Kulturfeuer Ebersberg:Weltall mit Einschüssen

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Die weißrussische Band "Serebryanaya Svadba" veranstaltet beim Kulturfeuer im Alten Speicher eine schräge, zirkusreife Show mit Musik, Videos, Theater, Slapsticks, Clownerien und einer Menge schriller Effekte

Von Peter Kees, Ebersberg

Aufgeheizt hat sie den Saal, ordentlich für Stimmung gesorgt, die weißrussische Band Serebryanaya Svadba ("Silberhochzeit") bei ihrem Auftritt am Samstag beim Ebersberger Kulturfeuer im voll besetzten Alten Speicher. Laut war das Konzert, schräg und pompös. Um die hyperaktive Sängerin Benka formierten sich sieben Musiker: eine Geigerin, eine Keyboard-Spielerin, ein Gitarrist, ein E-Bass-Spieler, ein Schlagzeuger sowie ein Trompeter und ein Posaunist. Der Auftritt der Formation war nicht nur Konzert, er war ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Videoprojektionen, Theaterelementen, Slapstick, Clownerie und Zirkus.

Permanent flimmerten Videos im Hintergrund, künstlerisch gestaltete Animationen, mal als Trickfilm, mal als Kunstvideo produziert. Da sah man Super-8-Filmästhetik, comicartige Momente, grafische Muster, Weltallbilder, fliegende Menschen, Raumschiffe, schwebende Blumen oder schlicht Filmausschnitte. In einem überdehntem Zoom wurde beispielsweise ein Blick ins Weltall geworfen: der Mond wuchs und wuchs, als ob er unter die Lupe genommen würde. Andere Bilder ruckelten beim Spiel mit rhythmischer Gestaltung. Es gab auch Momente, da meinte man durch ein buntes Kaleidoskop zu blicken.

Ein Höhepunkt war sicher, als die Sängerin ein Podest bestieg und sich ihr Kopf inmitten einer projizierten Zielscheibe befand, sie eine von innen leuchtende Trommel umschnallte und darauf marionettenhaft einschlug. Auf dem Video waren nach und nach immer mehr Einschüsse zu sehen. Dabei wurde eine Tondichtung von Friedrich Hollaender zum Besten gegeben, freilich nicht im Original. Dem schloss sich sogleich das Antikriegslied, der Marlene-Dietrich-Song "Sag mir wo die Blumen sind" an. Die Botschaft war klar. Auch dieses Lied wurde in ganz eigener Weise interpretiert, frei und weit vom Originalton der 60iger Jahre entfernt.

Während des Konzertes wähnte man sich fast ein wenig wie in einem einstigen Interhotel, in dem bestens für Animation gesorgt wird. Die Musik klang schräg und dröhnend. Man schien sich auf einer Tanzveranstaltung, vermeintlich irgendwo im weißrussischen Minsk zu befinden. Verwunderlich nur, dass Zuschauer nur vereinzelt tanzten.

Die einzelnen Musiker waren jedoch leider kaum zu hören, denn die Tonmischung war derart überladen, dass lediglich ein breiiger Sound entstand. Hippelig und energetisch die Sängerin, schrill ihre Stimme. Dass sie eine neue Edith Piaf sei, wie dem Werbetext der Veranstaltung zu entnehmen ist, trifft sicher nicht zu. Die Ruhe, die Tiefe einer Piaf kam hier nicht zum Vorschein. Vielmehr eine ganz eigene, spezielle Qualität, in ihrer Art durchaus versiert. Was die Dame kann, ist, bestens zu unterhalten. Das ging bis zum Schunkeln, besonders beim Lieblingslied der Band, das die Musiker in Hamburg aufgeschnappt haben: "Rum aus Jamaika", gewidmet trunkenen deutschen Seeleuten. Das Publikum ging begeistert mit. Der Rhythmus der Band ist durchweg stark. Ein wenig wird man an serbokroatische Musik vom Balkan erinnert, die es auch in Russland so ähnlich gibt.

Auffallend originell war die Inszenierung. Requisiten, Kostüme wurden eingesetzt. Die Musiker spielten kleine Szenen miteinander. Ein großartiger Moment: Über die ansonsten nicht beleuchtete Bühne wurde zu Bertholt Brechts Gedicht "Der Himmel ist grau" nur weißes Rauschen projiziert.

Auch Ausflüge nach Frankreich unternahm die Band, Frauenträume im Dreivierteltakt etwa und ein Liebeslied über den gleichnamigen Film "Die Liebenden von Pont-Neuf" samt Bildern aus dem Werk dazu. Schade war, dass man die Texte in der Regel nicht verstehen konnte. Auch wenn die Solistin einzelne Liedzeilen auf deutsch oder französisch sang, so blieb sie doch meist bei ihrer russischen Muttersprache. Das hat mit Sicherheit seinen klanglichen Reiz, nur konnte man dem Erzählten nicht folgen, auch wenn die Titel der Songs von der Keyboarderin übersetzt angesagt wurden.

Unterm Strich: Das Konzert der "Silberhochzeit" war ein starker Abend mit reizvollen Szenen und Songs, sowie einer schrägen, zirkushaften Inszenierung, die mit heftigem Applaus bedacht wurde.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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