Süddeutsche Zeitung

Kunstverein Ebersberg:Sinnbilder fürs Unterwegssein

Anna-Maria Kursawe aus Leipzig zeigt beim Ebersberger Kunstverein ansprechende "Transiträume" in Form von Malerei, Siebdruck und einer Wandinstallation aus bunten Klebestreifen

Von Anja Blum

Anna-Maria Kursawes Passion gilt dem Raum. Kein Wunder, hat sie doch an der Universität der Künste in Berlin sowohl Malerei als auch Architektur studiert. In ihrer Ausstellung beim Kunstverein Ebersberg, die am Freitag, 22. März, eröffnet wird, zeigt Kursawe eine raumgreifende Wandarbeit, Malerei sowie Siebdruck - und das Thema ist, in Variationen freilich, immer dasselbe: räumliche "Formationen", so der Titel der Schau.

Sofort ins Auge fällt beim Betreten der Alten Brennerei die Wandarbeit: Die große Ecke rechts hinten hat Anna-Maria Kursawe sich ausgeguckt und mit allerhand bunten Klebestreifen versehen. Klingt einfach, ist es aber nicht: Zuhause in Leipzig hat die Künstlerin zunächst ein 1:20-Modell des Galerieraumes geschaffen und darin dann mit Linien verschiedener Farben experimentiert - bis zu jenem Ergebnis, das nun in Ebersberg zu sehen ist. Per Raster und Beamer wurden die Formen sodann auf die realen Wände und den Fußboden übertragen und in eine Installation aus echten Klebestreifen verwandelt. Mehrere Tage hat dies wohl gedauert, einerseits, weil Kursawe äußerst akkurat arbeitet, und andererseits, weil die Wand des historischen Ebersberger Gemäuers alles andere als "clean" ist: Der Putz weist große Unebenheiten auf, was eine gerade Linienführung erheblich erschwert, aber auch einen herrlichen Kontrast darstellt zur geometrischen Anmutung der Installation. Der "knuffige" Grundriss der Galerie habe sie an ein älteres Projekt erinnert, erzählt Kursawe, in dem es um Goldkristalle ging. "Wenn diese sich aufbauen, entstehen ganz verschiedene Formen und Winkel", erklärt die Künstlerin, die sich offenbar gut auskennt mit Oktaedern, Prismen und Co. Solche Gebilde jedenfalls haben sie inspiriert - wie unschwer zu erkennen ist. Dem realen Raum verleiht die Wandarbeit eine faszinierende zusätzliche Dimension, die sich zudem je nach Standort des Betrachters auf spannende Weise zu verändern vermag. Durch eine minimale künstlerische Strukturierung ergeben sich hier optisch neue Räume und Verhältnisse.

Bei experimentellen Wandkonzepten wie diesem in Ebersberg handelt es sich um eine Weiterführung des großen malerischen Themas von Anna-Maria Kursawe: Seit einigen Jahren widmet sie sich "Transiträumen", also Durchgangssituation des Alltags. Sie malt Orte, an denen man nicht mehr da und noch nicht dort ist, zum Beispiel Warteräume in Flughäfen oder Passagen. Zwei unterschiedliche Herangehensweisen hat die Künstlerin, 1973 in Brandenburg an der Havel geboren, hier zu bieten: eine etwas weniger und eine etwas mehr verfremdete Darstellung von geometrisch anmutender Landschaft und Architektur. Mal sind die Motive erkennbar, auch wenn sie mehr angedeutet denn malerisch ausformuliert sind, der Blick aus einem Zugfenster etwa, Häuser, Felder, mal ein Palme, ein Stuhl auf einer Terrasse oder der Schlot einer Industriebrache. Dann wieder gleitet die Gestaltung noch mehr ins Abstrakte, man kann dann nur raten, ob es sich vielleicht um ein Parkhaus handelt oder eine Unterführung. Denn Kursawe schichtet hier nur mehr Farbflächen und Linien an- und aufeinander und schafft so verfremdete Räume, in denen der Betrachter sich erst zurechtfinden muss, in denen sich Innen und Außen irgendwie überblenden, Erinnerungen an andere Orte einfließen - ansprechende Sinnbilder fürs Unterwegssein.

Gemein ist all den Bildern, sei es mit Eitempera oder Öl gestaltet, eine luftige Atmosphäre. Die Farbgestaltung ist vergleichsweise reduziert, meist gedeckt, teils gar monochrom, nur ab und an setzt Kursawe Akzente, etwa rote Flächen. Die Linienführung variiert zwischen geometrisch-streng und malerisch-frei. In jedem Fall geht es der Malerin um den "modernen, unscharfen Blick", der aus dem Phänomen der Schnellebigkeit resultiert, sei es auf Reisen oder durch die Medien: "Das sind ja sehr viele Bilder, aber keines ist greifbar." Die Aufmerksamkeit sei einfach nicht mehr so hoch, sagt Kursawe, das wolle sie in ihrer Malerei widerspiegeln. Den Zeigefinger erhebt die Künstlerin dabei nicht. Auch ihr selbst liege es nicht, realistisch zu malen wie bei einem "barocken Stillleben, wo jeder Halm, jede Beere zum Greifen erscheint. Einfach abbilden - das ist mir zu statisch".

Ausstellung "Formation" von Anna-Maria Kursawe beim Kunstverein Ebersberg, Alte Brennerei im Klosterbauhof, Vernissage am Freitag, 22. März, um 19 Uhr, Singer-Songwriter-Abend am Freitag, 29. März, um 19.30 Uhr und Finissage am Sonntag, 14. April, mit Künstlergespräch um 16 Uhr

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Quelle:
SZ vom 20.03.2019
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