Kultur im Landkreis:Hohe Schule des Sehens

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Von Freitag an zeigen die Glonner Fotofreunde in der Galerie Klosterschule ihre Jahresausstellung

Rita Baedeker

GlonnUm die Welt von oben zu betrachten und abzubilden, lassen sich Fotografen schon mal was einfallen. Karsten Borgmann, Mitglied der Fotofreunde Glonn, die am Freitag ihre Jahresausstellung eröffnen, hat zum Beispiel einen Modellhubschrauber gekauft und diesen, eine Kamera an Bord, per Fernsteuerung aufsteigen lassen, um Bilder von Glonner Dachgärten zu schießen. Die Aufnahmen gestatten reizvolle Einblicke ins Leben unter dem Himmel und offenbaren eine kleinteilige, vielgestaltige Dachlandschaft mit Pflanzenkübeln, Klappstühlen und einem verwirrenden Mosaik an Formen, Farben und Linien.

Auch die anderen Mitglieder des Clubs zeigen sich als Meister der Perspektive, des aussagekräftigen Details. Jeder der 14 Kreativen hat eine oder mehrere Serien geliefert. Das ist das Reglement" sagt Vereinsvorsitzender Sebastian Kugler. "Einzelbilder nehmen wir nicht."

Er wiederum hat auf der Insel Sylt neue und für ihn überraschende Ein- und Aussichten gewonnen. Eigentlich, sagt er, sei er ja Griechenlandfan. Dieses Mal aber ist er in den Norden gefahren und sei überwältigt gewesen von Wolken, Wellen und Watt, von der Lichtstimmung am Horizont, von der Weite des Himmels und den grafischen Reizen, die Balken und Buhnen, Steine und Strände, demjenigen Fotografen bescheren, der nichts dagegen hat, um fünf Uhr früh aufzustehen und beim Streifzug über die Insel patschnass zu werden.

Die Mitglieder der Fotofreunde sind Autodidakten. Mit einer Ausnahme: Inge Kolb, gut achtzig Jahre alt, ist Profi. Und das sieht man. Drei Serien stellt sie aus, die, jede für sich, den Betrachter in Bann ziehen. In einer hat sie mehrere Tiere porträtiert: "Große Tiere mit kleinen Augen - und kleine Tiere mit großen Augen" heißt die Serie, bei der man den intensiven Blick von Katze und Eule, die Sanftmut der Ziege fast körperlich spürt.

Zum Verein der Fotofreunde, der sich den Zusatz "Forum für zeitgenössische Fotografie" gegeben hat, gehören unter anderem Lehrer, ein Kunstschmied, ein Geologe und ein ehemaliger Richter. Jeder wählt frei seine Themen. Deshalb umfasst das Spektrum der Ausstellung so unterschiedliche Welten wie Sport, Architektur und Landschaft, Porträts und Kinder. Manche Serien tragen poetische Titel wie zum Beispiel "Wolken-Drama". In der Bretagne hat Horst Ehrenberg das Schauspiel der aus Wasserdampf und Staub bestehenden, zu phantastischen Gebilden sich türmenden Himmelserscheinungen eingefangen. Ein Gedicht auch die Stillleben von Günter Schüler, der surreal wirkende Nahaufnahmen verrottender, vom Schnee niedergedrückter Blätter des Frauenmantels und Eisreste in den Schlaglöchern eines Feldwegs in ein Sinnbild des Vergehens verwandelt.

Schülers Bilder wirken wie eine Zwischenstation hin zur abstrakten Malerei mit der Kamera. Etwa Gisela Wimmers "Blumenimpressionen", die mit gezogener Kamera entstanden sind. Blüten und Blätter verschwimmen zu Farbfeldern. Und auch ihre Serie "Chromteile" spielt mit der Formensprache moderner Kunst. Blankes Metall aus der Chamberlain-Präsentation in der Pinakothek der Moderne erfährt, von technischer Funktionalität befreit, neue Wirkung und Deutung.

Die Gabe, besser zu sehen als der Rest der Menschen, eint gute Fotografen. Diese Begabung besitzt auch Axel Unger, der bauliche Details des neuen, 90 Meter hohen Büroturm des ADAC zu faszinierenden Studien kondensiert, etwa indem er mehrere geöffnete Fenster in der überwiegend gelben Fassade oder einen horizontal verlaufenden Riegel in den Mittelpunkt rückt. Nicht von oben, aus der Vogelschau betrachtet er sein Motiv, sondern frontal von vorne. Beide Sichtweisen öffnen den Horizont.

Die Ausstellung der Fotofreunde Glonn öffnet am Freitag, 28. Oktober, um 19.30 Uhr, in der Galerie Klosterschule. Geöffnet ist am 29./30. Oktober und 5./6. November, Samstag von 14 bis 18, Sonntag von 10 bis 18 Uhr.

© SZ vom 27.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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