Süddeutsche Zeitung

Integration:"Der Wunsch der Arbeitgeber wäre, die Menschen weiterhin zu beschäftigen"

Die Zukunft vieler Asylbewerber im Landkreis Ebersberg ist trotz der sogenannten 3+2-Regelung offen. Kommt es zur Aufschiebung der Abschiebung?

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Gut schaut es aus für Brima Kabba. Nach dem Termin bei der Ausländerbehörde neulich ist klar: Er darf weitere zwei Jahre in Ebersberg bleiben - zumindest vorerst. Trotzdem ist Kabba guter Dinge. "Danach hoffe ich auf eine unbefristete Erlaubnis", sagt er.

Der 28-Jährige stammt aus Sierra Leone und floh vor fünf Jahren nach Deutschland. Bei Lidl absolvierte er erfolgreich eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik; im Juli 2019 ist er von der Firma übernommen worden und hat nun einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Er wohnt bei einer Familie in Ebersberg und hat vor einigen Monaten einen Verein gegründet, mit dem er anderen Flüchtlingen beim Ankommen in Deutschland helfen will.

Klingt alles nach einer Traum-Integration - wenn da nicht das Kleingedruckte wäre. Brima Kabba ist einer der ersten Menschen im Landkreis, bei dem nun die so genannte 3+2-Regelung ausläuft: drei Jahre Ausbildung, zwei Jahre weitere Beschäftigung, und das trotz negativen Asylbescheids. Wie es danach weitergeht, nach diesen fünf Jahren, dazu hat die Bundesregierung bisher keine klare Anschlussregelung erlassen.

Die Regelung wurde im August 2016 eingeführt, um Menschen abseits des Asylverfahrens eine Bleibeperspektive zu ermöglichen; allerdings eine Perspektive auf Zeit. Auf SZ-Anfrage heißt es aus dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration: "Die erteilte Ausbildungsduldung lässt die vollziehbare Ausreisepflicht also unberührt und führt noch nicht zu einem Bleiberecht, sondern nur zur Aussetzung der Abschiebung."

Heißt übersetzt: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Für die Zeit der Ausbildung und zwei weitere Jahre dürfen Menschen, denen sonst die Abschiebung droht, in Deutschland bleiben. Danach sollen sie wieder in ihr Heimatland abgeschoben werden. Jedoch, so räumt das Staatsministerium ein, kann die Aufenthaltserlaubnis für die entsprechende Beschäftigung nach den zwei Jahren auch verlängert werden - so wie bei Kabba.

Auch für die Ausländerbehörde vom Landratsamt Ebersberg wartet hier Neuland. "Es ist noch offen, wie es weitergeht", sagt ein Mitarbeiter. Derzeit gibt es zwölf Menschen im Landkreis, die unter die 3+2-Regelung fallen, eine Ausbildung erfolgreich beendet und einen Aufenthaltstitel für zwei weitere Jahre bekommen haben. "Und es gibt mindestens fünf bis acht Fälle, die normalerweise nicht den Aufenthaltstitel bekommen würden", so der Mitarbeiter der Ausländerbehörde - weil sie die Kriterien nicht erfüllen.

Dazu zählt zum Beispiel die Voraussetzung, einen Reisepass zu besitzen. Ihnen droht nun die Abschiebung. Genauso verhält es sich bei den beiden Menschen, die jeweils zwei Ausbildungen begonnen und dann wieder abgebrochen haben. "Das geht dann Richtung Aufenthaltsbeendigung", so der Mitarbeiter. Allerdings komme es hier auch darauf an, aus welchem Land man stammt. Den Plan hinter der Regelung erklärt der Mitarbeiter so: "Die Menschen sollen ihr Wissen, das sie in Deutschland erworben haben, im Heimatland anwenden."

"Auch nach der Ausbildung gibt es viele Hürden"

Und was halten die Betriebe davon, die die Ausbildungen anbieten? Sonja Ziegltrum-Teubner, Vorsitzende des Regionalausschusses Ebersberg der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern, sagt: "Der Wunsch der Arbeitgeber wäre natürlich schon, die Menschen auch weiterhin zu beschäftigen." Man bilde eine Fachkraft in der Regel aus, um auch weiter mit ihr zusammen arbeiten zu können. "Die Menschen würden nicht fünf Jahre bei uns arbeiten, wenn wir sie nicht brauchen würden", so Ziegltrum-Teubner. Auch in ihrem Betrieb, der Blumen Zentrale in Parsdorf, gibt es derzeit einen Mitarbeiter, der unter die 3+2-Regelung fällt. "Die Hoffnung ist natürlich immer, dass es doch noch eine Chance für ihn gibt, zu bleiben", so die IHK-Vorsitzende.

"Die Ausreise steht bei dieser Regelung im Vordergrund", sagt Kristian Donner vom Caritas Zentrum Ebersberg, "So ist das Gesetz auch gemacht." Die Kriterien seien sehr streng gesetzt, etwa die Fristen zur Identitätsklärung. Diese sind gestaffelt, je nachdem, wann man in Deutschland angekommen ist. Wer beispielsweise seit dem 1. Januar 2020 hier ist, muss innerhalb der nächsten sechs Monate seine Identität mit offiziellen Dokumenten nachweisen.

Kaum zu schaffen, findet Donner: "Die Menschen kommen aus der Flucht, sind jahrelang unterwegs und sind oft acht Monate in den Erstaufnahmelagern." Das sei zu wenig Zeit, um sich Gedanken um eine Berufsausbildung zu machen und genügend Deutsch zu lernen, um in der Berufsschule klar zu kommen - noch dazu, weil es in den Erstaufnahmezentren meist gar keine Deutschkurse gebe.

Brima Kabba, so scheint es, hat Glück gehabt. Doch er erlebte bei Freunden in derselben Situation, dass nach der Ausbildung auf sie plötzlich eine böse Überraschung wartete. "Viele haben im Kopf: Nach der Ausbildung kriegst du den Aufenthaltstitel sofort", sagt er. "Doch auch nach der Ausbildung gibt es viele Hürden." Eine davon sei etwa, eine Wohnung im Landkreis zu finden; daran scheitern einige in seinem Bekanntenkreis. Kabba ist auch froh, erst einmal weiterhin bei seinem Ausbildungsbetrieb arbeiten zu können: "Die Firma hat viel Geld in mich investiert. Das will ich auch mit meiner Arbeit zurück geben."

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SZ vom 28.09.2020/koei
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