Der Name Hans Gröbmayr ist im Landkreis untrennbar mit Energiewende und Klimaschutz verbunden: 2011 hat der Kreistag den Glonner zum ersten Klimaschutzmanager des Landkreises bestimmt. Drei Jahre später wurde Gröbmayr Geschäftsführer der neuen Energieagentur, an deren Gründung er maßgeblich beteiligt war. Zum Ende seiner Dienstzeit an diesem Freitag hat er der SZ ein Interview gegeben.
SZ: Warum wird man eigentlich Klimaschutzmanager?
Hans Gröbmayr: Mir war das Thema Umwelt immer schon sehr wichtig. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe Zimmerer gelernt, vielleicht waren deshalb Themen wie Nachhaltigkeit und Schutz unserer Umwelt schon immer relevant für mich. Später als Gemeinderat wurden mir Energie- und Umweltthemen immer wichtiger, zum Beispiel nachhaltiges Bauen oder regenerative Nahwärmenetze. Und ich hatte das Glück, eine Arbeit zu haben - ich war 34 Jahre lang Lehrer an der Fachschule für Bautechnik - bei der man sich auch mit den Themen ökologisches und energieeffizientes Bauen und insbesondere mit Holz bauen beschäftigt hat. Da habe ich mich immer intensiver mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz befasst und es ist mir so wichtig geworden, dass ich mir gedacht habe: Vielleicht gibt es noch ein Leben nach dem Lehrerdasein. Als dann der Landkreis 2011 einen Klimaschutzmanager gesucht hat, habe ich mich beworben.
Wie fällt Ihre Bilanz nach fast neun Jahren aus. Hätten Sie am Anfang gedacht, es geht mehr bei der Energiewende, oder geht mehr, als Sie dachten?
Ich habe mich ja beworben, weil mich das Ziel des Landkreises so fasziniert hat: Bis 2030 frei von fossilen Energieträgern sein zu wollen. Damals habe ich auch gedacht, dass sich die, die es beschlossen haben, auch dessen bewusst sind, was es bedeutet, dieses Ziel auch mit aller Kraft anzustreben. Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute weiter wären. Die technischen Lösungen sind längst da und bezahlbar. Was vieles verhindert, sind nach wie vor überholte Strukturen, Einfluss der fossilen Lobbyverbände und über viele Jahre mangelnder politischer Wille auf höherer Ebene, die richtigen Weichenstellungen für wirkungsvollen Klimaschutz vorzunehmen.
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Und waren sich alle bewusst, was es bedeutet - in allen Konsequenzen?
Ich glaube schon, dass man das Ziel erreichen wollte, das man beschlossen hat. Aber auch heute hoffen noch viele Menschen, dass das mit dem Klimawandel schon nicht so schlimm werden wird und die notwendigen Veränderungen schon nicht so groß sein werden. 2006 war vielleicht auch noch nicht absehbar, wie groß die Aufgabe ist, die Bevölkerung mitzunehmen, wirklich einzubinden in den Prozess. Ich behaupte, auch jetzt ist vielen Leuten noch nicht klar, welche Veränderungen kommen werden. Negative Veränderungen unserer gesamten Lebensqualität, wenn wir Artenschutz und Klimaschutz nicht in den Griff bekommen. Oder die Umstellung auf einen nachhaltigen Lebensstil und die komplette "Dekarbonisierung" der Energiewirtschaft, wenn wir uns die Chance auf ein gutes und sinnerfülltes Leben auf dem Planeten erhalten wollen. Wir haben die Wahl. Mit wenigen Ausnahmen hat die Politik weltweit die anstehende Aufgabe erkannt und richtige Ziele aufgestellt. Diese gilt es jetzt umzusetzen. Die Pariser Klimaschutzbeschlüsse waren 2015 - wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Der Zeitraum, in dem wir unumkehrbare Folgen der Erderhitzung noch verhindern können, ist auf zwei Legislaturperioden zusammengeschrumpft.
Im Landkreis ist ja einiges doch passiert, allen voran wurde die Energieagentur gegründet. Kann man sagen, man ist auf dem richtigen Weg?
