Süddeutsche Zeitung

Kultur:Ein quicklebendiger Jubilar

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Das Alte Kino in Ebersberg feiert einen fulminanten 25. Geburtstag - mit Kabarett, Sandkunst, Literatur und Jazz aus dem Landkreis

Von Claus Regnault, Ebersberg

Der Mensch feiert gern und lässt sich gerne feiern. Aber während er für Jubiläen höhere Zeitregionen, so ab dem 50. Lebensjahr, bevorzugt, weiten Institutionen diese gerne schon aufs Kindesalter aus. So häufen sich Feste zum fünf- oder zehnjährigen Bestehen in beängstigendem Maße, Zeichen unserer kurzlebigen Zeit. Das Ebersberger Alte Kino hat es nun immerhin auf 25 Jahre gebracht, ist also längst im Stadium der beginnenden Reife. Die Feier war ein dementsprechend fulminantes Ereignis.

Dass sich das Alte Kino mit seinem vielfältigen Programm aus Kabarett und Musik so lange gehalten hat, ist die Initialfolge der Tatsache, dass Ebersberg Glück mit seinen Bürgermeistern hatte und hat, mit dem inzwischen legendären Bürgermeister Hans Vollhardt und seinem Nachfolger Walter Brilmayer, beide offensichtlich Kulturmenschen, denen es gelungen ist, Ebersberg zu einer beispielhaften Kulturstadt zu formen. Beide nahmen natürlich an dem Geburtstagsfest teil.

Um bei den Legenden zu bleiben: An diesem Abend feierte man auch Helmut Mayer, eine Vaterfigur, die als Leithammel die tumbe Herde aus Ebersberg und Grafing einst in die würzigen Gefilde des Jazz geführt hat. Mayer, begabter Trompeter und Pianist, wirkt noch immer als Arrangeur süffiger Jazzthemen, mit denen sich die Eingangsgruppe des Abends, Jazz in the Box, von ihrer besten, wohl einstudierten Seite zeigte. Außerdem ließen Joachim Jann (Altsax), Chris Naleppa (Tenorsax), Peter Sigel (Posaune), Tom März (Piano), Michael Liese (Bass), Sepp Schmölz (Trompete und Kornett) und Frank Haschler (Drums) den Mitjubilar Mayer in seinem Arrangement des Count-Basie-Evergreens "Jive at five" auch am Piano zu Ton kommen - großer Jubel! Auch Sepp Ametsbichler, der andere Jazzbeweger der Region, wurde an den Bass gerufen - nach einer launigen Einführung Haschlers: Da die Gruppe ein "Sepp-tett" sei, gehöre natürlich auch Sepp an den Bass.

Moderiert wurde der Abend von Peter Voith, einem frühen Mitglied der legendären Grupo di Valtorta - die Erinnerung an sie ist untrennbar mit dem Alten Kino verbunden. Deshalb hielt die Geburtstagsrede auch das Schlachtross der Valtorta, Alexander Liegl: ein verschmitztes Kabarettstück, in welchem er mit gleichfalls verschmitztem Grinsen alle an diesem Jubiläum Schuldigen, einschließlich der Bürgermeister, im Hinblick auf die Jugend des Alten Kinos als Kinder bezeichnete. Brilmayer übrigens kündigte an, dass die Stadt ein großzügiges Geschenk beisteuern werde: Ein halbes Feuerwerk!

Auch im weiteren Abend ging es bunt zu. Da trat die Jugendgruppe der Musikschule mit einer verwegenen Bearbeitung des berühmten Kanons von Pachelbel auf, danach die Sand-Art Künstlerin Frauke Menger - neben Liegls Rede das zweite Highlight des Abends. Die Aßlingerin zauberte mit ungemeiner Präzision Sandbilder auf die Leinwand, Vergänglichkeiten aus der Wüste, die sich, Spannung erzeugend, erst nach und nach zum jeweiligen Motiv formten, wobei jedes Bild unmerklich schon in das nächste überging. Ein aufregendes Transformationserlebnis, welches sich unter dem Jubel des Publikums zu Botschaften wie "We are one world" und "Happy birthday Altes Kino" steigerte. Dazwischen eine befriedende Geste des Alten Kinos an den Kulturkreis Ebersberg, der wegen der beiderseitigen Programmgestaltung stets ein wenig in Konkurrenz zum Hause stand: Die scheidende Vorsitzende des Kulturkreises, Angelika Kratzer, las zum Abschied zwei mild-heitere Stücke des großen Feuilletonisten Alfred Polgar.

Zum Abschluss noch einmal Jazz in the Box, diesmal mit kundigen Arrangements des Pianisten Tom März, darunter besonders eindrucksvoll Benny Golson's "Killer Joe". Erfreulich der Beitrag von Trompeter Sepp Schmölz, des jüngsten Mitglieds der Gruppe, der von mal zu mal zeigt, dass er sein Instrument besser und aussagekräftiger beherrscht. Toll auch ein Paukensolo (!) von Frank Haschler, dem Grafinger Pendant zu Markus Bachmeier vom Alten Kino, denn beide sind echte Kulturarbeiter der Region. Bedanken muss man sich daher auch bei der längst in alle Winde zerstreuten Valtorta-Gruppe dafür, dass sie ihr früheres Mitglied mit dem besten Riecher für erfolgreiche Programmgestaltung und deren Wirtschaftlichkeit in Ebersberg zurückgelassen hat. Und zu guter Letzt: Viele fröhliche Jubiläen und Kulturerfolge für das Alte Kino!

"Jazz in the Box" ist bald wieder zu erleben: Am Sonntag, 8. Oktober, um 11 Uhr spielt die Formation in der Kostbar des Grafinger Rewe-Markts zum Frühschoppen. Der Eintritt ist frei.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2017
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