Kultur im Stadl:Berliner erobern Ottersberg

Beim Wettstreit der Finalisten um den Schweiger-Kleinkunstpreis gewinnt ein freches Quartett von der Spree.

Rita Baedeker

Pliening - Geübte Querdenker sind sie alle, jene vier für den Schweiger-Kleinkunstpreis nominierten Finalisten, die sich am Samstagabend im Ottersberger Kulturstadl dem Votum des Publikums gestellt haben. Ob sie nun, wie die Ausschreibung es vorsieht, Klein- oder Großkünstler sind, Faxenmacher, Reimverbiaga oder Gitarrenzupfa, himmlische Österreicher, Konsonanten weichspülende Franken oder waschechte Berliner: Am Ende entscheidet der Stimmzettel über die Platzierung - und darüber, wer mit dem von Erich Schweiger verliehenen Preisgeld von 1000, 700, 500 oder 300 Euro nach Hause fahren wird.

Bei allem gebotenen Misstrauen gegen Publikumsentscheide: Im Stadl sitzen kabaretterfahrene Zuschauer, Stammgäste offenbar der alle zwei Jahre stattfindenden Verleihung. Weil die wissen, dass es hier heraußen gern "zapfig" (Moderator Werner Meier in Anspielung auf den Veranstalter der Stadlkultur, Rudi Zapf), also schattig, werden kann, haben sie Decken, Anoraks und, zur Schonung des Sitzfleisches, Kissen mitgebracht. Manche schleppen sogar eine portable Rückenlehne mit, die man an der Bank festschrauben kann. Wer die Wahl hat, hat die Qual - ein lahmes Kreuz kann er dabei nicht gebrauchen.

Völlig zu Recht setzt das Publikum das Berliner Ensemble Vocal Recall sowie den jungen Linzer, der sich "Blonder Engel" nennt, auf die Plätze eins und zwei. Sonst eher unüblich, liegt dem Auditorium dieses Mal die ferne Hauptstadt näher als der Nachbar Oberösterreich.

Auf den dritten Platz rutscht Jakob Nacken, ein junger Mann, dessen unglamouröse, aber staunenswerte rhetorische und musikalische Präsenz ebenfalls einen 2. Platz verdient hätte. Ein bisschen fehlt bei ihm das Timing, manches zieht er arg in die Länge, verkauft seine Texte, darunter der im Stil einer Live-Reportage vorgetragene gereimte "Mitschnitt" eines Wettstreits zwischen Goethe und Schiller, die einander kurz und klein dichten, etwas unter Wert.

Nur eine einzige Stimme trennt ihn am Ende übrigens von Mia Pittroff. Ihr vierter Platz zeigt, dass fränkischer Zungenschlag, zwei, drei zündende Gags und ein, zugegeben, sehr komisches Couplet über Jürgen, einen Mann mit zwei Gesichtern, nicht ausreichen, um zu gewinnen. Nicht mal die von ihr herumgereichte Chipstüte ist geeignet, das Publikum, das vor der Vorstellung im Biergarten gut und üppig gegessen hat, wirklich zu überzeugen.

Die Berliner hingegen haben den Saal im Griff. Kaum, dass Werner Meier einen "tollen Abend" versprochen hat, klettern Alice, Dieter, Mathis und Pianist Martin auf die Bühne und singen sich mit einer in originelle Arrangements verpackten Mischung aus Satire und Wortwitz à la Heinz Erhardt durch Klassiker wie "Pretty Woman" und "Für Elise". Der Song "Uptown Girl" muss herhalten für dadaistische Sprachspielereien wie "den Kühlschrank musst du abtau'n, Girl!"

Und was sich die Vier auf Elise zusammenreimen, sollten Beethovenfreunde, sofern humorlos, besser gar nicht erfahren. Das Ganze als geniales Geschnatter zu werten, wäre jedoch zu einfach. Die Künstler, allen voran Filmkomponist und Pianist Martin Rosengarten, sind sehr gute Musiker; sie haben schelmischen Witz und verströmen den nostalgischen Charme einer Boygroup.

Ebenfalls eine Entdeckung: Der "blonde Engel" (Felix Schobesberger), der mit freiem Oberkörper "Sitzmusik" zelebriert. Neben einem improvisierten Blues zum bewegenden Thema "Achselhaare" singt er, in schönster Wiener Tradition, das Lied vom Hypochonder, der weiß, was als Frage auf seinem Grabstein stehen wird: "Glaabt's ma's jetzt?"

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