Süddeutsche Zeitung

Kunstnachwuchs in Ebersberg:Kreative Klassifikation

Janis Michal vom Kreisjugendring, Jurymitglied beim Jugendkulturpreis, über Geistesblitze und Gewinner

Interview Von Thorsten Rienth, Ebersberg

Noch bis Ende Oktober läuft die Teilnahmefrist für den diesjährigen Jugendkulturpreis des Kreisjugendrings (KJR). "Vorsicht zerbrechlich" heißt das Thema, das mit dem Untertitel "Lass deiner Kreativität freien Lauf" versehen ist. In der Jury sitzen Geraldine Frisch vom Kunstverein, die Künstlerin Anne Liebegott, Babsi Lux vom Team des Alten Kinos, der Geräuschemacher Max Bauer - und Janis Michal (21) aus dem KJR-Vorstand.

SZ: Wann waren Sie denn das letzte Mal so richtig von Kreativität überrascht?

Janis Michal: Das ist noch gar nicht so lange her. Ein Bekannter hat sich wochenlang auf seinen Urlaub gefreut - aber auf dem Weg dorthin ist bei seinem alten Auto der Gaszug gerissen. Normalerweise ist bei so was die Reise ja zu Ende. Aber mit einem Stück Holz, gutem Tape und ein paar Kabelbindern hat er das Auto tatsächlich wieder reparieren können. Das war wahrscheinlich nicht gerade superlegal. Aber superkreativ!

Eine Kreativität, mit der man den diesjährigen Ebersberger Jugendkulturpreis gewinnen könnte?

In diesem Fall wäre die Geschichte wohl leider eine Themaverfehlung. Obwohl: Wenn es dem Autobastler gelingen würde, mit seiner Konstruktion irgendwie das Thema "Vorsicht zerbrechlich" zu treffen, hätte er vielleicht eine Chance.

Weil sich Kreativität nicht immer auf den ersten Blick erschließt?

Genau. Das ist ja auch das Spannende an dem Wettbewerb: Ich kann als Jurymitglied oder Gast fünfmal an einem Werk vorbeilaufen und mir denken: Was ist das denn für ein Schmarrn? Aber beim sechsten Mal kommt vielleicht der Geistesblitz - und ich bin total begeistert von dem, was da vor mir liegt. Andererseits gibt es auch Situationen, in denen die Jury in den Raum kommt und sofort weiß: Dieses oder jenes Werk ist der Gewinner.

Das war tatsächlich schon einmal so?

Ja, allerdings saß ich da noch nicht in der Jury. Vor ein paar Jahren hatte der Jugendkulturpreis das Thema "Kunst im Alltag". Eine Mutter las am Frühstückstisch aus der Zeitung davon vor. Die achtjährige Tochter wollte wissen, was das denn sei, Kunst im Alltag. Dann zeigte sie wohl auf ein "Tigerentenbrot", das der Vater aus Honig- und Nutellastreifen kreiert hatte. "So was? Ja, genau sowas!" Ihr Bruder hat reingebissen, und jemand anderes sich schnell einen Fotoapparat geschnappt. Für die Jury war die Sache wohl ziemlich schnell ziemlich klar. Mir hat das allerdings ein bisschen leid getan für die anderen Teilnehmer, die zum Teil wahnsinnig viel Zeit in ihre Werke gesteckt hatten. Aber da war der erste Platz halt schon vom Tigerentenbrot belegt.

Lässt sich Kreativität Ihrer Meinung nach irgendwie klassifizieren?

In einem Kunstwettbewerb kommt man daran nicht vorbei. Bezogen aufs alltägliche Zusammenleben sehe ich das aber kritischer. Man sollte da keine Gleichungen aufmachen. Der eine ist ein Künstler, also ist er kreativ. Und die andere, meinetwegen eine Dachdeckerin, die ist unkreativ? Was sagt das schon aus? Gut möglich, dass ihre Kreativität nur eine andere Form von Kreativität ist. Eine, die sich halt nur nicht künstlerisch ausdrücken lässt. Zum Beispiel eine handwerkliche Problemlösungskreativität.

Es fällt auf, dass die Fragestellung auch beim diesjährigen Wettbewerb sehr abstrakt ist - "Vorsicht zerbrechlich".

Was denn auch sonst? Erst die Abstraktion eröffnet doch diverse Anknüpfungspunkte. Zerbrechlich kann zum Beispiel ein Objekt wie ein Weinglas sein. Oder auch ein Zustand - Frieden zum Beispiel. Objekt und Zustand künstlerisch irgendwie zu verknüpfen, fände ich zum Beispiel sehr spannend. Aber Tipps werde ich hier natürlich nicht geben! (lacht)

Mitmachen kann jeder zwischen sieben und 21 Jahren - allein, als Gruppe oder als Schulklasse. Wie soll denn ein Siebenjähriger mit einem 21-Jährigen mithalten können?

Auch dieses Problem lässt sich mit ein bisschen Kreativität leicht lösen: Es gibt bei der Jurywertung erst einen Durchgang ohne Altersangaben und dann einen mit - und aus beiden kommen wir dann zu einem Endergebnis.

Jugendkulturpreis "Vorsicht zerbrechlich": Menschen von sieben bis 21 Jahren können alleine, als Gruppe oder Schulklasse ihre Werke bis Montag, 28. Oktober, um 17 Uhr in der KJR-Geschäftsstelle in Ebersberg abgeben. Die Werke werden dann von Freitag, 15. November, bis Sonntag, 17. November, beim Kunstverein ausgestellt. Die Preisverleihung findet statt am Sonntag um 16 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 03.08.2019
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