Süddeutsche Zeitung

Kunstprojekt der VHS Vaterstetten:Vielschichtige Erinnerung

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Die Bildungseinrichtung beschließt das schwierige Corona-Semester mit einer anspruchsvollen Kunstaktion: Unter Federführung der Schreinerin Melanie Kirchlechner entsteht ein Holzrelief, das nun am Reitsberger Hof zu bewundern ist

Von Anja Blum

Das wird bestimmt eine schöne Erinnerung - an eine harte Zeit", sagt Bettina Noelle-Budka. Schwierige Monate liegen hinter der Vaterstettener Volkshochschule, zahllose Kurse und Angebote konnten wegen der Pandemie nicht wie geplant stattfinden, die sonst so lebendige Bildungseinrichtung stand einfach still. Umso mehr freut sich Noelle-Budka, Leiterin des kreativen Fachbereichs, dass nun, zum Ende des Semesters, doch noch eine besondere Kunstaktion stattfinden konnte: die Gestaltung eines Holzbildes, eine Gemeinschaftsarbeit unter der Leitung der Künstlerin und Schreinerin Melanie Kirchlechner. Das Bild wird nun dauerhaft am Reitsberger Hof zu bewundern sein, die Familie des Altbürgermeisters hat das Material gespendet.

Entstanden ist eine Art Relief, das etwa einen mal zwei Meter misst. "In dieser Größe habe ich selbst noch nie so gearbeitet", sagt Kirchlechner - die Aktion ist also für alle Beteiligten ein handwerkliches Experiment. Das Thema indes war vorgegeben: Ein ganzes Semester lang wollte sich die VHS dem Wald in all seinen Facetten widmen, deswegen kam Noelle-Budka auf die Idee einer Kooperation mit der Holzexpertin und erfahrenen Dozentin Melanie Kirchlechner. "Und sie war sofort Feuer und Flamme", freut sich die Fachbereisleiterin. Abstrahiert und dennoch erkennbar sollte das Motiv sein, und Bezug zur Vaterstettener Gegend haben. Lange habe sie an dem Entwurf getüftelt, berichtet Kirchlechner, bis sie eine ausgewogene Gestaltung überzeugte. Das Bild zeigt ein Panorama, eine Landschaft aus Bergen, Wald und Wiesen, bereichert von ein paar Details: Da fliegt ein Storch, dort steht ein Pferd, hinten tuckert ein kleiner Traktor durchs Bild. Am Himmel ist überdies eine Gruppe Luftballons platziert - sie ist dem Logo der VHS nachempfunden.

Neben Melanie Kirchlechner haben sich drei Menschen in dem Bild verewigt: Herma Schlömer, ehemalige Kunstlehrerin, Gerd Vogel, passionierter Hobbyschreiner, und auch Bettina Noelle-Budka selbst hat es sich nicht nehmen lassen, Teil der Gemeinschaftsarbeit zu sein. Vor Kirchlechners Garage, gleich gegenüber der Vaterstettener VHS, hat sich die Gruppe bei schönstem Wetter ihren Arbeitsplatz eingerichtet. Zwei kleine Werkbänke stehen bereit, es gibt Sägen, Messer, Bohrer, und wenn etwas fehlt, wird es von der Hausherrin sogleich herbeigeschafft. Drei Tage soll die Arbeit an dem Bild dauern, über das Geschehen wacht ein schön geschnitzter Löwenkopf an der Hauswand.

Die Schwierigkeit: Alles muss aus einem Stück gesägt werden, so dass am Ende aus den verschiedenen Schichten ein möglichst "nahtloses" Relief entsteht. Unten ist vorne, oben hinten. Zur Orientierung hat Kirchlechner einen kleinen Holzentwurf angefertigt, außerdem wurde eine Zeichnung davon per Beamer vergrößert. Dieses große Blatt liegt nun auf dem Werkstück, einer zwölf Millimeter dicken Sperrholzplatte. Jetzt gilt es als erstes, die groben Proportionen auf das Holz zu übertragen - kein ganz einfaches Unterfangen, "da es Kopierpapier leider nur in DIN- A 4 gibt", wie Kirchlechner bedauert. Doch schon bald ist die Platte mit Linien übersät, die Stichsäge kommt lärmend zum Einsatz. Die VHS-Teilnehmer wissen, was sie tun, das ist schnell erkennbar.

Dabei ist dieses Verfahren kein einfaches. Es müssen Löcher zum Wenden der Stichsäge gebohrt werden, zackige Baumkronen sollen entstehen, enge Bögen gezogen werden. Nach der Säge kommen Schnitzmesser und Stemmeisen zum Einsatz, damit werden die feineren Strukturen gestaltet. In Stein gemeißelt ist der Entwurf indes nicht: "Das kann sich beim Machen alles noch verändern", sagt Melanie Kirchlechner, auch die Farbgebung stehe noch nicht festgelegt. Ihre Vorlage ist in matten Blautönen gehalten, später werden diese um viel Grün ergänzt sein. Von Anfang an bringen sich die Teilnehmer mit Ideen und Vorschlägen ein, alle sind schon gespannt, was unter ihren Händen entstehen wird. "Das Schöne ist: Man lernt ja immer etwas vom anderen dazu", sagt Noelle-Budka. Sie selbst zum Beispiel kenne sich aus der Malerei recht gut mit Farbgestaltung aus, was eine Dekupiersäge sei, nämlich eine Art elektrische Laubsäge, habe sie indes vorher nicht gewusst. "Da ergänzen wir uns in diesem Team sehr gut!"

Allerdings gibt es, wie Kirchlechner erklärt, bei solch einer Arbeit kaum Möglichkeiten zur Korrektur, schließlich sollen am Ende alle Teile des Reliefs ineinandergreifen. Getragen wird es von einer ebenfalls hölzernen Rückwand, kleine Klötzchen im Hintergrund stützen die verschiedenen Ebenen, die Farbe wird mit Walzen aufgetragen. "Das Ganze ist eine Art überdimensionaler Druckstock", sagt Kirchlechner, was den Vorteil habe, dass sich alle Beteiligten von ihren Lieblingsausschnitten Drucke mit nach Hause nehmen könnten. Und alle anderen Vaterstettener? Die dürfen das Holzbild künftig auf dem Reitsberger Hof bestaunen, es hängt wettergeschützt in der Pony-Halle - und es wird sie erinnern. An eine harte Corona-Zeit, aber auch daran, in welch schöner Umgebung sie leben.

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Quelle:
SZ vom 31.07.2020
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