Kurt Eisner und sein Vermächtnis:Im Zeichen der Revolution

Kurt Eisner und sein Vermächtnis: DGB-Kreisvorsitzende Eva Maria Volland schilderte die blutigen Ereignisse nach der Niederschlagung der Revolution.

DGB-Kreisvorsitzende Eva Maria Volland schilderte die blutigen Ereignisse nach der Niederschlagung der Revolution.

(Foto: Christian Endt)

Bei seinem Jahresempfang thematisiert der DGB-Kreisverband die Errungenschaften des Umsturzes von 1919

Von Thorsten Rienth, Grafing

Eva Maria Volland kramte in dem Papierstapel, zog schließlich zwei Blätter heraus und zitierte: "Eisner ist Bolschewist, er ist Jude, er ist kein Deutscher, er fühlt nicht deutsch, untergräbt jedes vaterländische Denken und Fühlen, ist ein Landesverräter." Der Mann, von dem der Satz stammt, heißt Anton Graf Arco von Valley. Die Worte sind seine Begründung, warum er am 21. Februar 1919 zum Revolver griff und Kurt Eisner, Bayerns damaligen Ministerpräsidenten, mit zwei Schüssen ermordete. Nach 104 Tagen friedlicher Revolution habe der Mord eine regelrechte Gewaltspirale in Gang gesetzt, befindet Volland.

Das ist die eine Argumentationslinie, die der DGB-Kreisverband bei seinem Jahresempfang am Mittwochabend im Grafinger "Kastenwirt" skizziert hat: Nicht die Revolution von 1918/19 habe die Gewalt ins Land gebracht, auch wenn das fälschlicherweise immer wieder unterstellt würde. Das Blutige sei ihre Niederschlagung gewesen.

Der zweite Strang führte zu den ganz konkreten Folgen der Revolution fürs heutige Zusammenleben. "Vieles von dem, was Kurt Eisner damals mit ins Staatsgrundgesetz der Republik Bayern geschrieben hat, sind heute totale Selbstverständlichkeiten", stellte Werner Bachmeier vom DGB klar. Erstmals habe ein Grundgesetz keinen Unterschied mehr gemacht zwischen Geburt, Glauben und Geschlecht, begann er seine Aufzählung. Das Gesetz garantierte die Unverletzlichkeit der Person, die Meinungsfreiheit in Rede und Schrift, in Lehre, Wissenschaft und Kunst. Die öffentlichen Lasten, zum Beispiel die Steuerlast, verteilte es nach der Leistungsfähigkeit. Wer mehr verdiente, musste auch mehr an die Gemeinschaft abtreten. Standesprivilegien fielen weg. Sozialversicherung und Acht-Stunden-Tag wurden eingeführt, Staat und Kirche klar getrennt. "Der Chef vom Lehrer war jetzt nicht mehr der Pfarrer." Von wegen also, dass bei der Revolution nur radikale Linksaußen am Werk gewesen seien, schloss Bachmeier. "Das waren Demokraten."

Doch was ist von all dem geblieben? Heidi Meinzold und Sabine Bollenbuch schlüpften für eine Antwort in die Rollen der Anita Augspurg und Clara Zetkin, zwei Friedensaktivistinnen und Frauenrechtlerinnen, die zur Zeit der Revolution lebten. Ihr Dialog war eine ernüchternde Bilanz. "Jede dritte Frau macht in ihrem Leben Gewalterfahrungen, in der Arbeit bekommen Frauen 20 Prozent weniger Lohn", klagte Meinzold. "Im Parlament sitzen nur noch 31 Prozent Frauen." Selbst in der Legislaturperiode zuvor seien es mehr gewesen. "Nur Männer haben was erreicht in diesen 100 Jahren", konstatierte Bollenbuch schließlich.

Für den musikalischen Teil konnte der DGB den Grafinger Jazzmusiker Josef Ametsbichler gewinnen. Der brachte einige Schellackplatten aus der Revolutionszeit mit, inklusive Telefunken-Musiktruhe anno 1956. Er legte Platten von Claire Waldoff auf, einer frauenrechtlerischen Chanson- und Kabarettsängerin, die in den 1920er Jahren ein Mittelpunkt des damaligen lesbischen Nachtlebens in Berlin wurde. Als kesse Göre par excellence habe sie einen neuen Typus selbstbewusster Frauen verkörpert, erläuterte Ametsbichler. Ganz geradlinig sei ihr Leben dennoch nicht verlaufen, reflektierte er kritisch. Zunächst von den Nazis mit einem Auftrittsverbot belegt, sei die Sperre bald wieder aufgehoben worden. "Nachdem sie sozusagen der Reichskultur beigetreten ist", so Ametsbichler.

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