Amtsgericht Ebersberg:Jedem Tierchen sein Pläsierchen

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Weil er Comicfiguren beim Sex gezeichnet hat, muss sich ein Illustrator wegen angeblicher Kinderpornographie verantworten.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Wie viel Mensch steckt in Comicfiguren, darum ging es nun am Ebersberger Amtsgericht. (Foto: Christian Endt)

Die Frage, was Zeichentricktiere eigentlich so nach Feierabend machen, hat schon vor 34 Jahren der Film "Roger Rabbit" zu beantworten versucht. Dieser Frage, erweitert um das Sexleben von Zeichentricktieren, geht auch eine spezielle Comic-Gattung nach, genannt "furry", also "pelzig". Protagonisten sind anthropomorphe Tiere - die Frage, wie viel Mensch in ihnen steckt, beschäftigte nun das Ebersberger Amtsgericht.

Dort angeklagt war ein junger Mann aus Österreich, dem 25-jährigen Illustrator wurde die Verbreitung von Kinderpornographie zur Last gelegt. Konkret ging es um Zeichnungen, die jene Tier-Mensch-Wesen beim Geschlechtsverkehr zeigen - nach Meinung eines Zeugen und der Staatsanwaltschaft seien einige der Cartoon-Tiere noch minderjährig. Außerdem soll der Angeklagte seine im Netz verfügbaren Zeichnungen auch aktiv Minderjährigen zugänglich gemacht haben.

Ein Zeuge ist zufällig auf die "bedenklichen" Bilder des Angeklagten gestoßen

Der Zeuge, ebenfalls Illustrator und im Landkreis Ebersberg wohnend, schilderte, wie er eher durch Zufall auf die Zeichnungen aufmerksam wurde. In einer Chatgruppe im Internet zum Thema "furry" wurde diskutiert, ob Bilder, die in einer anderen Gruppe gezeigt wurden, zu der der Zeuge aber keinen Zugang hatte, eventuell kinderpornographisch seien.

Der Zeuge habe daraufhin den Künstlernamen des nun Angeklagten recherchiert und kam auf eine Galerieseite, wo verschieden Furry-Comiczeichner ihre Werke ausstellen. Da habe er die nun angeklagten Bilder gefunden, so der Zeuge, er habe sie "bedenklich" gefunden und die Polizei informiert. Die hatte dann den Angeklagten über seinen Künstlernamen ermittelt, da er unter diesem Pseudonym 2021 auf einer Furry-Messe in Berlin ausgestellt hatte.

Die österreichischen Ermittler haben die Sache längst eingestellt

Die deutschen Ermittler hatten daraufhin die Angelegenheit den Kollegen in Österreich übergeben wollen - die sahen den Tatbestand der Kinderpornographie indes nicht erfüllt und stellten die Sache ein. Daraufhin versuchte die hiesige Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl zu erwirken - scheiterte dabei aber an Amtsrichterin Vera Hörauf, weshalb es nun zur Hauptverhandlung kam.

In welcher die Richterin der Vertreterin der Anklage sehr deutlich machte, wie deren Chancen stehen: "Ich weiß nicht, wie man zur Strafbarkeit kommt." Zwar sei ausdrücklich auch gezeichnete Kinderpornographie strafbar - aber unter der Voraussetzung, dass es sich um "wirklichkeitsnahes Geschehen" handele. Dies könne sie bei den Tierwesen aber nicht erkennen. Auch eine Weitergabe an Minderjährige sehe sie nicht, so die Vorsitzende.

Sind die Zeichentricktiere minderjährig, tragen sie Windeln oder doch eher Hosen?

Die Staatsanwältin versuchte trotzdem zumindest einen Teil der Anklage zu retten. Die Zeichnungen seien klar pornographisch und dadurch, dass sie auf einer für alle zugänglichen Seite eingestellt waren, sei der Tatbestand der Weitergabe an Minderjährige erfüllt. Zudem bejahte die Staatsanwältin die Wirklichkeitsnähe, es handele sich eindeutig um Kinderpornographie, weil einige der Tierwesen eine Art von Windel trügen.

Was man auch durchaus als Hosen interpretieren könne, so die Verteidigerin. Viel wichtiger sei aber, dass eben keine menschlichen Kinder dargestellt seien, sondern tierartige Fabelwesen, weshalb man von Wirklichkeitsnähe wirklich nicht sprechen könne: "Es muss sich schon um Kinder handeln." Dass der Angeklagte seine Bilder, pornographisch oder nicht, aktiv zugänglich gemacht hätte, habe die Anklagevertretung ebenfalls nicht nachweisen können. Weder habe man das Profil auf der fraglichen Galerieseite eindeutig dem Angeklagten zuordnen können, noch sei bewiesen, dass dieser auf diese Seite in irgendeiner Form hingewiesen habe. Eine angeblich auf der Messe in Berlin - die nur für über 18-Jährige zugänglich war - verteilte Visitenkarte mit Links sei nie bei den Beweismitteln aufgetaucht.

Die Bilder sind nicht unbedingt geschmackvoll - aber auch strafbar?

Zuguterletzt bezweifelte die Advokatin auch die Zuständigkeit des Gerichts, schließlich liege der Tatort, so es überhaupt einen gebe, in Österreich: "Dann müssten wir jeden Ausländer, der im Ausland irgendwas hochlädt, was man auch in Deutschland anschauen kann, anklagen." Dies sei höchstens der Fall, hätte der Angeklagte spezifisch deutsche Nutzer angesprochen - was aber ebenfalls nicht nachgewiesen sei, zudem sei die fragliche Galerieseite auf Englisch.

"Man kann durchaus verstehen, dass die Darstellungen als mehr als geschmacklos empfunden werden", so Richterin Hörauf - "die Grenze zur Strafbarkeit sehe ich aber nicht überschritten". "Menschliche Kinder sind es jedenfalls nicht. Sind es Kinder der Fabel-Spezies?" Auf keinen Fall liege eine wirklichkeitsnahe Darstellung von Kindesmissbrauch vor. Dass der Angeklagte seine Bilder Minderjährigen zugänglich gemacht habe, sei ebenfalls nicht bewiesen worden, ebensowenig wie, dass er es war, der die Bilder ins Netz gestellt hatte. Der Angeklagte wurde darum freigesprochen.

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