bahnhofstraße und am Baldhamer Marktplatz.
Auf der Suche sei man seitens des Landratsamtes aber weiterhin, dann man gehe nicht davon aus, dass die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge bald sinke, sagt Niedergesäß. Etwa 600 Personen kämen im Freistaat pro Woche dazu – daran hätten auch die kürzlich verschärften Grenzkontrollen nichts geändert.