Kulturroute zur Historie:Rasante Reise durch die Zeit

In Poing informieren jetzt 16 Infotafeln über archäologische Fundorte. Ein bisschen archaisch geht es auch bei der Einweihungstour zu

Von Moritz Kasper, Poing

"Ist das der richtige Treffpunkt?", fragt ein leicht verunsicherter älterer Herr, während er sich von seinem nagelneuen Mountainbike schwingt. Sein Blick fällt auf einen breitschultrigen Mann, der gerade die letzten Arbeiten an einem Pavillon mit Lautsprecheranlage erledigt. Bis auf ihn ist der Marktplatz in Poing wie leergefegt - ein heftiger Regenschauer ist vor Kurzem niedergegangen. Wer konnte, ist an diesem Nachmittag wohl zu Hause geblieben. Doch nicht die geschichtsinteressierten Poinger. Als ob sie sich abgesprochen hätten, strömen plötzlich aus allen Ecken und Enden des Platzes hauptsächlich unbehelmte Pedalhelden und kreisen den Pavillon ein. An die 40 Menschen kommen so in kurzer Zeit zusammen - mit ihrem fahrbaren Untersatz nehmen sie locker den Platz einer Hundertschaft ein.

Sie sind hier, um mit der Archäologin Petra Haller jene Fundorte abzufahren, an denen neuerdings kleine Infotafeln an Stelen angebracht sind. Diese informieren über laufende und bereits abgeschlossene Grabungen in der Gemeinde. Besonders interessant sind kleine Skizzen, die versuchen, das ursprüngliche Aussehen der Gebäude und Befestigungsanlagen zu rekonstruieren, die von der Jungsteinzeit bis ins frühe Mittelalter das Bild Poings geprägt haben.

Poinger Zeitreise Teil 2

Die Stationen können auch in Ruhe auf eigene Faust abgeradelt werden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der nun folgende Erkundungsfeldzug verläuft, ganz authentisch, ähnlich wild wie diese Zeiten. Nach einer rekordverdächtig kurzen Ansprache übergibt Bürgermeister Albert Hingerl gleich an die Archäologin - sein Abendtermin beginnt unmittelbar nach der Führung.

Petra Haller, die mehrere Ausgrabungen in Poing geleitet hat, fackelt dann auch nicht lange und schickt die bis auf eine junge Familie eher der älteren Generation angehörige Gruppe nach zwei Minuten los Richtung Bauhof. Damit beginnt nicht nur ein Wettrennen gegen die Zeit, sondern auch um die besten Plätze - trotz Megafon ist die Führerin nämlich schwer zu verstehen, wenn man sich nicht in ihrer unmittelbaren Nähe befindet. Wegen des Zeitdrucks fängt Haller auch schon mal an, bevor alle bei der nächsten Station angekommen sind; wer nicht rechtzeitig da ist, hat Pech gehabt. So kommt es, dass sich die Geschichtsbegeisterten recht überfallartig durch Poing bewegen und auch mal die eine oder andere Verkehrsregel missachten. Nur der Bürgermeister fährt brav mit seinem Helm auf der rechten Straßenseite, was die meisten auf dem Sprint zur nächsten Stele kaum bemerken. Die Archäologin selbst ist mit der Koordinierung der Führung für die große Gruppe etwas überfordert - schade eigentlich, denn das, was sie zu sagen hat, ist durchaus interessant.

Um das Grab eines mächtigen Fürsten neben der Sankt Michaelskirche geht es da beispielsweise, der in der Bronzezeit den Handel mit Rohstoffen kontrollierte und die Kultur des Mittelmeerraumes in die Region brachte. Oder um keltische, befestigte Dörfer, sogenannte Viereckschanzen und mittelalterliche Werkstätten.

In ihrer Abschlussrede stellt Haller ein laufendes Forschungsprojekt vor, das mit moderner Lasertechnologie historische Straßen im Landkreis rekonstruiert, die aus der Luft nicht mehr zu erkennen sind - beispielsweise ein Teil einer Römerstraße, die durch den Ebersberger Forst führte. Sie bildete die Grundlage für die mittelalterliche Salzstraße zwischen Bad Reichenhall und Augsburg, die später München zu seinem Reichtum verhalf.

Poinger Zeitreise Teil 2

Etwa 40 geschichtsinteressierte Poinger begleiten Archäologin Petra Haller auf ihrer Tour durch Poing.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Als der Bürgermeister und andere Würdenträger schon unterwegs zu den nächsten Terminen sind, beantwortet Haller noch die Fragen der Teilnehmer, denen sie trotz der etwas chaotisch abgelaufenen Tour ein Leuchten ins Auge gezaubert hat. Interessierte können die archäologische Kulturroute in Ruhe jederzeit auf eigene Faust erkunden. Wer sich schon mit etwas mehr Hintergrundwissen auf die Reise in Poings wilde Vergangenheit begeben möchte, kann sich die Stelen vorab im Internet unter www.poing.de/leben-freizeit/kultur/zeitreise-2 ansehen. Die archäologische Kulturroute ist die zweite Route, die zu interessanten Plätzen in der Gemeinde führt. Die Route entlang der historischen Ortsbebauung wurde 2017 eröffnet, eine dritte Route zur zeitgenössischen Architektur ist derzeit in Planung.

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