SZ-Kulturpreis Tassilo:Tastenkünstler und Menschenfänger

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Es hat ihn schon immer ans Klavier gezogen. Heute ist Oliver Triendl ein international gefragter Pianist - und als Konzertveranstalter ein absoluter Gewinn für die Region. (Foto: Christian Endt)

Oliver Triendl ist ein gefragter Pianist - doch er will mehr tun für die Musik. Deswegen engagiert er sich seit 20 Jahren als Künstlerischer Leiter eines Kulturvereins. Für dieses Wirken und sein Werk ist er nun nominiert.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Regalweise Noten. Beethoven, Mozart, Haydn, die Klassiker. Daneben, darunter, darüber: Georg Friedrich Händel, Bach, die Bände des "Wohltemperierten Klaviers", das "Italienische Konzert". Dann die Romantiker, Schumann, Schubert, Chopins Walzer, Nocturnes, Etüden, Préludes - das Herz eines jeden Pianisten, vielmehr noch, eines jeden Musikers muss höher schlagen, wenn er vor diesen Wänden steht. Zumal hier nicht nur Klavierstücke schwarz auf weiß gedruckt und in Hefte gebannt sind, sondern auch Orchesterkonzerte, Sinfonien, Choräle. Nicht allein das gängige Repertoire hat Oliver Triendl gesammelt, sondern auch Seltenes, Zeitgenössisches, Außergewöhnliches.

Regale voller Notenblätter. Oliver Triendl sammelt nicht nur die gängigen Werke der Klavier- und Orchesterliteratur, sondern ist immer auch auf der Suche nach Ausgefallenem. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Pianist liebt es, neue Wege zu gehen, Auszuprobieren, egal, ob er zu Hause an seinem Flügel sitzt, oder den Besuchern des Kulturvereins Baldham-Zorneding eine neue Konzertreihe präsentiert. "Das Auffinden interessanter Literatur, den Zuhörern dieses wahnsinnige Erbe zu vermitteln, das fasziniert mich." Und Triendls Publikum weiß und schätzt das.

Wer in seinen Kammermusik- oder Klavierzyklus kommt, erwartet nicht unbedingt, das zu hören, was er in jedem Konzertsaal erleben kann - auch wenn schon mal eine gängige Beethoven-Sonate oder Chopins berühmtes Fantasie-Impromptu darunter sein kann. Doch immer wieder wählt Triendl für die von ihm verantworteten Konzertreihen Ungewöhnliches, wie zuletzt im Dezember ein Sextett für Bläser, Streicher und Klavier des Wiener Mozart-Zeitgenossen Anton Eberl. Manchmal kommen die Zuhörer auch in den Genuss von Uraufführungen wie jene von "Still sein - Callarse", einer Komposition des Baldhamer Komponisten Enjott Schneider nach einem Gedicht von Pablo Neruda, geschrieben und aufgeführt im Corona-Jahr 2021. Oft sind es weitgehend unbekannte zeitgenössische Stücke, die Triendl findet, mal osteuropäisch, mal exotisch inspiriert.

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Seit 2003 schon ist der vielfach ausgezeichnete Pianist Triendl Künstlerischer Leiter des Kulturvereins, für sein Engagement war er schon einmal für den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung nominiert, leider wurde daraus nichts. Lange vor der Corona-Pandemie war das, die dem Kulturverein das Leben ebenso schwer gemacht hat wie allen anderen Veranstaltern. Dass Lockdowns und Einschränkungen an der Zornedinger Konzertreihe ohne größeren Schaden vorübergingen, ist auch und vor allem ein Verdienst Triendls: Nie hat er aufgegeben, keine Mühen gescheut, immer nach Möglichkeiten gesucht.

Im Juni und August 2021 etwa stellte er ein spontanes Sommerfestival mit fünf Konzerten unter freiem Himmel auf die Beine. Und als im Januar 2022 das Bennewitz Quartett aus Quarantänegründen nicht zum Auftritt im Kammermusikzyklus kommen konnte, sorgte Oliver Triendl in Windeseile für Ersatz, trommelte passende Musiker zusammen. Zweieinhalb Tage hatten diese Zeit, die geplanten Stücke einzustudieren, eine Serenade Ernst von Dohnányis oder ein Intermezzo von Zoltán Kodály. Und zwar so, dass sie auf der Bühne nicht nur bestehen, sondern sogar glänzen. Einer, der weniger gut vernetzt ist als Triendl, hätte es vermutlich nicht geschafft, so schnell Instrumentalisten zu organisieren, die dazu in der Lage gewesen wären. Nicht zuletzt, weil der Pianist so etwas hinbekommt, steht er nun erneut auf der Liste der Tassilo-Kandidaten.

Oliver Triendl holt zu den Konzerten des Kulturvereins Zorneding-Baldham hochkarätige Musiker. Hier spielt er im Klavierzyklus 2020 gemeinsam mit Diynag Mei an der Viola. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Rund 150 Abonnenten hat der 1963 gegründete Kulturverein Zorneding-Baldham, viele gehören seit Jahren zu den regelmäßigen Besuchern. Man kennt sich also im Martinstadl - und darüber hinaus. Doch längst hat das Renommee der Institution die Grenzen des Ebersberger Landkreises auch überschritten. Immer wieder zeichnet der Bayerische Rundfunk die Konzerte der Zornedinger auf, um sie später seinen Klassikhörern zu präsentieren.

