Landgericht:Noch eine Chance

Markt Schwabener (28) bleibt auch nach Urteil in der Psychiatrie - aber vielleicht nicht für immer

Von Clara Lipkowski

Ganz zum Schluss wird Richter Martin Hofmann deutlich. "Das ist Ihre letzte Chance", sagt er am Freitagnachmittag im Gerichtssaal zu Kevin E., der in Markt Schwaben unter Drogeneinfluss versucht hatte, seine Frau und die beiden Kinder im Alter von fünf und 15 Monaten vom Balkon der eigenen Wohnung zu stoßen. "Wenn Sie jetzt versagen, war's das. Wenn Sie von den Drogen nicht wegkommen, sieht man sich in drei, vier Jahren wieder, dann landen Sie in der Klapse und sind verräumt."

Der 28-Jährige nickt. Trotz der harten Ansprache ist er sichtlich erleichtert. Es ist das Ende einer dreitägigen Verhandlung im Strafjustizzentrum. E. ist in einer Psychiatrie untergebracht, dies bleibt auch künftig so. Er wird dort streng überwacht, hat aber die Aussicht, aus der Unterbringung entlassen zu werden und sich wieder ein eigenes Leben aufzubauen. Das Wann hängt von seiner Entwicklung ab.

Im Raum steht zunächst, ob er fortan dauerhaft untergebracht bleibt, davon sieht der Richter ab. "Wir gehen nicht davon aus, dass Sie ihre Familie töten wollten", sagt Hofmann. Dagegen habe gesprochen, dass er am Tattag mehrere Gelegenheiten dazu nicht ergriffen habe. Als er seinen 15 Monate alten Sohn über die Balkonbrüstung gehalten hatte, hätte er ihn fallen lassen können. Oder als er ansetzte, seine Frau über das Geländer zu wuchten, hätte er es aus eigener Kraft geschafft. Dass er dies nicht in die Tat umgesetzte, wirkt sich nun strafmildernd aus.

E. betont nach dem Urteil, er wolle sich bessern. Die Aussicht darauf, dauerhaft weggesperrt zu werden, hatte ihn während der Verhandlung sichtlich mitgenommen. Gleich zu Beginn hatte er beteuert, dass er sich an nichts erinnern könne, seine Familie liebe und ihr nicht schaden wolle. Seine Frau hatte nach der Tat die Scheidung eingereicht, sie aber inzwischen zurückgezogen.

Die Drogengeschichte des Markt Schwabeners ist lang. Mit 14 Jahren hatte er angefangen, exzessiv zu kiffen, später nahm er Amphetamine. Eine Ausbildung brach er ab und arbeitete stattdessen als Drogendealer. Deswegen war er bereits in Haft, hinzu kamen Strafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Er schloss eine Therapie ab, machte aber immer weiter.

Dass er ständig in seine alten Muster verfallen war, sieht er vor Gericht ein. Er wolle "das mit den Drogen sein lassen", auch wenn es schwer werde. Ein Gutachter hatte bestätigt, dass er stark abhängig sei, die Chancen, abstinent zu leben aber gut stünden.

Vor der Tat hatte E. angeblich zwar keine Drogen genommen, wohl aber in den Tagen zuvor. Am 2. August 2017 dann durchlebte er einen Wahn, eine Psychose, stellten Gutachter später fest, denn die Drogen wirkten nach. Er fühlte sich verfolgt, hatte Angst, erschossen und von seiner Frau hintergangen zu werden - und rastete daraufhin aus. Acht Polizisten waren nötig, um ihn zu stoppen.

Seine Frau hatte den Vorfall detailliert der Polizei geschildert, was die zuständige Staatsanwältin als "absolut glaubhaft" bezeichnete. Sie plädierte, E. weiter psychiatrisch unterzubringen, da eine "latente Dauergefahr" von ihm ausgehe. Auch der Anwalt des Beschuldigten hatte die Unterbringung gefordert. Allerdingsbezweifelte er die Qualität der Aussage, die die Ehefrau gemacht hatte. Sie hatte zur Zeit der Tat selbst unter Drogen gestanden.

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