Ehemalige Bürgermeister:"Mir ist es noch nie so gut gegangen"

Ehemalige Bürgermeister: Keine Zeit für Sehnsucht nach der guten alten Zeit: Georg Hohmann, ehemals Bürgermeister von Markt Schwaben, beradelt mit seinem E-Bike nun die Welt. Hier ist er in der Nähe von Markt Schwaben im Grünen unterwegs.

Keine Zeit für Sehnsucht nach der guten alten Zeit: Georg Hohmann, ehemals Bürgermeister von Markt Schwaben, beradelt mit seinem E-Bike nun die Welt. Hier ist er in der Nähe von Markt Schwaben im Grünen unterwegs.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Radtouren, Enkelspaß, Leseabenteuer: Fünf ehemalige Bürgermeister aus dem Landkreis Ebersberg erzählen von ihrem Leben nach der Amtszeit. Bei manchen schwingt noch eine Portion Wehmut mit, bei anderen überwiegt die Erleichterung.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Halbzeit nach der jüngsten Kommunalwahl: Drei Jahre ist es her, dass im Landkreis Ebersberg neue Bürgermeister gewählt wurden - und viele der ehemaligen Rathauschefs ausgeschieden sind, teils nach langen Amtszeiten. So mancher genießt die neue Freiheit, andere wiederum blicken wehmütig auf die Zeit im Rathaus zurück. Gleich ist allen, dass sie den Amtsabtritt als eine spürbare Zäsur in ihrem Leben empfunden haben. Wie es ihnen seitdem ergangen ist und was sie aus ihrer Bürgermeisterzeit vermissen, hat die SZ Ebersberg in einer kleinen Umfrage herausgefunden.

"Mir geht es so gut, besser kann es nicht gehen", schwärmt etwa Georg Hohmann. Neun Jahre lang war er Bürgermeister in Markt Schwaben. "Die Corona-Zeit war für mich gar nicht die schlechteste", resümiert der 71-Jährige. Dadurch sei nicht nur er abrupt aus dem Amt gegangen, auch alle anderen hätten eine Auszeit durchlebt. "In der ersten Zeit habe ich zwanzig, dreißig Bücher gelesen", erinnert sich Hohmann. Neben der "Schachnovelle" und Werken von Robert Seethaler habe er sich etwa auch in Albert Camus' "Die Pest" vertieft: "Ich bin aus dem Staunen gar nicht mehr rausgekommen, wie sich die Zeit von Corona fast eins zu eins in diesem Buch abgebildet hat." Er habe diese Zeit insgesamt sehr genossen: Nirgendwo habe er sich entschuldigen müssen, alle anderen seien auch zuhause gewesen.

Beim Radfahren blüht Markt Schwabens ehemaliger Rathauschef Georg Hohmann auf

Im Moment allerdings, so Georg Hohmann, habe er eine kleine Lesepause eingelegt. Schuld daran sind seine ausgedehnten Radtouren, die er auf seinem E-Bike zurücklegt. Zuletzt sei er im April von Markt Schwaben nach Bad Tölz, dann an der Alpenkette entlang und um den Bodensee herum gefahren, erzählt der ehemalige Bürgermeister - 600 Kilometer in zehn Tagen. Auf insgesamt 3000 Kilometer habe er es so im vergangenen Jahr gebracht. Was ihn so fasziniert am Radfahren? "Die Luft, das Atmen - da blühe ich auf." Manchmal fährt Hohmann mit anderen Radlern, am liebsten ist er aber allein unterwegs, erzählt er: "Da kriegt man viel mehr von den anderen Menschen um sich herum mit." Außerdem reist der ehemalige Rathauschef viel, war kürzlich auf einer Bildungsreise in Israel, fährt oft nach Wien.