Im Landkreis haben der Landrat und viele seiner Mitstreiter und Mitstreiterinnen erkannt, dass Klimaschutz notwendig ist und das Ziel 2030 erreicht werden muss. So konnten wir mit Energiegenossenschaften, Energieagentur und Eberwerk schlagkräftige Strukturen aufbauen, die sowohl im Beratungsbereich wie auch bei der Projektumsetzung alle Voraussetzungen erfüllen, das Notwendige zu tun. Wir sind auf einem sehr guten Weg, aber bei der Umsetzung der Einspar- und Effizienzprojekte, beim Ausbau regenerativer Energieerzeugung, aber auch beim Erlernen nachhaltiger Lebensstile müssen wir noch viel, viel schneller werden.
Das große Thema im Landkreis ist die Windkraft. Dazu steht irgendwann dieser Bürgerentscheid an, der ja ein gewisses Risiko birgt. Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass es in den nächsten zehn Jahren im Landkreis eine nennenswerte Nutzung der Windkraft gibt?
Viele wissen, dass ich kein Freund dieses Bürgerentscheids war, sondern den Wunsch hatte, dass die Politik die Verantwortung übernimmt, die auch aus den Beschlüssen, über die wir gerade gesprochen haben, resultiert. Der Bürgerentscheid hat aber auch Vorteile: Vor dem Entscheid können die Bürger und Bürgerinnen umfangreich über das Thema Klimaschutz und Windenergie informiert werden - sie haben dann direkten Einfluss auf eine konkrete politische Entscheidung. Wenn die Bürger sich dafür entscheiden, "Ja" zur Windkraft zu sagen, dann kann das Thema Widerstand auch vom Tisch sein. Das ist die ganz große Chance. Deshalb müssen wir alle Kräfte investieren, den Bürgerentscheid zu einem - aus meiner Sicht natürlich - positiven Ausgang zu bringen. Wir haben gute Argumente für die Nutzung von Windkraft - auch in unserer Region. Diese werden sich durchsetzen.
Wie kommt man gegen Halbwahrheiten und gefühlte Wahrheiten, falsche und erfundene Statistiken an?
Durch belegbare Argumente und das Erleben von Windkraft an gebauten Beispielen. Ehrlich die tatsächlichen Auswirkungen von Windanlagen benennen, was an Falschaussagen kommt auch so nennen. Völlig offen informieren, auch die guten Seiten der Windenergie darstellen. Erfahrungen teilen, jeder kann im Umkreis selbst Windkraftanlagen anschauen und vor allem auch anhören. Es gibt nichts zu verstecken, geht ja eh nicht. Dafür sind die Teile zu groß.
Aber das Argument ist ja verbreitet unter Windkraftgegnern: Egal was wir hier machen, es bringt eh nichts. Wir brauchen globale Lösungen.
Wir brauchen natürlich weltweit die Umsetzung der Pariser Beschlüsse. Es nützt wenig, wenn wir nur im Landkreis Ebersberg oder nur in Bayern oder Deutschland was machen. Aber: Wenn wir, wo viele in großem Wohlstand leben und mit hohem Industrialisierungsgrad einen erheblichen Anteil am CO₂-Ausstoß hatten und haben, schon nicht bereit sind, unseren Anteil an einem verminderten CO₂-Ausstoß zu liefern, dann können wir es von "den anderen" überhaupt nicht erwarten. Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt: Wenn wir die zur Lösung der Probleme notwendigen Zukunftstechnologien, die ja zum Großteil bei uns entwickelt wurden, nicht anwenden, werden es andere machen. Verlust von Arbeitsplätzen und wirtschaftlichem Wohlergehen wäre die Folge. Das kann niemand wollen, das kann auch keiner verantworten wollen.

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Sie hatten - Stichwort Ausbau - das Ziel formuliert, im Landkreis sollten mehr als 30 Windräder entstehen, um den Strombedarf zu decken. Bisher gibt es eins, die anderen hängen in der Schwebe. Wie lange wird es dauern, bis das Ziel erreicht ist?
Die 10-H-Regelung hat vieles deutlich schwieriger gemacht. Sie wird vielfach so interpretiert, wie wenn bei einer Windradentfernung von weniger als zwei Kilometer irgendwelche Nachteile zu erwarten wären. Das ist schlicht falsch. Die gesetzten politischen Ziele sind ohne die Nutzung der Windkraft nicht zu erreichen. Wir haben im Landkreis das Potenzial für die genannte Zahl von Windrädern. Diese können wirtschaftlich betrieben und gut in die Landschaft integriert werden. Es liegt an den politisch Verantwortlichen, das Notwendige zu tun. Ein positiver Bürgerentscheid könnte eine Initialzündung auslösen. Vorbild bei der Umsetzung könnte unser Vorgehen im Höhenkirchner Forst sein. Dort werden Bürgeranlagen geplant, bei denen die Bürgerinnen und Bürger in jeder Hinsicht beteiligt sind: Sie werden informiert und ihre Anregungen werden gehört, auch werden den Gemeinden und den Bürger und Bürgerinnen selbst monetäre Beteiligung angeboten.
