Corona-Pandemie:Reitschulen kämpfen um ihre Existenz

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Auch ohne Pandemie unterrichtet Claudia Weissauer (links) von der Reitschule im Gut Kastensee per Headset. (Foto: Christian Endt)

Weil im Lockdown kein Unterricht mehr stattfinden darf, geht es vielen Reitschulen schlecht. Pferdepensionen hingegen stehen vergleichsweise gut da.

Von Nathalie Stenger, Ebersberg

Weil ein Reitstall genau wie ein Fitnessstudio als Sportstätte gilt, darf dort seit November kein Unterricht mehr gegeben werden. Das ist auch für die viele Höfe im Landkreis Ebersberg eine schwierige Situation. Allerdings muss dabei zwischen Pferdepensionen und Reitschulen unterschieden werden.

Christian Mainzl etwa gehören die Reitanlagen am Kastensee. "Solange die Leute noch für ihre Pferde zahlen, geht es mir gut", sagt er. 120 Pferde sind es, die Ebersberger, Münchner und Rosenheimer hier einstellen. Und bisher zahlten alle, so Mainzl, ein Pferd sei eben auch ein Familienmitglied. "Ich glaube, dass es bei den meisten Betrieben noch passt." Anders sei es bei den Reitschulen. "Die können keinen Unterricht geben, das ist schlimm."

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Recht hat er, wie Claudia Weissauer bestätigt. Sie hat sich mit ihrer Reitschule "Spaß am Reitenlernen" in das Gut Kastensee bei Glonn eingemietet und kann aktuell gar nicht arbeiten. Die Situation sei super belastend, so Weissauer, "ein Wahnsinn für alle Beteiligten". Im Frühjahr sei alles noch einigermaßen geregelt gewesen, da habe man Unterstützung beantragen können und sie auch bekommen. "Diesmal ist es eine Katastrophe", so die Reitlehrerin. Die Novemberhilfe sei vor wenigen Wochen erst gekommen, und für die Dezemberhilfe wisse man noch nicht, inwiefern die Zahlungen einträfen, dabei sei die finanzielle Unterstützung das einzige, mit dem der Alltag zu schaffen sei. "Wenn ich wüsste, wie es sich finanziell entwickelt und mit welchen Zahlungen zu rechnen ist, könnte ich kalkulieren", sagt sie. So aber befinden man sich im luftleeren Raum.

20 Pferde, zwei Festangestellte und zehn Minijobber gehörten zu "Spaß am Reitenlernen" vor Beginn der Pandemie. Mittlerweile sind es weniger Pferde und nur noch eine Festgestellte. "Hilft ja nichts", sagt Weissauer. Sie habe die Pferde verkauft, an Orte, wo sie gut untergebracht seien. Wenn es so weitergehe, müsse sie aber den Händler anrufen, und dann sei nicht klar, wo die Tiere hinkämen. "Die Situation ist hoffnungslos." Irgendwann halte man es nicht mehr aus, so die Berufsreiterin weiter, und auch das Geld sei irgendwann weg. Weissauer ist nicht gegen Regeln, ganz im Gegenteil: "Ich habe vollstes Verständnis, dass man keine Gruppen mit acht Kindern reiten lassen kann, das ist klar. Aber ich verstehe nicht, warum man keinen Einzelunterricht mit Abstand ermöglicht." Die Halle sei 80 Meter lang, und der Unterricht erfolge über Headsets, schon vor Corona. "Das ist sicher", sagt sie. Ihr gehe es darum, "wenigstens ein bisschen etwas machen zu können". Ihr Appell: "Entscheidungen in der Politik müssen mit Augenmaß getroffen werden. Dann würden nicht so viele Leute Pleite gehen."

Auch Tanja Heincke kritisiert die Art und Weise, wie der Reitsport von höheren Behörden außer Acht gelassen werde. "Wenn es nicht bald wieder losgeht, dann wird es schwierig", sagt die Geschäftsführerin des RVTS Zentrums Aßling. "Gerade im Januar waren viele Versicherungen fällig, für einen Betrieb mit Pferden und Angestellten ist das eine Menge." Neun eigene Schul- und Reitpferde stehen hier, außerdem eine Handvoll Pferde von Einstellern.

Das Problem: Man müsse die Pferde konditionell in Arbeit, also fit halten, erklärt Heincke. Man könne sie nicht erst dann trainieren, wenn wieder Unterricht möglich sei. "Dafür brauche ich aber Leute, eigentlich mehr Leute, als ich habe." Und die Kosten blieben gleich. Auf Unterstützung vom Staat kann Heincke bisher nicht setzen, durch die Mieteinnahmen der zum Hof gehörenden Wohnungen erreicht sie nicht den nötigen Prozentsatz an Umsatzeinbußen. Und die Einstellerpferde bringen zwar viel Geld, kosten aber auch viel. Kurz: "Ich kann nicht neun Schulpferde auf Dauer durchfinanzieren." Im Moment komme sie gerade so über die Runden und schieße privat etwas zum Hof dazu. Vorschüsse ihrer Schülerinnen durch vorzeitig gekaufte Zehnerkarten für Reitstunden bringen wenig. "Das ist nur verschoben, nicht zusätzlich verdient."

Neben herkömmlichen Reitstunden und Voltigierkursen gibt es im Aßlinger Reitzentrum auch ein therapeutisches Angebot. In allen Kursen herrsche hoher Bedarf, so Heincke. "Ob Therapie oder nicht, alle wollen wieder reiten. Wer solange an immer demselben Ort bleibt, wird krank. Und Kinder sind im Moment den ganzen Tag ans Haus gebunden." Deshalb sei es so wichtig, dass sie wieder anfangen dürfe, sagt Heincke.