Für ihn, so sagt Georg Hohmann rückblickend, sei es leicht gewesen, das Amt aufzugeben. "Ich hatte nie vor, Bürgermeister zu werden", erzählt er. So sehr ihn dieses Amt auch ausgefüllt habe, heute vermisse er nichts. "Ich bin weiterhin aufmerksam dabei", so Hohmann. Natürlich hätte er gern in seiner Amtszeit noch erlebt, wie etwa der erste Spatenstich zum Radweg zwischen Markt Schwaben und Finsing gesetzt werde - ein Ereignis, das nach langen Verhandlungen in der kommenden Woche nun stattfinden soll. Das zeige ihm, was für einen langen Atem man als Bürgermeister brauche, sagt Georg Hohmann. Doch: "Ich freue mich, dass es jetzt vollendet wird."

Ehemalige Bürgermeister: Die Vaterstettener Politik interessiert ihn zwar immer noch, aber nicht mehr hauptamtlich. Altbürgermeister Georg Reitsberger ist oft auf Kindergeburtstagen auf seinem alten Eicher Bulldog anzutreffen.

Die Vaterstettener Politik interessiert ihn zwar immer noch, aber nicht mehr hauptamtlich. Altbürgermeister Georg Reitsberger ist oft auf Kindergeburtstagen auf seinem alten Eicher Bulldog anzutreffen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dem Reisen nichts abgewinnen kann hingegen sein ehemaliger Amtskollege Georg Reitsberger, der sechseinhalb Jahre Bürgermeister von Vaterstetten war. "Lieber bin ich zuhause", erklärt der 70-Jährige. Langweilig, so viel steht fest, wird auch ihm nicht. "Ich bin nach wie vor gut eingespannt", erzählt er. Während in der Corona-Zeit gähnende Leere auf dem Reitsberger Hof geherrscht habe, pulsiere dort nun wieder das Leben. Schweine, Esel, Hühner wollen versorgt werden, so Reitsberger. Bei Kindergeburtstagen fahre er nun öfters die Kleinen mit dem Traktor herum. "Bei vielen Kindern aus der Stadt merkt man, dass sie es genießen, rumlaufen zu dürfen", sagt er.

Nachdem er dreißig Jahre Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Vaterstetten war, ist Georg Reitsberger diesem auch weiterhin verbunden. Etwa 100 Obstbäume gebe es auf dem Reitsberger Hof, die gepflegt und geschnitten werden müssten - alles Aufgaben, zu denen er immer wieder gebraucht wird.

Erleichterung - und Mitgefühl mit dem Nachfolger

Als einer der Stellvertreter des Landrats sei er auch noch oft auf Geburtstagen bei betagten Jubilaren, um ihnen zu gratulieren - "das mache ich sehr gerne". Außerdem sei es ihm wichtig, die Geschichte des Ortes zu bewahren. "Die Älteren, die über das Brauchtum noch Bescheid wussten, werden immer weniger", sagt Georg Reitsberger. "Jetzt muss ich alles wissen." Auch das kirchliche Brauchtum gehöre dazu. Momentan sammelt Reitsberger, ein eifriger Zeitungsleser, relevante Artikel über die Ortsgeschichte und archiviert sie selbst. Und wenn im Rathaus eine Schulklasse herumgeführt werde, so Reitsberger, sei er dabei: Die Kinder sollten schließlich nicht nur etwas über die Gemeindestrukturen, sondern auch deren Geschichte lernen.

Natürlich nimmt der Vaterstettener Altbürgermeister immer noch aufmerksam Anteil am Geschehen der Gemeinde. "Wenn man einmal dabei war, kommt man nicht mehr weg", so formuliert er es. Gleichzeitig ist ihm auch eine gewisse Erleichterung anzumerken. "Ich brauche nicht mehr auf Gemeinderatssitzungen zu gehen", sagt Reitsberger. Großes Mitgefühl habe er mit seinem Nachfolger. Als Bürgermeister habe man eben schon oft mal was auszuhalten.

