Kurzfilmfestival:Kleines Kino, ganz groß

Kurzfilmfestival: Gebannt verfolgen die Zuschauer Erwin Demels Film "Drück mich", Porträt einer Hohenlindener Familie, die an Weihnachten ihr gesamtes Haus illuminiert.

Gebannt verfolgen die Zuschauer Erwin Demels Film "Drück mich", Porträt einer Hohenlindener Familie, die an Weihnachten ihr gesamtes Haus illuminiert.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Erstmals findet das Südbayerische Kurzfilmfestival im Alten Speicher in Ebersberg statt. In rund 50 Beiträgen erzählen die Autoren von Abenteuern mit Bären, bärtigen Originalen, Radausflügen und einem Bürgermeister mit Visionen

Von Rita Baedeker, Ebersberg

"Erst dieser Film hat uns klar gemacht, wie sorglos wir waren", sagt Ilke Ackstaller nach der Vorführung ihres Kurzfilms "Lachsfischer rund um Bella Coola". Die Reportage aus einem Land der Indianer und Grizzly-Bären mit atemraubenden Naturaufnahmen ist ihr Beitrag zum Südbayerischen Kurzfilm-Festival, das am vergangenen Wochenende erstmals in Ebersberg stattgefunden hat. Viele Amateurfilmer, aber auch Zuschauer sind in den Alten Speicher gekommen. Rund 50 Filme werden in Blöcken zu jeweils fünf Beiträgen gezeigt und sogleich von einer Jury bewertet. Im Foyer ist ein Monitor aufgebaut für jene Besucher, die kommen, während gerade ein Film läuft.

Fünf Wochen lang waren Ilke und Toni Ackstaller in Kanada, in zahlreichen Nahaufnahmen dokumentiert die Vorsitzende der Filmfreunde Ebersberg, wie die Indianer ihre Lachspopulation pflegen, wie Lachsmännchen "gemolken" werden, der Kaviar in Aufzuchtstationen befruchtet wird, sie geht ganz nah heran an Fische, die im Kampf um Weibchen mit ihren Leibern das Wasser aufpeitschen, und sie filmt die Bären, die zu den Reusen trotten und sich mal "verzehrfertige" tote Lachse holen, mal selber jagen, wenn ihnen der Sinn nach Frischkost steht. "Sie sind sehr wählerisch", berichtet Ackstaller. Angst habe sie nie gehabt, obwohl sie und ihr Mann zuweilen nur wenige Meter von den mächtigen Raubtieren entfernt gewesen seien. Nur einmal habe es eine heikle Begegnung gegeben mit einem Jungbären. "Er stand zwischen uns und einem anderen Bären, plötzlich richtete er sich auf, er war wohl genauso irritiert wie wir". Die fünfköpfige Jury, zu der auch Barbara Lux vom Alten Kino gehört, bewertet den Film überwiegend gut. Lux lobt die sensationellen Bilder und die gute ruhige Sprecherstimme von Ackstaller, während für einen ihrer Jury-Kollegen der Film zu bärenlastig ist. "Viele kleine Geschichten, die zu Ende erzählt werden", lautet dann aber das Gesamturteil.

"Ach was, die Jury!"sagen die Filmemacher und hadern ein wenig mit den Beurteilungen, aber jeder dieser Filmfachleute habe eben einen anderen Geschmack. Auch Klaus Bichlmeier, ein Profi vom Filmklub Ottobrunn, bekommt für seinen Beitrag "Fuzzy", dem Porträt eines Freisinger Originals, Straßenkehrers, Wildwest-Romantikers und Bartwuchs-Weltmeisters, nicht nur Lob. Gemäkelt wird an der Musik, an der Tonmischung. "Ach, die Jury!", sagt Bichlmeier mit einem Lächeln und erzählt lieber, dass "Fuzzy" geweint habe, als er den Film sah, und nun darauf hoffe, von Hollywood entdeckt zu werden.

Am wenigsten beeindruckt vom Votum zeigen sich Gerhard Menzel und sein Enkel Luca vom Film- und Videoklub Königsbrunn. Luca, fünf Jahre alt, vertilgt gerade ein großes Stück Kuchen, hebt aber ein paar Bissen für den Opa auf. Schließlich hat der mit ihm eine hundert Kilometer führende Radtour rund um Donauwörth und Harburg unternommen. Ein richtig tolles Team die Zwei, sofern Opa sich an die Regel hält, den Enkel nicht zu überholen. meist ist Luca im Bild - auf seinem Kinderfahrrad, beim Spaghettiessen, in der Jugendherberge. "Ich habe den Film gedreht, um unser beider Erleben der Natur und der Landschaft zu dokumentieren, nicht um filmisch etwas Besonderes zu produzieren", sagt Gerhard Menzel, ein passionierter Radfahrer. Die Kritik der Jury lässt ihn kalt. Gestellte Dialoge hatte die moniert und dass das Verzehren einer Wurstsemmel gleich zweimal vorkomme. Die Natur- und Landschaftsaufnahmen dagegen haben dem Gremium imponiert.

Emotionaler fallen die Reaktionen aus bei dem Beitrag "Für Führer, Volk und Vaterland" von Georg Merz. In seinem Beitrag hat der Autor den Umständen eines Flugzeugabsturzes im Jahr 1944 nachgespürt, bei dem drei junge Männer starben; er interviewt Augenzeugen und erzählt eine Geschichte, die sich immer mehr zuspitzt. Mit zynischen Aktenvermerken der Nazi-Bürokratie und der Trauer der Schwester des Piloten endet der Film. Von der Mehrheit wird er als Anklage gegen den Krieg und als Requiem verstanden. Einer Zuschauerin ist die Aussage jedoch zu undeutlich. Die Kürze des Films - hier sind es neun Minuten - ist in diesem Fall ein Handicap, denn so bewegende Themen wie Krieg und Gewalt kann man kaum mit der gebotenen Tiefe behandeln. Zudem, so Mitglieder der Jury, handele der Film von einem persönlichen Schicksal und sei keine Aufarbeitung des Nationalsozialismus.

Einem aus heutiger Sicht heiteren Kapitel der Geschichte ist der Film "Streng Geheim" gewidmet. Er wird gezeigt, als Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer als Schirmherr des Festivals den Saal betritt. Die Produktion der Filmfreunde Ebersberg läuft außer Konkurrenz und präsentiert den Rathauschef als Hauptdarsteller eines Spielfilms, der auf etwas andere Art beinahe Realität geworden wäre. "Ich bin froh, dass es raus ist", erklärt darin Brilmayer einem Reporter des Bayerischen Fernsehens. Er meint die zufällig entdeckten "Geheimpläne" für eine Transrapid-Strecke von Paris via Ebersberg nach Budapest. "Im Mittelalter war Ebersberg ein Zentrum, da gab es weder München noch Grafing. Nun gehören wir wieder zu den Global Playern", erklärt er mit oscarreifem Stolz. Natürlich hat es solche Pläne Ebersberg betreffend nie gegeben. Aber so ist eben großes Kino. Kleines auch!

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