Kultur für die Jugend:Rendezvous der Gefühle

An diesem Freitag beginnen in der Volksfesthalle Ebersberg die Kulturtage des Kreisjugendrings. Zu den Höhepunkten gehört das Projekt mit Flüchtlingen, die mit ihrer Musik auf ihre trostlose Lage hinweisen

Valerie Schönian

Die Volksfesthalle der Stadt verwandelt sich dieser Tage in ein buntes Gesamtkunstwerk. Am Montag haben die Aufbauarbeiten für die Kulturtage Ebersberg begonnen. Stoffe in vielfarbigen Mustern werden über Sofas geworfen, LED-Lampen neben Lampions und Sternen an der Decke befestigt und dazwischen Scheinwerfer montiert, die den Saal in die gewünschte Farbe tauchen. "Wir wissen jetzt noch nicht, wie es am Ende aussieht", sagte Chris Singer, Vorsitzender des Kreisjugendrings (KJR), am Mittwoch. "Aber die Kulturtage sind kreativ - wir auch."

Von diesem Freitag an findet zum vierten Mal das Kulturfestival des Kreisjugendrings statt. "Wir wollen der Jugend in Ebersberg wieder Kultur näher bringen, weil die sonst einschläft", sagt Daniel Hitzke, stellvertretender Vorsitzender. "Dafür haben wir versucht, ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine zu stellen, das jeden anspricht." Das Ergebnis ist eine Mischung aus harten Punk-Bässen und elektronischer Musik, eine Verflechtung von improvisiertem Theater und spontaner Lyrik, regionalen Bands und populären Indie-Formationen.

Die Veranstaltung startet am Freitag um 18 Uhr: Die Gruppe "Movimento" vom Gymnasium Grafing heizt dem Publikum mit akrobatischen Kunststücken und einer Feuershow ein. Im Anschluss klingt es elektronisch, unter anderem mit einem DJ aus Berlin vom Label Audiolith, das durch Bands wie "Frittenbude" deutschlandweit bekannt ist. Mit Musik geht es am Samstag weiter. Verschiedene Bands - von Hip Hop bis Punk - stehen auf der Bühne. Vor dem Auftritt des Headliners, "The Intersphere" aus Mannheim, kündigen Musiker aus dem Landkreis deftige Töne und das Aufbrechen alter Vorurteile an. So wie die Band "Punchers Plant", die beweist, das Punkrock Definitionssache ist. Die Mitglieder kommen aus Haar, Vaterstetten und Neukeferloh und machen "New School Punkrock", wie es Gitarrist und Sänger Andy Keymer nennt: "Bei uns trifft Härte auf Melodie." Seit sieben Jahren seien er und seine Kollegen mit dem Punkrock "verwurzelt". Daneben studieren sie, promovieren oder arbeiten. "Nach allgemeiner Definition sind wir so was von nicht Punkrock", sagt Keymer lachend. "Aber wenn Punkrock bedeutet, gemeinsam sein Ding zu machen, Energie zu haben und die Musik zu leben und zu lieben, dann sind wir ziemlich Punkrock." Wegen Studioaufnahmen für ihr neues Album "How to escape" ist es ihr erster Live-Auftritt seit langem. "Wir freuen uns, Teil der Kulturtage zu sein und endlich live unsere neuen Songs vorzustellen", sagt Keymer.

Das Podest wird aber nicht nur für die Akteure aufgebaut. "Wenn gerade nichts auf der Bühne spielt, kann jeder drauf springen", sagt Veranstalter Hitzke. So soll auch kreativen Köpfen aus der Region die Möglichkeit gegeben werden, sich zu präsentieren - jeder kann zum Künstler werden. Selbst Kunst zu machen, sei vor allem für junge Leute wichtig, erklärt Wolfgang Schorlau. Der Stuttgarter Autor liest am Montag in Ebersberg aus seinem Krimi-Roman "Die letzte Flucht" vor. Die Kulturtage sind eine Station auf seiner Lesetour, er kommt direkt aus Köln nach Ebersberg. Viele Erwartungen im Leben würden erst im Nachhinein bedeutungsvoll. "Aber Kunst ist, wenn Gedanken und Gefühle sich begegnen."

Die haben bei den Kulturtagen mehrere Rendezvous. Beim Improvisationstheater "fast food" entstehen aus Gedanken und Gefühlen der Schauspieler Szenen aus dem Stegreif. Auch der Misanthrop aus München am Mittwoch gibt im Rap-Format seine Gedanken kund, um direkt bei den Gefühlen der Zuschauer zu landen. Bei dem Poetry Slam am nächsten Freitag ist jeder eingeladen, dasselbe zu tun.

Ein weiteres Highlight der Kulturtage ist das politisch-künstlerische Projekt mit der Band "Strom und Wasser" von Heinz Ratz. Auch Hitzke freut sich auf diesen Auftritt am meisten: "Es ist etwas, das man sonst nicht so sieht." Der Kieler Musiker Ratz hat in den vergangenen Jahren 80 Flüchtlingslager in ganz Deutschland besucht. "Ich war geschockt von der Lage", sagt er, "ich wollte etwas Tolles machen aus dem Elend und es gab überall viele Musiker." Also hat er mit 25 von ihnen eine CD herausgebracht, seit Mai touren sie durch Deutschland. Wie viele Flüchtlinge Ratz begleiten, variiert, weil die Asylbewerber nur mit einer Erlaubnis reisen dürfen. In Ebersberg werden wahrscheinlich zehn von ihnen auf der Bühne stehen: aus Gambia, der Elfenbeinküste und Afghanistan. Sie alle haben keine permanente Aufenthaltsgenehmigung und könnten jeder Zeit abgeschoben werden. "Wir wollen den Zuschauern ihre Musik vorstellen, die unglaublich modern ist und die Isolation der Flüchtlinge aufbrechen soll", sagt Ratz. Er hoffe, dass danach ein Gespräch zwischen Mitmusikern und Publikum über die Flüchtlingslage entsteht. "Die Situation in den Lagern ist undemokratisch und ein Verstoß gegen die Menschenrechte", findet Ratz.

Headliner der Kulturtage Ebersberg sind die "Kilians". Die Band hat schon auf Festivals wie "Rock im Park" und als Vorband von "Coldplay" gespielt. Mit ihnen endet am 15. September das Festival, das die Kultur um Landkreis wachrütteln soll. Mindestens!

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