Ehemalige Bürgermeister: Nicht ganz einfach sei der Abschied vom Grafinger Rathaus gewesen, erzählt Angelika Obermayr. Doch ihr neuer Job als Kirchenangestellte bringe auch so einige Vorzüge.

Nicht ganz einfach sei der Abschied vom Grafinger Rathaus gewesen, erzählt Angelika Obermayr. Doch ihr neuer Job als Kirchenangestellte bringe auch so einige Vorzüge.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Pionierin in zweifacher Hinsicht war Angelika Obermayr: Sie war die erste Bürgermeisterin in Grafing und auch die erste Politikerin im Landkreis, die den Grünen einen Chefsessel im Rathaus sichern konnte. Sechs Jahre lang erfüllte sie das Amt. Wie ist es ihr seitdem ergangen? Der Abschied aus dem Rathaus sei nicht ganz einfach gewesen, erzählt die heute 64-Jährige: "Ich konnte viele Themen, die ich angeschubst habe, nicht zu Ende bringen." Dazu zählen zum Beispiel zwei Kindergärten in Grafing, die in Obermayrs Amtszeit entstanden sind, oder auch die Erweiterung der Grundschule, "ein Riesenprojekt". Das alles musste sie los lassen und sich erst einmal neu orientieren.

"Mitte 2020 war Corona", erinnert Angelika Obermayr sich an die Zeit kurz nach Amtsabtritt. "Ich habe mir erst einmal eine Auszeit von einem Vierteljahr gegönnt." Sie habe mit ihrem Mann viel Zeit verbracht, sei viel geradelt. Seit November 2020 arbeitet Obermayr als Verwaltungsleiterin des Pfarrverbands Röhrmoos-Hebertshausen nahe Dachau - eine Aufgabe, die gar nicht so weit entfernt sei vom Job als Bürgermeisterin, wie sie erzählt: Zehn Kirchen, 4000 Katholiken und etwa 30 bis 40 Mitarbeiter betreue sie. "Ich genieße meine neue Arbeit", sagt sie.

Nicht mehr so im Fokus zu stehen kann durchaus seine Vorteile haben

Das Arbeitsumfeld in der Kirche sei ein sehr wertschätzendes. Angelika Obermayr fügt hinzu: "Was ich sehr genieße: Ich bin eine ganz normale Angestellte - und nicht gewählt." Sie stehe nicht mehr so im Fokus wie in ihrer Zeit als Bürgermeisterin; eine Tatsache, die durchaus ihre Vorzüge habe. Außerdem sei es schön, woanders als im Heimatort zu arbeiten und abends dann heim nach Grafing zu fahren. Der Kontakt zu vielen Menschen, die sie während ihrer Amtszeit kennen lernen durfte, bestehe immer noch.

Aus der Politik hat Angelika Obermayr sich aber nicht ganz zurück gezogen. Sie ist Kreisrätin und zudem eine Stellvertreterin des Landrates, als welche sie immer wieder repräsentative Termine wahrnimmt. Die Grafinger Stadtpolitik verfolgt sie immer noch, erzählt Obermayr - "als ganz normale Zeitungsleserin mit grünem Background".

Albert Hingerl bringt die vergangenen drei Jahre in einem Satz auf den Punkt: "Langweilig war mir nicht." Hingerl war zwanzig Jahre lang Rathauschef in Poing. Was er seitdem gelernt habe, sei, dass es nach 50 Jahren Arbeit auch ein Leben danach gebe. Er sehne sich nicht nach dem Rathausalltag zurück. Gleichzeitig betont der 68-Jährige: "Ich bereue keinen Tag, den ich gearbeitet habe."

Ehemalige Bürgermeister: Als Bruch von heute auf morgen hat Albert Hingerl seinen Abschied vom Poinger Rathaus in Erinnerung, Inzwischen kann er seine neu gewonnen Freizeit genießen. Hier bei der Verleihung der Altbürgermeisterurkunde: als Geschenk gab`s einen Zuschuss zum E-Bike.

