Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmarkt im Landkreis Ebersberg:Viele Lehrstellen sind unbesetzt

In diesem Jahr ist der Mangel an Auszubildenden besonders groß. Das könnte Probleme für die regionale Wirtschaft bedeuten, ebenso wie für die Energiewende und den Klimaschutz - denn dafür braucht es Fachkräfte.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Das Angebot ist üppig. Fast zwei offene Lehrstellen gibt es derzeit im Landkreis Ebersberg für jeden potenziellen Bewerber, das hat die IHK kürzlich ausgerechnet. Ende Juli registrierte man dort noch 183 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber, dagegen gab es zum gleichen Zeitpunkt insgesamt 350 freie Lehrstellen. Das sind im Vergleich zu den vergangenen Jahren so viele wie nie, um 13 Prozent sei die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze seit 2021 gestiegen, so die IHK.

Deren Vorsitzende des Ebersberger Regionalausschusses, Sonja Ziegltrum, verweist darauf, dass die Unternehmen im Landkreis zwar viele Lehrstellen anböten, "aber es gibt bei weitem nicht genug Bewerberinnen und Bewerber für alle Stellen". Dies liege zum einen daran, dass die Zahl der jungen Leute Jahr für Jahr geringer werde. Zum anderen aber auch daran, dass die Schulabgängerinnen und Schulabgänger eher zu einer akademischen Ausbildung tendierten.

Diesen Trend bestätigt Kreishandwerksmeister Johann Schwaiger und macht dafür auch die Bildungspolitik verantwortlich. Die jungen Leute wüssten oft einfach nicht, welche Ausbildungsberufe es überhaupt gebe. Als Kreishandwerksmeister stelle er diese zwar an den Schulen vor - aber nicht an allen: "Seit 1997 mache ich das und bin noch nie an einem Gymnasium eingeladen worden", sagt Schwaiger. Dabei seien die Abiturienten durchaus nicht uninteressiert an Ausbildungen, etwa ein Viertel eines Jahrganges bewerbe sich auf eine Lehrstelle. Dass es mehr Information über und mehr Wertschätzung für die Ausbildungsberufe braucht, findet auch Ziegltrum: "Viele haben nach der Schule überhaupt keinen Plan, was man in einem solchen Job macht."

Die Energiewende braucht mehr Fachleute

Dass der Mangel an Azubis unter Umständen auch wichtige gesellschaftliche Ziele wie den Klimaschutz gefährden kann, darauf hat nun das Landratsamt hingewiesen: "Die Energiewende kommt gerade erst ins Laufen, doch jetzt droht sie am Fachkräftemangel zu scheitern", so eine aktuelle Stellungnahme der Behörde. Gerade im Bereich Erneuerbare Energien seien besonders viele gut geschulte Fachkräfte nötig - was sich derzeit an den langen Wartezeiten etwa für den Einbau einer PV-Anlage zeige. Auf dieses Problem verweist auch Ziegltrum: "Ohne Fachkräfte lassen sich auch die großen Herausforderungen unserer Zeit wie Energiewende und Klimaneutralität letztendlich nicht erreichen."

Landrat Robert Niedergesäß ruft die Unternehmen und Handwerksbetriebe im Landkreis Ebersberg deshalb auf, Schülerinnen und Schülern Betriebspraktika zu ermöglichen. "Ein Praktikumsangebot in unmittelbarer Nähe zum Wohnort ist für Schülerinnen und Schüler besonders wichtig", erklärt er. "Und auch wenn die Betriebe im Umfeld der erneuerbaren Energien derzeit voll ausgelastet sind: Es handelt sich bei Schülerpraktika um eine äußerst wichtige Investition in die Zukunft und gegen den Fachkräftemangel."

Zu dem Thema gab es kürzlich auch eine Expertenrunde, zu der die Klimaschutzmanagerin des Landkreises Ebersberg, Lisa Rütgers, und die Energieagentur Ebersberg-München unter dem Motto "Gegen den Fachkräftemangel in Klimaberufen" eingeladen hatten. Das Betriebspraktikum, so die einhellige Aussage der Experten, ist mit das wichtigste Element der Berufsorientierung für Jugendliche.

Um potenzielle Auszubildende auf das eigene Unternehmen aufmerksam zu machen, sei die Praktikumsbörse auf dem Online-Portal "sprungbrett bayern" unter: www.sprungbrett-bayern.de eine gute Möglichkeit, heißt es aus dem Landratsamt. Wichtig sei außerdem die Teilnahme an regionalen Berufsinformationsmessen, um Schülerinnen und Schüler über die vielseitigen Berufe im Energiesektor zu informieren.

Wegen Corona fielen Ausbildungsmessen aus

Wenn diese denn stattfinden. Denn dass es heuer besonders wenige Azubis gibt, hänge auch damit zusammen, dass durch Corona viele Möglichkeiten weggefallen seien, wie sich die jungen Leute über die Lehrberufe informieren könnten, etwa eben auf den Ausbildungsmessen, sagt die IHK-Kreisvorsitzende. Dadurch hätten viele mehr als in anderen Jahrgängen die Schule verlängert oder ein Studium gewählt.

Das Problem betreffe im Übrigen so gut wie alle Branchen, sagt Schwaiger. Besonders schwierig sei es - wie schon in den Vorjahren - in den Bereichen "wo Flexibilität nötig ist". Etwa wenn man, wie im Bäcker- oder Metzgerhandwerk besonders früh anfangen müsse, aber auch überall, wo Schicht gearbeitet wird. Angesichts des jetzt schon bemerkbaren Fachkräftemangels sei diese Entwicklung bedenklich, so Ziegltrum: "Ohne gut ausgebildeten Fachkräftenachwuchs wird sich der schon jetzt bedenkliche Personalmangel noch weiter zuspitzen." Sie appelliert an alle noch Unentschlossenen: "Es stehen in der Region viele Türen offen!"

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