Triendl hat selbst in den großen Konzertsälen dieser Welt gespielt, mit vielen renommierten Orchestern, darunter die Münchner Philharmoniker, die Camerata St. Petersburg, das Mozarteum-Orchester Salzburg oder das Shanghai Symphony Orchestra. Trotzdem ist es für ihn besonders die heimische Kulisse, in der er sich wohlfühlt, man merkt es, wenn er darüber spricht. Nach dem Konzert mit den Besuchern bei einem Glas Wein die Aufführung zu debattieren, oder auf dem Wochenmarkt mit einem Abonnenten ins Gespräch zu kommen, das macht ihm Freude. "Ich liebe das."

Der Kulturverein hat ein treues Publikum, wie hier beim Auftritt von Vadim Gulzmann (Violine) und Evgeny Sinaiski (Klavier) ist der Martinstadl meist gut gefüllt. (Foto: Christian Endt)

Nein, einer, der nur in seinem Kämmerlein sitzt und die Vorgaben seiner Notenhefte auf die Tasten bringt, das ist Triendl nicht, auch wenn in seinem heimischen Keller die Musik quasi auf jedem Quadratzentimeter spürbar ist. "Ich habe die Tätigkeit des Musikers immer umfassender gesehen", erklärt er. Zumal er nicht wirklich gerne übe. Freilich machen gerade CD-Aufnahmen, oftmals von völlig neuen Stücken, eine intensive Vorbereitung notwendig, dann kann es schon auch mal bis in die Nacht hinein gehen. "An manchen Tagen tu ich aber auch gar nichts", sagt Triendl und lacht. Ganz im Gegensatz zu seiner Frau übrigens, der Violinistin Nina Karmon, die sehr gerne übe.

Seit zehn Jahren ist das musikverliebte Paar in Ebersberg zu Hause - ein Zufall allerdings, keine konkrete Planung, dass es sie hierher verschlagen hat, in die örtliche Nähe des Kulturvereins. Den hatte Triendl bereits zuvor von Ottobrunn aus geführt, nachdem ihn der ehemalige Vorsitzende des Clubs, Heinz Küspert, bei einem Konzert in Straubing erlebt hatte. Einige Jahre später trat Triendl in Zorneding auf. "Da hat er mich gefragt, ob ich bereit wäre, die Planung für eine Konzertreihe zu übernehmen." Natürlich wollte er - und hat es bis heute nicht bereut.

Auch der Profi am Klavier braucht hin und wieder eine Gedankenstütze, etwa einen Hinweis auf den geeigneten Fingersatz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dass es Triendl ans Klavier ziehen würde, war schon früh klar. Geboren ist der 52-Jährige im niederbayerischen Mallersdorf, in einer Gegend, in der sich - damals zumindest - ausgebildete Klavierpädagogen nicht gerade drängten. Nach seinem Vater, der ihm die Grundbegriffe beibrachte, kamen ein Querflöte spielender Zahnarzt und eine Kindergärtnerin in den Genuss, den begabten Jungen zu unterrichten. Ein Referendar, der ihm am Gymnasium in Mallersdorf begegnete, brachte schließlich die entscheidende Wendung - und den jungen Triendl ans Waltershauser Seminar in München. "Eine ganz schöne Odyssee war das, einmal die Woche dort hin zu fahren." Doch eine, die sich lohnte. Triendl nahm Teil an nationalen und internationalen Wettbewerben, studierte bei Gerhard Oppitz und Oleg Maisenberg in München und Wien, schuf sich ein riesiges Repertoire.

Mehr als 150 CDs hat Oliver Triendl bereits eingespielt

Von wegen Üben: Wenn in Zorneding mal wieder ein Konzert auszufallen droht, dann kann sich Triendl immer noch selbst ans Klavier setzen - was er allerdings ungern alleine tut. Lieber mit einem anderen Instrumentalisten an seiner Seite. Mehr als 90 Klavierkonzerte hat der Pianist im Repertoire, mehrere hundert Kammermusikstücke gespielt, mehr als 150 CDs aufgenommen. Zuletzt hat der Ebersberger die komplette Klavier-Kammermusik des 1902 gestorbenen Komponisten Heinrich Hofmann gemeinsam mit Nina Karmon, Stefan Fehlandt, Wenn-Sinn Yang und Georg Arzberger eingespielt.

Corona-Sommer: Zum Konzert im eigenen Garten holte Oliver Triendl die "Hofmusik". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wenn man denn Triendls Wirken unter ein Motto stellen wollte, dann müsste es wohl heißen: "gemeinsam ist besser". Das von ihm 2006 gegründete Internationale Kammermusikfestival "Classix Kempten" könnte man darunter ebenso subsumieren wie das spontane Bläserkonzert, das er und seine Frau im Corona-Sommer 2021 im eigenen Garten auf die Beine gestellt haben, mit allen Nachbarn und natürlich hochkarätigen Musikern. Triendl schwärmt immer noch davon. "Menschen zusammen zu bringen, das war schon immer meine Leidenschaft." Und wie ginge das besser als mit Musik.

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