Als Bruch von heute auf morgen hat Albert Hingerl seinen Abschied vom Poinger Rathaus in Erinnerung, Inzwischen kann er seine neu gewonnen Freizeit genießen. Hier bei der Verleihung der Altbürgermeisterurkunde: als Geschenk gab`s einen Zuschuss zum E-Bike.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Heute kommt Albert Hingerl wieder mehr zum Lesen. Der Sonntag, erzählt er, sei Kulturtag; er besuche mit seiner Frau sehr viele Ausstellungen. Außerdem fährt er oft mit seinem Motorrad, spielt Golf und kümmert sich um seine Enkelkinder.

Als Fraktionssprecher der SPD im Kreistag ist Albert Hingerl immer noch Teil des kommunalen Politik-Betriebs. "Es ist natürlich nicht mehr so viel erreichbar wie früher", sagt er. "Das wird allen ehemaligen Bürgermeistern so gehen." Den Abschied vom Rathaus hat Hingerl als schwierig in Erinnerung: "Das war doch ein Bruch, von heute auf morgen." Trotzdem findet er, dass seine Entscheidung von damals, nicht mehr zu kandidieren, die richtige gewesen sei. "Ich habe viel geschafft", sagt er. Wenn Hingerl auf die derzeitigen Bauprojekte in Poing schaut, sieht er vieles, was er während seiner Amtszeit noch angeschoben hat - zum Beispiel das Schwimmbad oder die Mensa. Einen großen Wunsch hat Albert Hingerl für die Zukunft seiner Gemeinde: dass das Gymnasium nach Poing kommt.

Ebenfalls sehr gut gelaunt ist Walter Brilmayer anzutreffen, der 26 Jahre lang in Ebersberg Bürgermeister war. "Mir geht's sehr gut", sagt er. "Man kann schon fast sagen: Mir ist es noch nie so gut gegangen." Zwar erfülle er immer noch eine Reihe von Ehrenämtern und ist als Stellvertreter des Landrats unterwegs - "aber alles ohne den Stress, den ich gewohnt war".

Ehemalige Bürgermeister: Das Bürgermeisteramt in Ebersberg war lange Jahre sein Leben, jetzt ist Walter Brilmayer gern sportlich unterwegs. Hier auf der Piste beim Skifahren mit Tochter Veronika Kneifl und Enkel Alois

Das Bürgermeisteramt in Ebersberg war lange Jahre sein Leben, jetzt ist Walter Brilmayer gern sportlich unterwegs. Hier auf der Piste beim Skifahren mit Tochter Veronika Kneifl und Enkel Alois

(Foto: privat)

Seinen neuen Alltag beschreibt Brilmayer so: "Man wacht in der Früh auf und hat nicht schon die ganze Tagesordnung im Kopf." Und: "Man wacht auch nicht in der Nacht auf und diskutiert mit sich selbst." Stattdessen verbringt der 71-Jährige nun viel Zeit mit seinen Enkeln und ist gern auf Reisen mit seiner Frau. Heuer war er etwa schon ein paar Tage in Wien und ein paar Tage in Prag, demnächst geht es ins Friaul im Nordosten Italiens. Auch Bergwandern und Radlfahren gehören zu seinen liebsten Beschäftigungen.

Auf den Abschied vom Bürgermeisteramt habe er sich sehr gut eingestellt, erzählt Walter Brilmayer. Es sei ihm nicht schwer gefallen, die Stadtpolitik hinter sich zu lassen - auch wenn er mit Leib und Seele dabei war: "Ich hab das sehr gern gemacht, das war mein Leben." Einzig auf eine Tatsache schaut Brilmayer mit etwas Wehmut zurück: "Das Interessante an dem Job war, dass man mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun gehabt hat." Das vermisse er schon ein bisschen.

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