Ein weißes Haus mit einer Tür und einem Fenster. Eine Gruppe von Menschen, die eine Straße entlang laufen. Ein Hydrant, der vor einem Gebäude sitzt. Eine Nahaufnahme einer Tasche mit Gepäck." Scheinbar zusammenhanglos quellen monotone Sätze aus einem kleinen schwarzen Lautsprecher. So bewegungslos wie die Stimme verharrt er, spinnengleich, an der weißen Wand im sonst leeren Raum der Galerie Alte Brennerei. Die Installation im Rahmen des "Aktionsraum 2", vom Kunstverein Ebersberg am Freitagabend eröffnet, hat Konstantin Weber ersonnen. Er hat Fotos eingescannt, sie von Künstlicher Intelligenz "auslesen" lassen und mit dem Ergebnis einen Sprachcomputer gefüttert. Der kleine Lautsprecher verkündet nun, unberührt von Bewertung oder Meinungen, das Resultat.
Was diese durchtechnisierte Form der Stillen Post - mit dem Titel "Eine Person, die mit dem Laptop auf dem Bett liegt" - vermittelt, versinnbildlicht die Grundidee der zehntägigen offenen Tür zum Aktionsraum 2: Künstlerinnen, Künstler und sonstige Berufene waren und sind eingeladen, sich ganz im Sinn des 1969 in München ausgerufenen ersten Aktionsraums, mit ihren Mitteln den Gedanken und Aufgaben zu nähern, die unsere Welt derzeit beschäftigen. Und die Idee ist aufgegangen: In diesem Biotop der künstlerischen Statements brummt die Lust am Denken.
Webers Ansatz zum Beispiel, der überbordenden Bilderflut in der elektronischen Kommunikation eine hörbare Sprache zurückzugeben, verdient nicht nur Respekt für die Schlichtheit und Überzeugungskraft der Lösung. Er greift vielmehr voraus in eine Zukunft, in der Raumfahrer, menschlich oder maschinlich, in fremde Universen vordringen und zur Erde Bilder zurücksenden, für deren Inhalte uns die Worte fehlen. Da könnte Künstliche Intelligenz durchaus verstehbar machen, was vollkommen fremd ist. Wobei vorstellbar ist, dass ein solcher Service auch derzeit auf unserem Planeten selbst hilfreich wäre - die Renaissance des Berichts.
Es sind, verteilt über die Räume der Galerie, ganz unterschiedliche Gedankenanstöße wahrzunehmen. Manche davon eröffnen virtuelle Rückblicke auf unsere Gegenwart, etwa wenn Ann Besier leicht angestoßene Buchrücken mit Titeln zu Katastrophen illustriert, die uns wahrscheinlich erst noch ins Haus stehen. Ähnlich retro-futuristisch gerät Thomas Neumaiers Objekt "mobile home office": Drehstuhl, Schreibtisch und Schreibmaschine, auf einen Anhänger montiert, stellen ungefähr dar, was sich ein Zeitgenosse der 1950er unter dem Begriff vorgestellt hätte und einer der 2050er vielleicht wieder vorstellen muss, weil sich die Begriffe von "mobil" und "office" und "home" dramatisch einer veränderten Umwelt anpassen. Selbst das Einreiseverbot der Bundespolizei für den Koreaner Kyu Nyun Kim - an dessen Anwesenheit im Aktionsraum 2 kein öffentliches Interesse bestehe, weshalb er pandemiebedingt fernbleiben muss und so den Raumbegriff vielleicht von Ebersberg bis Seoul ausdehnt?: Auch solche amtlichen Bescheide haben eine Zukunft, wenn auch die Ursachen wechseln mögen.
Dazu beitragen mag einer, wie ihn Robert Gockner als "Boandl mid seim Recha" mächtig in den Raum gestellt hat: Was treibt ihn an? Wen krallt er sich als nächstes? Wo reißt er das Gras weg, das gerade erst wieder drübergewachsen ist? Vielleicht werden auch einige von Andreas Mitterers "Heldenköpfen" auf Dauer gesprächig, unverrottbar wie sie dank ihrer kunststofflichen Substanz sind - oder sie landen im Ist-das-Kunst-oder-kann-das-weg-Vergessen wie jene, denen wir als Retter in der Naturkatastrophe vor kurzem noch öffentlichkeitswirksam applaudierten?
Viele Fragen, unendliche viele Antworten, über die man in diesem Aktionsraum ins Nachdenken und ins Gespräch kommt, bevor sich dann Initiator Peter Kees an seinen "Fluchtfahrzeug"-Flügel setzt und über lyrische Verlorenheit mit donnerndem Götterzorn improvisiert. Sicher ergeben sich daraus auch einige kluge Antworten für die "Kundenbefragung" von Manuel Strauß über das Ansehen und den (Geld-)Wert von Kunst und Künstlern, bei deren schriftlicher Formulierung einen das sanfte Säuseln eines 3D-Druckers begleitet. Wenn sich das nun so liest, als sollte man diesen Raum bis zum 4. Oktober öfter als ein Mal aufsuchen: gute Idee!
Peter Nemetschek, der Künstler und Fotograf, der den ursprünglichen Aktionsraum in München ausgerufen hatte, konnte aus gesundheitlichen Gründen seine Zusage als "Special Guest" zur Eröffnung nicht einhalten. Gleichwohl hatte er Kees ein paar Tage vorher im Videointerview mit auf den Weg gegeben: "Da müsst ihr euch aber richtig anstrengen", als der ihn fragte, ob der Ebersberger Aktionsraum ein legitimer Nachfolger des Originals sein könne. Verblüffend indes die Einschätzung des 83-Jährigen zur politischen Rolle der damaligen Aktionskunst: "Das war nicht politisch. Das war postmodern." Mit der inzwischen eingeläuteten Post-Postmoderne besteht mithin ein prächtiger Ansatz zum Sinnieren, etwa in der sonntäglichen Installation von Hans Winkler, dem "Stillen Biergarten". Einer auf den ersten Blick ungewöhnlich scheinenden Idee, beim genauen Hinhören aber eigentlich der wahre Aktionsraum in einem urbayerischen Gemütszustand: Wer ein Bier vor sich hat, braucht nicht mehr viel zu reden.