Kunst im Ebersberger Forst:Dem fliehenden König auf der Spur

Kunst im Ebersberger Forst: Lieben alte Stromtürme: Hans Winkler und Peter Kees. Diesen im Forst bespielen sie derzeit mit einem Ausspruch des letzten bayerischen Königs.

Lieben alte Stromtürme: Hans Winkler und Peter Kees. Diesen im Forst bespielen sie derzeit mit einem Ausspruch des letzten bayerischen Königs.

(Foto: Christian Endt)

Die beiden Künstler Peter Kees und Hans Hs Winkler bestücken einen Stromturm im Ebersberger Forst mit historischen Zitaten

Von Anja Blum, Ebersberger Forst

"Verlassen, verlassen, verlassen bin i, koa Mensch auf der Straßen und Gassen mag mi...": Auf diesen so rätselhaften wie verzweifelten Ausspruch stößt derzeit, wer am Forsthaus Sankt Hubertus spazieren geht. In großen schwarzen Lettern prangen die Worte auf einem weißen Banner, befestigt an einem alten Stromturm direkt neben der Straße durch den Wald, die von Ebersberg in Richtung Anzing führt. Etwas klarer wird die Sache wohl erst, wenn auch der zweite Teil des Ausspruchs hinzugekommen sein wird: "...dass i muas vo Minga furt, schuild is nur da Eisner Kurt!" Es sind Worte, die als Zitat des bayerischen Königs Ludwig III. gelten. Am 8. November 1918 proklamierte Kurt Eisner den Freistaat Bayern - und erklärte den letzten bayerischen König als abgesetzt. Ludwig III. floh daraufhin über den Landkreis Ebersberg ins Schloss Wildenwart am Chiemsee.

Dass seine Worte nun im Forst plakatiert sind, an einem hochromantischen Ort, ist Peter Kees und Hans Hs Winkler zu verdanken. Die beiden Künstler nennen die großformatige Aktion "Das letzte Zitat". Sie ist dreiteilig: Zunächst hängt der erste Teil des Zitats, der etwa drei Wochen später um den zweiten erweitert und schließlich, wieder drei Wochen später, mit einen Kommentar von Heinrich Mann versehen wird. Als Zeitraum haben Winkler und Kees dafür geschichtsträchtige Daten gewählt: Die Installation hängt vom 11. September bis zum 9. November.

Kees aus Steinhöring und Winkler aus Rott, die in der Vergangenheit schon mehrfach miteinander gearbeitet haben, sind im Landkreis bereits öfter in Erscheinung getreten. Kees hat erst kürzlich das zweite "Arkadien"-Festival in Ebersberg geleitet, Winkler saß dort mit in der Jury. Auch beim von Kees initiierten "Aktionsraum zwei" im Ebersberger Kunstverein war Winkler mit einem "Stillen Biergarten" vertreten. Beide Künstler sind international tätig und legen in ihrer künstlerischen Praxis einen Schwerpunkt auf Interventionen im öffentlichen Raum.

Ob, wann und wo Ludwig III. jene verzweifelten Worte gesprochen hat, und wie sie genau überliefert wurden, wissen Kees und Winkler nicht - das sei aber auch gar nicht wichtig, sagen sie. "Jenes Zitat ist als spielerischer Umgang mit der bayerischen Kultur und Geschichte in der Nähe der Fluchtroute des Königs zu verstehen", erklärt Kees. Und Winkler ergänzt: "Unsere Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur, nach über 738 Jahren Wittelsbacher, wird zum Verweis auf die grundsätzlich fragilen Verhältnisse gesellschaftlichen Seins." Eisners Revolution, die Flucht des Königs, die Räterepublik: All das war in den Augen der beiden Künstler ein Neuanfang, der auch der Gegenwart nicht schlecht zu Gesicht stünde. Insofern wollen sie das Zitat des verlassenen Königs als Spiegel des gegenwärtigen Wandels und der gesellschaftlichen Umbrüche verstanden wissen. "Wir sind auch heute an einem Punkt, an dem wir über eine Reform des Systems nachdenken sollten."

Vor Ort im Forst indes fehlt jede Erklärung beziehungsweise Einordnung der Aktion, von einer Infotafel oder ähnlichem fehlt jede Spur. Insofern führt "Das letzte Zitat" den Geist des Arkadien-Festivals weiter: Bereits dort ging es darum, die Menschen mit Kunst im Vorbeigehen zum Lachen, Aufhorchen und Nachdenken zu bringen. Um das zu erreichen, dürfen Interventionen gerne unverständlich oder auch provozierend sein. Nur am des Tags des offenen Denkmals, der kürzlich im Forst stattgefunden hat, waren die beiden Künstler am Stromturm anzutreffen. "Ja, es wird schon viel gerätselt", sagt Kees und lacht.

Beide Männer vereint schon lange das Interesse am Thema und eine Vorliebe für Stromtürme - insofern sei die neue Installation ein konsequenter Schritt. "Die Revolution, das Ende der Monarchie, die Räterepublik - das alles hat hier in Bayern begonnen", sagt Winkler, der nun nach vielen Jahrzehnten in Berlin wieder in seine Heimat zurückgekehrt ist. Allerdings existierten diverse Varianten der Geschichte, gerade, was das Ende des Königs angehe. Außerdem sei das Geschehen eng verknüpft mit der Geistesgeschichte, so Winkler: Viele Schriftsteller und Künstler hätten den Umbruch begleitet und unterstützt. Ihr Einfluss auf die gesellschaftspolitischen Ereignisse sei bedeutend gewesen. Im Vergleich dazu sei "der heutige Kunstmarkt leider vor allem eine Unterhaltungsindustrie", klagt Kees. Er und Winkler hingegen wollten künstlerisch Haltung zeigen. So wie Heinrich Mann, der sagte: "Die hundert Tage der Regierung Eisners haben mehr Ideen, mehr Freuden der Vernunft, mehr Belebung der Geister gebracht als die fünfzig Jahre vorher."

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