Süddeutsche Zeitung

Wärme und Strom aus der Region:Energiekunden kaufen lokal

Die unsichere Lage am Strom- und Gasmarkt kommt regionalen Anbietern zugute. Allerdings können die nicht alle Kundenwünsche erfüllen.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Für alle, die nicht im energieautarken Eigenheim wohnen, sind die Zeiten stressig: Die Preise für Strom und Heizung steigen, einige Versorger haben einseitig Verträge gekündigt oder sind sogar pleite gegangen. Von diesen unsicheren Zeiten profitieren offenbar regionale Energieversorger, das Interesse an lokalen Strom- und Wärmeanbietern ist im Landkreis deutlich gestiegen.

Das merkt man etwa bei den Gemeindewerken Vaterstetten, einem vergleichsweise jungen Anbieter von Nahwärme und Ökostrom. Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts wird in der Großgemeinde das Wärmenetz ausgebaut, 2017 ging das neue Blockheizkraftwerk in Betrieb. Bis Ende des aktuellen Jahrzehnts soll das dann noch einmal gewachsene Netz mit Geothermie betrieben werden. Aktuell allerdings nutzt man Erdgas - und hat daher ebenfalls mit Preissteigerungen zu kämpfen. Wie Georg Kast, Wirtschaftsförderer der Gemeinde und kaufmännischer Vorstand der Gemeindewerke berichtet, hat sich der Einkaufspreis im Jahresvergleich verdoppelt. Für die Kunden werde es daher ab Januar auch teurer - aber dank der Preisbremse des Bundes fällt die Steigerung weniger stark aus: Aktuell kostet die Kilowattstunde 6,9 Cent, im neuen Jahr dann 9,5 Cent, die Differenz zum Einkaufspreis übernimmt der Bund.

Kommendes Jahr will Vaterstetten neue Ausbaupläne für das Nahwärmenetz vorstellen

Attraktiv sei die Nahwärme in Vaterstetten auf jeden Fall auch nach der Preiserhöhung, sagt Kast, man habe sehr viele Anfragen. Aktuell gibt es im Wärmenetz rund 400 Abnahmestellen - die Zahl der tatsächlichen Nutzer liegt aber weit höher. Denn eine Abnahmestelle könne ein Ein- oder Mehrfamilienhaus sein, genau wie ein Altenheim oder ein öffentliches Gebäude wie eine Schule. Laut Tobias Aschwer, Klimaschutzmanager der Gemeinde und technischer Vorstand der Gemeindewerke, habe man im bestehenden Netz eine Anschlussquote zwischen 40 und 60 Prozent. Was bedeute, dass in den ausgebauten Bereichen durchaus noch Verdichtung möglich sei.

Diese liegen derzeit im Nordwesten des Ortsteils Vaterstetten sowie südlich des Sportzentrums. Wann das Netz wohin wächst, entscheidet sich laut Aschwer im kommenden Jahr. Die Gemeinde bewirbt sich im Zusammenhang mit dem Geothermieprojekt um Fördermittel zum Nahwärmeausbau. Um die Zuschüsse optimal nutzen zu können, werde ein detailliertes Ausbauprogramm erarbeitet, das in etwa einem halben Jahr vorliegen soll.

Doch es gibt noch einen Grund, warum nicht jetzt schon im Eiltempo Leitungen verlegt werden - es fehle einfach an Material, sagt Kast. So habe man derzeit mehrere Baustellen, die längst fertig sein sollten, aber die nötigen Teile seien nicht verfügbar. Aktuell bestelle man bereits Material auf Vorrat, sagt Kast - aber das täten viele andere Betreiber von Wärmenetzen ebenfalls.

Der lokale Stromanbieter Rothmoser hat mehr potenzielle Neukunden, als er bedienen kann

Dieses Problem kennt auch Florian Rothmoser aus Grafing, einer der beiden Geschäftsführer der Rothmoser GmbH, die Strom und Fernwärme anbietet. Bei letzterer haben sich auch in Grafing die Anfragen in den vergangenen Monaten erhöht, gut 40 potenzielle Neukunden hätten sich gemeldet - bei aktuell 250 Abnahmestellen. Diese liegen überwiegend in der Innenstadt, ein Ausbau des Netzes sei zwar geplant - aber wie in Vaterstetten machen auch hier volle Auftragsbücher der Tiefbaufirmen und niedrige Lagerbestände die Sache nicht einfacher. Parallel dazu planen die Grafinger den ökologischen Umbau ihrer Nahwärmeversorgung: Aktuell, so Rothmoser, habe man einen Anteil von etwa 57 Prozent Biogas, in einigen Jahren will man komplett auf Erdgas verzichten können.

Bei weitem mehr Kunden als bei Fernwärme hat die Firma Rothmoser beim Strom, aktuell sind es knapp 6000. Hier spiele der Marktpreis eine größere Rolle, sagt Rothmoser, zwar stammten rund ein Drittel des in Grafing erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen - dieser werde allerdings gemäß EEG-Einspeisevergütung ins Netz geleitet. Die Stromkunden wiederum werden über Kontingente versorgt, welche die Firma Rothmoser möglichst langfristig einkaufe, aktuell liege der Preis bei 43,9 Cent pro Kilowattstunde.

Was im langjährigen Vergleich schon viel sei, so Rothmoser, dennoch gebe es derzeit mehr Anfragen potenzieller Neukunden, als man Strom anbieten könne. Das liege eben an den Kontingenten: Würde die Zahl der Abnehmer zu stark steigen, müsste man Strom zu aktuellen Marktpreisen kaufen - und natürlich auch verkaufen. Zwei Tarife, einen für Neukunden und einen für Bestandskunden, wolle man aber nicht einführen. Daher nehme man aktuell nur neue Kunden aus Grafing auf, solche von außerhalb müssen sich gedulden.

Ein weiterer großer lokaler Stromanbieter ist das Eberwerk - die Kundenzahl ist hier aber gut gehütetes Geschäftsgeheimnis. Kein Geheimnis ist indes, dass sich die Zahl der Neuabschlüsse und Kündigungen im Rahmen der vergangenen Jahre bewegen, sagt Manuel Herzog, Pressesprecher des Eberwerks. Derzeit kostet dort die Kilowattstunde Strom 69 Cent, dieser Preis gilt seit Oktober. Und, wie Herzog sagt, werde zumindest zum Jahreswechsel auch nicht teurer.

Dann greift ohnehin die Strompreisbremse, was für Privathaushalte bedeutet, dass sie 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs zum Festpreis von 40 Cent pro Kilowattstunde bekommen - egal, ob vom regionalen oder überregionalen Anbieter.

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