Das Ziel wird in wenig mehr als zehn Jahren erreicht sein. Allerdings bitte ich, unsere anderen Aufgaben, zum Beispiel einen nachhaltigeren Lebensstil nach dem Motto "weniger, aber besser", nicht aus den Augen zu verlieren.
Es ist ja oft so bei polarisierenden Themen: 20 Prozent sind absolut dagegen, 20 Prozent absolut dafür, dem Rest ist es irgendwie egal. Wie bringt man die 60 Prozent der Leute zur Abstimmung?
Ich denke, die Idee des Landrats - selbst wenn man wieder Zeit verliert -, dass man die Abstimmung mit der nächsten Bundestagswahl verbindet, ist klug. Das vermindert Aufwand und öffentliche Kosten, und an dem Tag gehen viele zur Wahl. Man bekommt wirklich ein Bild, wie die Bevölkerung denkt. Es braucht pfiffige Ideen, an möglichst viele Menschen mit seinen Informationen ranzukommen. Diese haben wir.
Was passiert, wenn beim Bürgerentscheid rauskommt: Keine Windräder?
Damit befasse ich mich nicht, das wird nicht kommen. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist sich sehr wohl klar darüber, dass wir nicht mehr sagen können "die anderen sollen es machen", oder das notwendige Handeln auf später verschieben. Dies wird der Bürgerentscheid deutlich zeigen. Sie wissen, dass der Ebersberger Forst eine Erwärmung von mehr als zwei Grad nicht überstehen wird und dass es höchste Zeit ist, zu handeln.
Wäre es darum nicht sinnvoller, gleich für die Folgen des Klimawandels zu planen?
Klar ist, Klimaschutz hat verschiedene Aspekte. Da ist die Dekarbonisierung der Energieerzeugung nur ein Aspekt. Moore und Wälder sind zu renaturieren, um sie als CO₂-Speicher zu erhalten oder sogar zu vergrößern. Unser Konsumverhalten muss sich ändern, eine wirkliche Kreislaufwirtschaft muss unser Ziel sein. Die Energieagentur hat das Jahr 2020 zum Jahr der Wärmewende ausgerufen, was leider Corona-bedingt etwas in den Hintergrund getreten ist. Dennoch sind unsere Anstrengungen auf diesem Gebiet besonders hoch, denn man spricht mit Recht vom "schlafenden Riesen Wärme". Unseren Wärmebedarf zu senken durch Sanierung und Umstellung der Heizsysteme ist ein sehr großer Hebel für die Energiewende. Hier hat die Politik mit dem Klimapakt deutlich nachgebessert. Wir hoffen, die hohen Förderungen werden für die Wärmewende eine große Wirkung zeigen. Unsere nachgefragten Beratungen zeigen klar einen positiven Trend.
Aber zu Ihrer Frage: Klimaüberhitzung ist real. Sie ist nur mehr zu begrenzen und nicht mehr zu verhindern. Zu lange haben wir gezögert statt entschieden zu handeln. Starkregenereignisse werden häufiger werden und ebenso Trockenheitsphasen, mehr Hitzetage werden unsere Gesundheit enorm belasten. Erste Überlegungen zum Thema Klimafolgen gibt es schon, bei meiner Nachfolgerin muss dies wohl leider ein Schwerpunkt ihrer Arbeit werden. Erste Priorität muss aber bleiben: Klimaschutz ist der beste Schutz vor Folgen der Klimaerwärmung.
Was werden Sie tun, wenn Sie nicht mehr für die Energiewende im Landkreis zuständig sind?
Ich werde meiner Familie und mir selbst mehr Zeit gönnen. Ich werde aber auch weiter meine Mithilfe zur Umsetzung der Energieziele anbieten. Dem Thema Umwelt bleibe ich sowieso treu, das ist ja nichts, was ich gemacht habe, um viel Geld zu verdienen, es ist mein Lebensthema geworden. Jetzt fahre ich aber zuerst zur Heuarbeit nach Südtirol und werde in Ruhe nachdenken, wie ich meinen Ruhestand sinnvoll gestalten kann.