Sie finde es schade, dass man die Ställe alle geschlossen habe, ohne genauer zu überlegen. "Allein wegen der Pferde rücken wir uns nicht auf den Pelz. Und eine Reiterhalle ist ein luftiger Raum." Tanja Heincke, selbst Mitglied, bemängelt die Arbeit des Bayerischen Reiter und Fahrverbands (BRFV): Man sei total alleingelassen. "Das mag sein, dass sie sich intern hinsetzen", sagt sie, "aber es wird davon nichts nach außen getragen, das ist sehr enttäuschend." Das verursache immensen Frust.

Auch Isabelle Reitsberger, die Leiterin des gleichnamigen Reiterhofs in Vaterstetten, wünscht sich einen besseren Dialog mit dem BRFV. "Ich weiß, dass die keine Wunder bewirken können, aber sie kommunizieren nicht. Nach jedem Beschluss der Politik muss man zwei, drei Tage warten, bis klar ist, was wir dürfen. Meine Kollegin und ich haben das Gefühl, dass sich der Verband nicht so für uns einsetzt." Auf dem Reitsberger Hof reiten normalerweise 240 bis 250 Schülerinnen und Schüler in der Woche. Der Schwerpunkt der Einnahmen liege, so Reitsberger, nicht auf den Einstellern, sondern auf der Reitschule. "Wir haben eh Glück", so die Reitlehrerin, "dass die Beziehung zu vielen unserer Reitschüler so familiär ist". Ein paar von ihnen würden die Möglichkeit nutzen, ihre Stunden zu spenden, als "Unterstützerstunden". Die absoluten Grundkosten seien somit gedeckt. "Wenn es aber nicht spätestens im März wieder losgeht, dann muss ich schauen, was ich mache."

Isabelle Reitsberger aus Vaterstetten setzt aktuell auf theoretischen Onlineunterricht. (Foto: Christian Endt)

Ein besonderes Angebot von Reitsberger, um ein bisschen etwas zu verdienen, aber auch um den Schülern etwas zu bieten, ist theoretischer Online-Unterricht. Themen rund ums Pferd, eine bunte Mischung für alle, mit Skript. Die Seminare sind sogar so gestaltet, dass man sich bestimmte Theorieeinheiten später für Abzeichenkurse auf dem Hof anrechnen kann. "Das wird sehr gut angenommen", berichtet die Reitlehrerin.

Wie in allen Ställen müssen auch die Pferde von Isabelle Reitsberger - hier geht es vom Shetlandpony bis zum Kaltblut - bewegt werden. Das übernehmen im Moment Freiwillige, die ohnehin eine Reitbeteiligung auf dem Hof haben. Die Chefin spricht auch das Wohlbefinden der Tiere im Lockdown an: "Die Pferde sind es einfach anders gewohnt. Im Endeffekt sind sie Leistungssportler, die dreimal am Tag im Einsatz waren, jetzt ist es nur ein Mal." Das sei nicht gut für die Organismen, sie würden runtergefahren. Sie habe zwei Pferde, die fräßen im Moment weniger, eins davon sei fast schon depressiv. "Denen fehlt der Trubel im Stall, die Stimmung." Es freuten sich Pferde wie Menschen, wenn man wieder reiten darf, so Reitsberger.

Eine ganz andere Seite der Pandemie zeigt Andrea Zeller vom Schrankenschneiderhof in Ebersberg auf: "Der Pferdekauf boomt extrem", sagt sie. "Das geht von der Pferdeklinik bis zum Schmied, jeder wird gefragt, ob Pferde zu verkaufen sind." Auch sie - Familie Zeller züchtet im kleinen Maßstab Tinker und Irish Cob - hätten bereits Anfragen erreicht. Sie habe sie aber alle abgelehnt, erzählt Zeller, schließlich könne sie nicht den Grundstock für ihre Arbeit hergeben.

Tatsächlich hat der Schrankenschneiderhof im Gegensatz zu anderen Ställen im Landkreis aktuell nicht mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen und muss deshalb keine eigenen Tiere verkaufen. Der Großteil der Pferde gehört Einstellern - und "solange die bleiben, ist es tragbar", heißt es von der Übungsleiterin. "Bis jetzt versucht jeder, sein Pferd zu halten", sagt sie, allerdings wisse sie nicht, wie es in ein oder zwei Jahren sei. "Ich glaube, die Auswirkungen der Pandemie sind bei Pferdepensionen erst später festzustellen. Und dann kommt es natürlich ganz darauf an, welche Berufsgruppen auf dem Hof vertreten sind." Friseure hätten sie zum Beispiel keine, eine erste Einstellerin - diese leitete eine Zeitarbeitsfirma - habe den Hof mit ihren zwei Pferden aber bereits verlassen müssen. Eine Sache, die Zeller persönlich ärgert: "Private Reitlehrer geben teilweise trotz des Verbots Unterricht." Das kriege man mit über Social Media. "Die Ställe, die mehr Kosten haben, halten sich an die Regeln - und andere widersetzen sich ihnen."

Die Ebersbergerin selbst plant für den Sommer ein größeres Kursangebot als normalerweise, um die Defizite auszugleichen. Das aber sei nur möglich, weil sie zuvor nur drei Tagen pro Woche Unterricht gegeben habe. "Ein großer Betrieb kann die ausgefallen Stunden gar nicht mehr reinholen".

© SZ vom 18.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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