Allein die Ankündigung zu dieser Veranstaltung klingt wagemutig: "Selbst einen Apfelbaum mit Schuhen zu behängen ist schon ein kleines Kunstwerk", heißt es in der Broschüre zur "Kurzen Nacht der Street Art, Urban Art und Land Art". Was genau das für die Apfelbäume Poings am Samstag, 22. September, bedeutet, wird nicht ganz klar, aber eines ist sicher: Ein kreatives Programm wird bei dieser 9. Langen Nacht der Kultur allemal geboten sein.
Dabei darf das Poinger Kulturereignis - schließlich ist hier alles ganz anders als sonst - heuer nur "Kurze Nacht" heißen, auch wenn das Programm vom Nachmittag bis 23 Uhr läuft. Dabei geht es vor allem ums Gestalten und Mitmachen der Bürger. Nicht nur an den 17 aufgelisteten Stationen im Ort soll Kunst entstehen, sondern am besten auch im heimischen Haus und Garten.
Inspiration für gelungene Street Art kann man sich vorab bei einem Großmeister der Flächenverschönerung holen: Der international bekannte Street-Art-Künstler Daniel Man ist schon seit Anfang der Woche dabei, eine rund 135 Quadratmeter große Hauswand am Parkplatz in der Friedensstraße zu gestalten. Erst kürzlich hatte sich der fotoscheue Sprayer, der unter dem Namen Codeak bekannt wurde, einer Wand am Ebersberger Skaterpark angenommen. Erste gelbe Konturen und anthrazitfarbene Flächen sind hinter dem Baugerüst zu erspähen. Nach der Eröffnung vor Daniel Mans Kunstwerk um 18 Uhr verspricht das Programm "Kunst draußen" im öffentlichen Raum: "Live-Painting, Installationen und Workshops, Interkulturelles, Computergesteuertes und Bildhaftes" sollen geboten werden.
Das Zentrum der Aktivitäten wird dabei der Marktplatz bilden. Hier wird zum Beispiel der als Clown Pippo bekannte Stefan Pillokat zu seiner Motorsäge greifen und live einen vier Meter langen Robinienstamm zu einer Skulptur umgestalten. "Ich will die Land Art auf die Straße bringen", sagt der Markt Schwabener. Das Holz für seine Performance werde dafür in der ehemaligen Halterung des Christbaumes auf dem Marktplatz befestigt. Auch die Poinger Spray-Paint-Künstlerin Beate Braß wird am Marktplatz ihre Arbeitstechnik vorführen und zeigen, wie sie Planetenlandschaften und Fantasyszenen mit Hilfe von Joghurtbechern und Zeitungen sprüht. Die 52-Jährige hatte diese Technik vor drei Jahren in einem Youtube-Video entdeckt. Ortsungebunden werden dagegen die Brüder Bernhard und Leonhard Slawik in Poing unterwegs sein auf ihrem sogenannten Chairmobil, einem fahrbaren Retro-Sessel mit Wohnzimmerlampe dazu. Außerdem haben sie sich eine subversive Aktion ausgedacht, bei der sie rund 50 selbst gebastelte Überwachungskameras aus Pappe im Ort aufhängen werden. Mit Kreide wollen sie Zonen auf den Boden sprühen, die sie als "subjektiv sicher" ausweisen - zu viel wollen die Brüder aber noch nicht verraten.
Die Aufforderung "Werden Sie künstlerisch aktiv, machen Sie mit!" will Bürgermeister Albert Hingerl jedoch nicht als Anlass zum wilden Taggen an fremden Hauswänden verstanden wissen. Vielmehr gehe es ihm darum, den öffentlichen Raum auf legalen Wegen bunter zu machen. Auf die Idee kam Hingerl, als er mit seiner Frau vor einem Jahr die Street-Art-Ausstellung "Magic City" in der Münchner Olympiahalle besuchte. Hingerl kam mit vielen Fotos und einer Idee zurück nach Hause. Frei nach Josef Beuys' berühmtem Zitat - "Alles ist Kunst, jeder ist ein Künstler" - wolle er die Straßen in Poing aufwerten. Anders als in der Unterführung am Gruber Weg soll es dabei nicht nur um klassische Graffiti gehen, sondern auch um sogenannte Land Art und Urban Art.
Deshalb ist zum Beispiel auch die Arbeitsgemeinschaft Poing "Am Bergfeld" mit dabei. An dem Baucontainer in der Bergfeldstraße 2 werden die Neubaugebiete W7 und W8 auf neue Art interpretiert. Künstlerin Marion Kropp-Hingerl präsentiert ihre Sichtweise von Street Art mit Malereien auf dem Asphalt vor dem Container. Jeder der Lust hat, darf sich beteiligen und mitmalen. Dazu kündigen die Veranstalter kostenlose Bratwurstsemmeln an.
Auch sieben Poinger Jugendliche im Alter von zehn bis 19 Jahren haben sich im Vorfeld an einem Projekt unter der Leitung von Bergith Geyer beteiligt. Sie wollen mit einer Installation auf die Umweltverschmutzung durch Müll aufmerksam machen und haben dafür seit April rund 2100 Becher und Plastikflaschen gesammelt. Ihr Projekt "Friedensweg" enthüllen sie um 20 Uhr in der Kreativwerkstatt in der Hauptstraße 11 b. Mexikanisches Kunsthandwerk und aztekische Straßenmalereien werden am 16 Uhr im Weltladen an der Christuskirche gezeigt. Um 19 Uhr gibt es einen Vortrag des Schmuckherstellers Pakilia über Silberhandwerk in Mexiko.
Ein Höhepunkt zum Mitmachen wird wohl der von 18 bis 23 Uhr stattfindende Stencil- und Graffiti-Workshop für Kinder und Erwachsene des Museum of Urban and Contemporary Art (MUCA) werden. Dazu kommt ein Team des Münchner Museums, das erst vor anderthalb Jahren eröffnet hat, nach Poing. Im Gepäck hat die Gruppe laut Katharina von Wechmar diverse Schablonen und Sprühdosen, mit denen man selbst als Laie rasch vorzeigbare Street-Art produzieren kann. Ob das Ergebnis am Ende genauso kunstvoll werden wird wie die Bilder des berühmten Schablonensprühers Banksy, ist offen. Der sprühte 2002 im Osten Londons ein Graffiti eines Mädchens, das einen Herz-Ballon davonfliegen lässt - das "Balloon Girl" wurde später aus der Hauswand herausgetrennt und für rund 560 000 Euro versteigert.
Die 17 Standorte der Langen Nacht der Kultur sind unter diesem Link abrufbar