Bahnausbau im Landkreis Ebersberg:"Es muss nicht zwangsläufig die günstigste Trasse gewinnen"

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Der Brenner-Nordzulauf im Landkreis Ebersberg soll ein Teilstück einer großen Güterverkehrsachse quer durch Europa werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Hearing zum Brenner-Nordzulauf durch den Landkreis Ebersberg bringt zwei richtungsweisende Klarstellungen - und geht vergleichsweise versöhnlich zu Ende.

Von Thorsten Rienth, Ebersberg

"Eine Beeinträchtigung des FFH-Gebiets Attelleite ist nach derzeitigem Stand nicht gegeben." Diese Aussage von Projektleiter Christian Tradler beim Ebersberger Hearing ist zwar keine Vorentscheidung für die sogenannte Bürgertrasse als fünfte Brennernordzulauf-Option. Wohl aber eine von großem Nachrichtenwert: Der FFH-Kontext galt bislang als großer Unsicherheitsfaktor der gemeinsamen Pläne von Andreas Brandmaier aus Niclasreuth und dem Brucker Bürgermeister Josef Schwäbl (CSU). Und dies bleibt nicht die einzige Klarstellung am Dienstagabend.

Wenn man so will, war das Hearing im Sparkassensaal in Ebersberg eine Art Bürgerversammlung. Nur dass nicht ein Bürgermeister den Vortrag hielt und danach Fragen beantwortete. Sondern die Planer von der DB Netz AG - und zwar zum Brennerzulauf-Abschnitt zwischen Grafing Bahnhof und Ostermünchen. Die Entscheidung über den genauen Verlauf steht bekanntlich im Sommer an. Dann, wenn bei der Bahn die Entscheidung über die Vorzugstrasse gefällt ist und selbige dem Bundestag zur Beschlussfassung vorgelegt wird.

Gewichtet werden Dinge wie Eingriffe in die Natur, Instandhaltungsaufwand, zu verlegende Infrastruktur und Flächenverbrauch

Das Lastenheft für den Abschnitt zwischen Grafing Bahnhof und Ostermünchen ist längst formuliert: Zusätzlich zur bestehenden zweigleisigen Bestandsstrecke ist eine zweigleisige Neubaustrecke für den schnellen Personenfern- sowie Güterverkehr zu planen. Maximale Längsneigung auf freier Strecke: 12,5 Promille. Maximale Zuglänge: 740 Meter. Entwurfsgeschwindigkeit: 230 Kilometer pro Stunde.

Aktuell läuft bei der Bahn die vertiefte Planung der fünf Trassenvorschläge. "Die stellen wir dann gegen einen Kriterienkatalog", erläuterte Tradler das weitere Prozedere. Der Katalog gewichte unter anderem Dinge wie Eingriffe in die Natur, Instandhaltungsaufwand, zu verlegende Infrastruktur und Flächenverbrauch. Am Ende soll, ähnlich wie bei der Vergabe von sogenanntem Einheimischenbauland, eine Punktewertung stehen. "Wichtig ist zu wissen: Es muss nicht zwangsläufig die günstigste Trasse gewinnen." Sondern die wirtschaftlichste im Kontext "verkehrlichen Anforderungen unter Abwägung der Belange von Mensch, Natur und Umwelt".

In diesem Bereich nahe Niclasreuth könnte eine der neuen Trassen verlaufen. (Foto: Christian Endt)

Hinsichtlich der letzten beiden Belange hatte die Brandmaier-Schwäbl-Variante bis dato als Risikovariante gegolten. Sie verläuft durch die Attelleite mit deren Tuffquellen. Das Areal ist als FFH-Gebiet deklariert. Die Abkürzung steht für Flora-Fauna-Habitat. Dabei handelt es sich um eine der höchsten europäischen Naturschutzklassen. Doch nach Aussage von Tradler liegen die Dinge folgendermaßen: "Im Bereich des FFH-Gebiets wäre wegen der Höhe ohnehin ein Brückenbauwerk nötig." Die Tuffquellen würden also nicht beeinträchtigt.

Mit Blick auf die sogenannte Bürgertrasse gibt es gute Neuigkeiten

Dann zitierte Tradler eine weitere Maßgabe. "Im Beschleunigungsbereich von der Bestandsstrecke nördlich von Grafing auf die Neubaustrecke südlich davon müssen mindestens 170 Stundenkilometer möglich sein." Ihr scheine die Brandmaier-Schwäbl-Variante ebenfalls nicht entgegenzustehen. Inwieweit sich jedoch auch der Soldatenfriedhof bei Elkofen umfahren ließe, würde erst mit der vertieften Planung absehbar.

Auch in einem weiteren für die Anrainergemeinden kritischen Punkt schuf das Hearing Klarheit, nämlich bei einer unter anderem von Bundestagsabgeordnetem Andreas Lenz (CSU) und Susanne Höpler ("AK Bahnlärm Kirchseeon") vorgebrachten Sorge. Sie fürchten, der zusätzliche Basistunnel-Verkehr könnte den Nahverkehr zwischen Grafing Bahnhof und Trudering beeinträchtigen. Anlass ist eine Formulierung der Bahn, wonach die bestehenden S-Bahn-Gleise lediglich "nicht planmäßig" für den "schnellen Personenfern- sowie Güterverkehr" vorgesehen seien - aber unterm Strich eben doch.

Nur bei Störungen sollen Fern- oder Güterzüge auf den S-Bahn-Gleisen unterwegs sein

Nach Bahn-Angaben ist diese Sorge unbegründet: "Nicht planmäßig" bedeute, dass im Regelbetrieb keine Fern- oder Güterzüge auf den S-Bahn-Gleisen unterwegs seien. Ausnahmen würden lediglich bei Störungen auf den Fernverkehrsgleisen greifen, zum Beispiel: Wenn bei einem Sturm erst noch Bäume von den Schienen geräumt werden müssten.

Und so ging das Hearing nach zweieinhalb Stunden durchaus versöhnlich zu Ende. "Wir haben deutlich gesagt, was uns nicht passt", befand Landrat Robert Niedergesäß (CSU). "So ein Gewitter ist auch mal notwendig." Dass zuletzt zwischen Bahn sowie Anrainer-Öffentlichkeit und Kreistag nicht immer alles ganz rosig lief, ist schließlich kein Geheimnis.

Kein Geheimnis sind allerdings auch die schlechten Chancen für die Forderung, den Abschnitt zwischen Grafing Bahnhof und Ostermünchen komplett zu untertunneln. Diese Variante scheint den Planern wegen der hohen Kosten so abwegig, dass sie nicht einmal in die Liste der nun genauer überprüften Grobtrassen steht.

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