Süddeutsche Zeitung

Finissage in Ebersberg:Werke mit Charakter

Das Publikum des Ebersberger Kunstvereins kürt seine drei Lieblinge: Shakiba Booshehri aus Markt Schwaben, Stanko Ropic aus Rechtmehring und Frauke Menger aus Aßling.

Von Anja Blum, Ebersberg

Die Geschmäcker sind verschieden, wurde in Ebersberg nun wieder einmal bewiesen: Drei ganz unterschiedliche Werke beziehungsweise Künstler hat das Publikum der Mitgliederausstellung des Kunstvereins zu seinen Lieblingen erkoren. Über den ersten Platz freut sich die iranische Illustratorin Shakiba Booshehri aus Markt Schwaben, auf den zweiten wurde der Farbfeldmaler Stanko Ropic aus Rechtmehring gewählt und der dritte ging an die Sandkünstlerin Frauke Menger aus Aßling. Ihren Arbeiten gemein ist aber eines: Es sind alles sehr persönliche Bilder. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn der Ebersberger Kunstverein hatte für seine Jubiläums-Mitgliederschau zum 40. Geburtstag das Thema "Selbstporträt" ausgerufen. Die Künstlerinnen und Künstler sollten also "Gesicht zeigen", sollten sich und ihr Schaffen, die Vergangenheit und die Zukunft reflektieren. Das haben auch die drei Preisträger getan - jeder auf seine Weise.

Shakiba Booshehri sagt, normalerweise male sie keine Selbstporträts. In ihren Illustrationen verbindet sie Elemente der persischen Kunst und östliche Sensibilität mit modernen Motiven, das Ergebnis sind oft märchenhafte, bunte Erzählungen. Für das diesjährige Thema des Kunstvereins aber hat die Markt Schwabenerin ihr "inneres Empfinden" zu Papier gebracht: Das Selbstporträt sei für sie "eine gute, aber auch ernste Selbstreflexion" gewesen. Das nun vom Publikum prämierte Gemälde sei gleich der erste Wurf gewesen, wie Booshehri erzählt, "aber weil ich eine Illustratorin bin, skizziere ich meistens einiges vor und entscheide dann, welches Motiv ich tatsächlich verwende und auch mit Farbe gestalte". Der Titel ihres Acrylbildes lautet "die Verlorene Identität", es zeigt zwei Frauen, eine mit roten, langen Haaren und geschlossenen Augen, eine mit dunklem Haar und offenen Augen. Letztere steht quasi auf dem Kopf. "Dieses Selbstporträt spiegelt die Veränderungen und Dualität in meiner Biografie wider", erklärt Booshehri, "das Auswandern aus meiner Heimat, dem Iran". Diese tiefe Emotionalität scheint die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung angesprochen zu haben - obwohl Booshehris Bild nicht zu den größten und auffälligsten in der Galerie gehörte, wurde es ganz oben aufs Treppchen gewählt. Darüber ist die Künstlerin sehr glücklich: "In dieser Ausstellung gab es so viele tolle Werke, es ist eine Ehre für mich, dass das Publikum mein Gemälde gewählt hat. Die Überraschung war riesig!" Mitglied beim Kunstverein Ebersberg ist die Markt Schwabenerin erst seit etwa zwei Jahren, die Schau war also die erste für sie - "aber sicher nicht die letzte", fügt sie an und lacht.

Die Besonderheit des Bildes von Stanko Ropić ist, dass es nur wirkt wie gemalt. Auch der 59-Jährige hatte mit dem Sujet des Selbstporträts bisher nichts am Hut, sein Metier ist vielmehr die Farbfeldmalerei, abstrakte, monochrome Gemälde, die spürbar "atmen oder pulsieren" sollen. Die Pandemie aber führte Ropić auf unbekanntes Terrain: Er begann, Kunst aus digital bearbeiteten Fotografien zu gestalten. Und diesen Stil wandte er nun auch auf das Thema des Ebersberger Kunstvereins an, bei dem er bereits seit mehreren Jahren Mitglied ist. Die Auszeichnung durch dessen Publikum aber ist der allererste Kunstpreis für Ropić - und umso größer die Freude. "Ja, das Bild hat eine gewisse Strahlkraft, trotzdem bin ich sehr überrascht!" Fünf Porträtfotografien aus verschiedenen Jahren hat der Künstler aus Rechtmehring für das prämierte Werk verwendet und bearbeitet, Photoshop lasse diese "ineinanderfließen", erklärt er. Die Farbgebung steuert Ropić intuitiv. So entstünden immer wieder neue, ganz überraschende Bilder. Der Titel der äußerst vielschichten Arbeit lautet "Zukunft jetzt", denn gerade den zeitlichen Ansatz habe er an dem Thema und dem Verfahren sehr spannend gefunden, so Ropić . Jener Kopf, der in dem Kaleidoskop am besten zu erkennen ist, wendet den Blick nach links - für den Künstler ein Hinweis darauf, dass er nicht nur in der Gegenwart lebe, sondern gleichzeitig immer auch in die Zukunft blicke. "Das ist ein Spannungsfeld, in dem ich mich gerne bewege." Hinzu kommt eine popartige, geradezu fröhliche Farbgebung - ebenfalls nicht zufällig: "Ich finde, es gibt immer einen Grund, positiv zu sein, sogar in diesen schwierigen Zeiten."

Eine klassische Malerei ist das Werk auf dem dritten Platz - was umso erstaunlicher ist, als dessen Schöpferin sich eigentlich als Sandkünstlerin einen Namen gemacht hat: Frauke Menger erzählt in Liveperformances Geschichten aus winzigen Körnern. Doch sie beschäftige sich bereits seit 15 Jahren nebenher mit freier Malerei, erzählt sie, auch klassische Porträts habe sie schon viele geschaffen. Für die Ausstellung des Kunstvereins aber habe sie sich für eine andere, ungewöhnliche Herangehensweise entschieden. "Ich wollte zeigen, was mich ausmacht", sagt sie - deswegen sieht man sie in Rückenansicht: Menger kniet in einem grünen Kleid am Boden, streicht mit einer Hand über den Boden. Über den Sand, ihr Medium. Dabei besticht das Bild durch formale Klarheit. Der ganze Hintergrund ist beige, es gibt nur die Person und den Sand. Farbliche Kontraste bieten allein die dunklen Haare und das Kleid. Der Blick folgt unweigerlich dem Arm. "Touch" hat die Aßlingerin das Acrylbild genannt, denn darum gehe es ihr: um eine tief empfundene Berührung. "Und das ist das Allerschönste: Dass mir die Menschen gesagt haben, dass sie spüren können, was da passiert", erzählt Menger. Denn eine emotionale Wirkung sei ihr das Wichtigste, sei es bei der Sandkunst oder der Malerei, mit der sie sich nun das erste Mal beim Kunstverein gezeigt habe. Über den Preis freue sich sich auch deswegen ganz besonders, weil er sie bestärke, einen neu beschrittenen Weg weiter zu gehen: Gerade erst hat die 50-Jährige ein Atelier in Grafing eröffnet, in dem sie auch Kurse geben möchte, in freier Malerei, Porträtmalerei und Sandkunst. "Insofern ist die Auszeichnung durch das Publikum eine tolle Ermutigung."

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