Amtsgericht Ebersberg:Schon wieder steht ein Mann wegen "Reichsbürger"-Dokumenten vor Gericht

Amtsgericht Ebersberg: Der Briefkasten des selbsternannten "Bundesstaates Bayern" im Norden des Landkreises Ebersberg im Jahr 2017.

Der Briefkasten des selbsternannten "Bundesstaates Bayern" im Norden des Landkreises Ebersberg im Jahr 2017.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Der heute 46-Jährige soll auch Beauftragter für besondere Angelegenheiten beim "Bundesstaat Bayern" gewesen sein. Die Verteidigung zieht bei dem Prozess in Ebersberg einen kuriosen Vergleich.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Der Beauftragte für "besondere Angelegenheiten" ist sichtlich bemüht, seine Besonderheit herunterzuspielen. Beauftragt war der heute 46-Jährige im Jahr 2016 von der selbsternannten "Regierung" des im nördlichen Landkreis Ebersberg ansässigen "Bundesstaates Bayern", einer Phantasie-Entität aus dem "Reichsbürger"-Kosmos. Dass er beim "Bundesstaat" nicht nur deren selbstgemachte Ausweise kaufte und auch benutzte, sondern seinen Mit-Reichsbürgern auch geholfen haben soll, weitere dieser Phantasie-Dokumente unter die Leute zu bringen, hat ihm einen Strafbefehl wegen Urkundenfälschung eingebracht. Über den Einspruch dagegen hatte nun das Amtsgericht zu befinden.

Wie und warum er mit den Vertretern der inzwischen in "Volksstaat Bayern" umbenannten Organisation in Kontakt kam, könne er nach der langen Zeit nicht mehr sagen, so der Angeklagte, aber "ich will von denen nichts mehr wissen, ich will nur meine Ruhe haben vor dem Zeug". Warum er von der "Reichsregierung" per "Bestallungsurkunde" zum Sonderbeauftragten ernannt wurde, könne er ebenfalls nicht mehr sagen, aber irgendwelche Aufgaben habe er für den "Bundesstaat" nie ausgeführt. Und die Dokumente - ein Führerschein, ein Heimatschein und ein weiterer Ausweis - seien doch ohnehin "ein Schmarrn".

Der Staatsanwalt sieht Verwechslungsgefahr

Seine Verteidigerin verglich die selbstgebastelten Ausweise mit einem Faschingsorden. Als Referenz führte sie zwei Urteile der Oberlandgerichte München und Bamberg an, die in ähnlichen Fällen geurteilt hatten, dass es sich bei "Reichsbürger"-Dokumenten um keine Urkundenfälschung handele, weil diese ja keine echten Ausweise illegalerweise kopieren würden.

Eine Argumentation, welcher die Staatsanwaltschaft und das Gericht nicht folgen wollten. Die vom "Bundesstaat" hergestellten Dokumente sähen real existierenden Urkunden mitunter zum Verwechseln ähnlich. Laut eines Gutachtens von Fachleuten aus dem bayerischen Kulturministerium sei das vom "Bundesstaat" verwendete Wappen nahezu identisch mit dem echten bayerischen Wappen, das bis 1918 in Verwendung war - und welches wiederum sehr dem heutigen Staatswappen entspricht. Und der Führerschein sehe nahezu genauso aus wie der "alte graue Lappen", so der Anklagevertreter. Ein "unbedarfter Dritter" könnte daher durchaus den Eindruck erhalten, es handele sich um offizielle Dokumente.

Dass das tatsächlich der Fall ist, gab der Angeklagte mehr oder weniger freiwillig sogar selber zu. Er schilderte, wie er sich in seinem damaligen Job als Lastwagenfahrer einmal mit seinem "Bundesstaats"-Führerschein bei einer Verkehrskontrolle ausgewiesen habe. Der Polizist habe den Ausweis sogar noch gelobt und ihn weiterfahren lassen. Wohl eher habe er sich täuschen lassen, vermutete der Staatsanwalt.

Mit "Reichsbürgern" hat er nichts mehr zu tun

Auch die Einlassung, der Angeklagte habe nie irgendwelche Tätigkeiten für den "Bundesstaat" ausgeführt, nahm ihm das Gericht nicht ab. So lagen zahlreiche "Dokumente" vor, welche der Angeklagte unterschrieben hatte. Vielleicht hätten seine damaligen Freunde ihm irgendwas zum Unterschreiben hingelegt, so der 46-Jährige, er könne sich jedenfalls nicht mehr erinnern, für den "Bundesstaat" gearbeitet zu haben.

Die Verteidigung forderte Freispruch für den Angeklagten. Die damalige Faszination ihres Mandanten für die "Reichsbürger" erklärte die Advokatin mit der kurz zuvor eingesetzten großen Flüchtlingsbewegung. Inzwischen habe er sich aber von diesen Ansichten distanziert. Dies anerkannte auch der Staatsanwalt, so richtig schuldbewusst wirke der 46-Jährige indes nicht, "er versucht, das alles ins Lustige zu ziehen". Dennoch seien die vom Angeklagten benutzten und wohl auch verbreiteten Dokumente als gefälschte Urkunden einzustufen.

Das Gericht folgte im Urteil dem Staatsanwalt, der Angeklagte wurde zu 90 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Im Strafbefehl waren es noch 95 Tagessätze zu je 40 Euro gewesen, wegen der angespannten finanziellen Lage des Angeklagten wurde die Höhe aber reduziert. In der Sache bleibe es aber bei Urkundenfälschung und Beihilfe zur Amtsanmaßung, so die Vorsitzende Vera Hörauf. Diese Rechtsauffassung sei im Übrigen bei ähnlichen Verfahren am Amtsgericht in der nächsthöheren Instanz auch bestätigt worden. Diese wird sich bald wohl auch mit dem Fall des Beauftragten für "besondere Angelegenheiten" beschäftigen müssen, der erklärte nämlich noch im Gerichtssaal, Rechtsmittel einlegen zu wollen.

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