Süddeutsche Zeitung

Demografiekonzept:Nützlicher Hinweis

Die Bilanz des vor sieben Jahren beschlossenen Konzeptes fällt besser aus, als man es am Anfang erwarten konnte.

Kommentar von Wieland Bögel, Ebersberg

Dem Konzept geht es ja oft so wie dem Arbeitskreis, der zumindest umgangssprachlich immer dann gegründet wird, wenn niemand mehr weiterweiß. Ähnlicher Spott wird auch dem Konzept gelegentlich zuteil, scheint es doch oft gut in Wunsiedels Fabrik zu passen. In ebenjener von Heinrich Böll erdachten Einrichtung vollzieht sich tagtäglich der ewig gleiche Dialog der Belegschaft: "Es muss etwas geschehen." - "Es wird etwas geschehen." Freilich ohne dass erkennbar wirklich etwas geschieht. Auch das Demografiekonzept des Landkreises schien zumindest anfangs in diese Kategorie zu fallen.

Ursprünglich firmierte es unter dem Namen "Seniorenpolitisches Gesamtkonzept", vor knapp eineinhalb Jahrzehnten wurde dieses von den beiden damals größten Kreistagsfraktionen CSU und SPD auf den Weg gebracht, Kernaussage: "Es muss etwas geschehen." Konkret etwas, um auf den demografischen Wandel zu reagieren. Vor zwölf Jahren erfolgte schließlich im Kreistag die Antwort: "Es wird etwas geschehen." Das Konzept wurde verabschiedet - was nun aber nicht bedeutete, dass wirklich besonders viel geschah. In einigen Kommunen des Landkreises - nicht für diesen selbst - wurden Seniorenbeiräte eingerichtet, es gab Initiativen wie etwa für mehr Lesebrillen in Gemeindebüchereien und die Anregung, beim Bauen mehr auf die Barrierefreiheit zu achten.

Was ausdrücklich nicht an den beteiligten Personen, sondern an der ihnen gestellten Aufgabe lag - und den Möglichkeiten, die ein Landkreis hat oder eben nicht. Das Konzept einfach wegen Ineffektivität aufzugeben kam aber nicht infrage, nicht zuletzt, weil man damit einige nicht ganz unbedeutende Personen der Landkreispolitik brüskiert hätte, die sich von Anfang an für das Konzept stark gemacht hatten. Und der Kreistag hätte wohl keine besonders gute Figur abgegeben, wäre eine von allen Fraktionen beschlossene - und in der Öffentlichkeit, auch zu Wahlkampfzwecken, heftig gelobte - Initiative einfach begraben worden. Doch auch die vom neuen Kreistag dann beschlossene Erweiterung vom Konzept für Senioren zu einem für alle war anfangs nicht unumstritten. Man entwerte die Arbeit, die bereits in das Seniorenkonzept geflossen sei, so ein Kritikpunkt. Dass man die Interessen der Älteren aus dem Blick verliere ein anderer.

Im Nachhinein kann man allerdings feststellen, dass es sich durchaus gelohnt hat, das ursprüngliche Konzept aufzubohren. Nicht zuletzt, weil ansonsten wohl über kurz oder lang ein Konzept nach dem anderen hätte erstellt werden müssen. Warum schließlich soll der Kreis nur die Lebensbedingungen für Senioren im Blick haben, wo bleiben Familien, Neubürger, Schulkinder, Menschen mit Behinderung, Ehrenamtliche und, und, und?

Vor allem aber ist es der große Verdienst des Konzepts, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass - wie es die Juristen formulieren - Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist: Nicht alles dient allen gleichermaßen. Das ist zwar eine Weisheit in der Preisklasse von Kalendersprüchen - dennoch hilft es manchmal, explizit darauf hingewiesen zu werden, damit vielleicht wirklich etwas geschieht.

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