Ebersberg goes Arkadien:Von Raum und Zeit

Die Kreisstadt ist um zwei Attraktionen reicher: um ein "Lichthaus" am Waldrand und einen "Entschleunigten Parkplatz" in der Altstadtpassage.

Von Franziska Langhammer und Anja Blum

In der Nähe des Waldes, unweit des Ebersberger Aussichtsturms, nähert sich in großen Schritten die Dunkelheit. In der Ferne kann man die majestätischen Alpen ausmachen, gerade noch so. Doch bevor die Nacht sich gänzlich ausbreiten kann, leuchtet es plötzlich: Auf dem Platz, auf dem traditionellerweise die Sonnwendfeier mit einem großen Feuer begangen wird, steht eine wandlose Hütte, errichtet aus hell strahlenden Neonröhren. "Von hier aus wirkt das poetischer", sagt Anke Westermann.

Die Berlinerin Künstlerin hat die Installation "Lichthaus" im Jahr 2017 entworfen, in einem eigentlich ganz anderen Kontext. Nun ist das Kunstwerk beim Arkadien-Festival des Ebersberger Kunstvereins zu sehen. Dass die Auswahl des Ortes, unterhalb des Aussichtsturms, keine zufällige war, erklärt Organisator Peter Kees: "Uns war wichtig, dass die Installation nicht innerstädtisch erfolgt. Von hier hat sie eine Fernwirkung." Anke Westermann fügt hinzu: "die klassische Luftschlossidee".

Ebersberg goes Arkadien: Die Berliner Künstlerin Anke Westermann hat ihr "Lichthaus" unter dem Aussichtsturm aufgebaut.

Die Berliner Künstlerin Anke Westermann hat ihr "Lichthaus" unter dem Aussichtsturm aufgebaut.

(Foto: Christian Endt)

Entstanden ist das Lichthaus im Rahmen ihres langfristig angelegten Projekts namens "Baukasten für eine imaginäre Stadt" - als visuelles Zeichen, erklärt die Künstlerin, das auch einen politische Hintergrund hat: Kritik an der Vernichtung von Freiflächen innerhalb einer Stadt, das Aufmerksammachen auf grüne, kulturell wertvolle Anlagen inmitten der Urbanität. Aber vor allem liegt ihr eines am Herzen: "Den Imaginationsraum befördern, die Leute anzuregen, Träume zu entwickeln."

Wohnen, Freiflächen in der Stadt, Verdichtung - diese Themen bewegen die Künstlerin schon lange. Wenn sie davon spricht, erzählt sie viel von der deutschen Hauptstadt, von ihren Installationen in beispielsweise den Prinzessinnengärten, einem alternativen Parkprojekt in Kreuzberg. Hinter der Volksbühne in Berlin Mitte hat Westermann selbst ein solches Projekt initiiert, bis der Grund privatisiert werden sollte. "Aus meinem Engagement heraus, dieses Gelände zu erhalten, ist dann die Bildidee des Lichthauses entstanden." Losgelöst vom ursprünglichen Kontext ist die Installation aber nach Ebersberg übertragbar, auch hier ist das Thema Wohnraum ein großes.

Arkadien 2021 - entschleunigter Parkplatz

Ebersberg goes Arkadien: Festival-Leiter Peter Kees freut sich über einen Parkplatz, der zum Verweilen einlädt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Gehen wir doch mal hinein", schlägt Westermann schließlich vor. Obwohl das Lichthaus kein Dach besitzt und es von allen Seiten zieht, überkommt einen unwillkürlich das Gefühl, wirklich einen anderen Raum betreten zu haben, von hier aus den Ort aus einer anderen Perspektive zu erleben. Westermann beschreibt es so: "Hier drin fühlt man sich geschützter, das Denken ist konzentrierter." Trotz allem, und damit spielt die Künstlerin ebenfalls, bleibt das Lichthaus auch eine Illusion. Wer in den nächsten zwei Monaten zwischen 21 und 23 Uhr seinen Blick Richtung Aussichtsturm lenkt, wird an seinem Leuchten nicht vorbeikommen.

Nicht ganz so auffällig, aber ebenfalls nachdenkenswert ist ein Schild, das neuerdings am Rande der Ebersberger Altpassage steht: Obwohl es mitnichten reflektiert, hält es dem Betrachter den Spiegel vor. "Entschleunigter Parkplatz" steht da in weißen Lettern auf blauem Grund, darüber das typische große P. Dazu eine alles andere als gewöhnliche Gebührenordnung: Wer auf diesem Parkplatz zwischen Einkaufszentrum und Klosterbauhof bis zu 30 Minuten parkt, muss zehn Euro bezahlen, wer diese Zeit überschreitet und bis zu einer Stunde stehen bleibt, wird mit nur noch fünf Euro zu Kasse gebeten. Und in dieser Logik geht es weiter. Ein Tag kostet einen Euro, und ab zwei Tagen gibt es keine Rechnung, sondern nebenan im Kunstverein einen Kaffee gratis.

Der Verein zur Verzögerung der Zeit hat diesen Entschleunigten Parkplatz eingerichtet, die Installation ist ebenfalls ein Beitrag zum Arkadienfestival und wird bis zu dessen Ende, Mitte Juli, zu sehen sein. Immer wieder, erzählt Kees, blieben Passanten vor dem Schild stehen, interessiert und erheitert. Ja, was Aktionskünstler Martin Liebmann mit diesem Stellplatz auf humorvolle Weise sagen will, erschließt sich schnell: Wie paradox ist es eigentlich, dass in unserem Alltag Stress und Hektik monetär belohnt werden? Sollte es nicht vielmehr erstrebenswert sein, sich viel Zeit zu nehmen - für was auch immer? Fürs Einkaufen in der Drogerie, für einen Plausch mit der Ebersberger Freundin, für einen Besuch des Festivals im ganzen Stadtgebiet? In den nächsten Wochen werden nämlich noch viele Stationen dazukommen, die zum Nachdenken, zum Lachen und Träumen anregen sollen. Und das hat durchaus Aufmerksamkeit verdient. Bleibt also nur zu hoffen, dass der Entschleunigte Parkplatz rege genutzt wird.

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