Süddeutsche Zeitung

Künstler aus Vaterstetten:Der mit dem Glas spielt

Wenige wussten, dass er Professor war: Trotz seiner Verdienste blieb der Glasmaler Arno Bromberger bescheiden. Nun wird nach einer kleinen Odyssee ein Mosaik in der Pfarrkirche ausgestellt

Von Franziska Langhammer, Vaterstetten

Stoisch ist sein Blick, die linke Hand gehoben, etwas Friedliches geht von ihm aus. Seit einigen Wochen hängt das Mosaik mit dem schönen Titel "Christus über den Dächern" in der Pfarrkirche Vaterstetten. Jeder, der den östlichen Ausgang benutzt, kommt an dem Kunstwerk vorbei und kann dabei dem steinernen Christus direkt in die Augen sehen.

Geschaffen hat das fast mannshohe Mosaik Arno Bromberger, ein Vaterstettener Glasmaler und Mosaikist, der im Jahr 2006 verstorben ist. Das Mosaik ist ursprünglich Teil eines acht Meter hohen Bildes, das er in den 1970ern für die evangelische Kirche im schleswig-holsteinischen Hohenlockstedt angefertigt hatte. "Der Hauptteil davon hat meinem Mann so gut gefallen, dass er es für sich noch mal nachgemacht hat", erzählt Kunigunde Bromberger, seine Frau, am Telefon. Bis vor wenigen Jahren lebte sie in ihrem Haus in Vaterstetten, das innen wie außen viele Kunstwerke ihres Mannes schmückten. Das Mosaik mit dem Christus-Motiv war an einer überdachten Hauswand im Freien angebracht. Fritz Bayerlein, ein Arzt aus Vaterstetten, der Arno Bromberger persönlich kannte, beschreibt dessen ehemaligen Wohnsitz so: "Das Haus, ein kleines, spitzgiebliges Gebäude aus den 1950ern, war eigentlich ein Museum, geprägt von kleinen Werken."

Als Kunigunde Bromberger dann den Hausstand auflöste, bemühte Bayerlein sich gemeinsam mit der Gemeindearchivarin Ulrike Flitner, möglichst viele dieser kleinen wie großen Kunstschätze zu bergen. "Das Mosaik hat mich sehr angesprochen", erzählt Bayerlein. Deswegen beschloss er gemeinsam mit dem damaligen Vaterstettener Pfarrer, das Werk in Decken eingeschlagen in der Pfarrei zu lagern.

Nachdem das Kunstwerk längere Zeit unbeachtet blieb, wurde es auf Betreiben von Fritz Bayerlein und dem jetzigen Pfarrer, Hajo Brennecke, wieder hervorgeholt.

Schnell war der Ausstellungsort an der Ostseite des Kircheninneren gefunden. "Eine Wand, die danach gerufen hat", beschreibt es Bayerlein, "ein letzter Impuls, bevor man wieder ins Leben hinausgeht."

Obwohl er schon seit vielen Jahren tot ist, hat Arno Bromberger mit seiner Kunst dafür gesorgt, nicht in Vergessenheit zu geraten - in Vaterstetten nicht, aber auch in vielen Kirchen in ganz Deutschland. Bromberger, geboren 1921 in München als Sohn des berühmten Kunstmalers Otto Bromberger, war vor allem für seine Kirchenfenster bekannt. "Er hat viel mit kräftigen Farben und Licht gearbeitet", erzählt Gemeindearchivarin Ulrike Flitner. Unter anderem schuf er vierzehn Kirchenfenster in Traunreut, ein Altarfenster in Rieneck, und gemeinsam mit seinem Förderer und Kollegen Joseph Oberberger ein farbiges, rundes Altarfenster in Pforzheim.

"Kirchenfenster haben ihm am meisten Spaß gemacht", erinnert sich seine Frau Kunigunde. "Der Professor Oberberger hat ihn ausgebildet, und dann ist er da so richtig rein gewachsen." Dabei kommt Arno Bromberger erst über den zweiten Bildungsweg zur Glasmalerei. Kurz vor Kriegsbeginn, im Jahr 1936, beginnt er eine Lehre bei den "Vereinigten Süddeutschen Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei" in München. Danach folgen Arbeits- und Militärdienst. 1947 beginnt er dann ein Studium bei Oberberger an der Akademie der Bildenden Künste in München, das er vier Jahre später abschließt.

Ende der 1950er, da haben die Brombergers bereits drei Kinder, zieht die Familie nach Vaterstetten in die Carl-Zeller-Straße. Langsam, aber stetig erklimmt Arno Bromberger die Karriereleiter: Zuerst wird er Fachlehrer, dann Fachoberlehrer, Studienrat und schließlich Honorarprofessor an der Akademie der Bildenden Künste. "Ein unglaublich bescheidener Mann", erzählt der Arzt Fritz Bayerlein. "Kaum jemand hier in Vaterstetten wusste, dass er Professor war." Ihr Mann habe jahrelang die Werkstätten der Akademie geleitet, erzählt Kunigunde Bromberger. "Dort mussten die Studenten ihre Meisterstücke machen. Es gab alles an Material, was man sich denken kann." Ein Paradies für einen kreativen Freigeist wie Bromberger, der sich gerne an unterschiedlichen Arbeitsweisen und Kunststilen versuchte.

Unter den Werken, die derzeit das Gemeindearchiv Vaterstetten beherbergt, finden sich unter anderem moderne Glasskulpturen zum Aufhängen, naive Auf-Glas-Malerei, bunte Tonschüsseln, die typisch Brombergschen Hinterglasmalereien - und runde Glasbilder, die entweder emblematische Kirchen und Sehenswürdigkeiten aus der Region zeigen, oder Heilige darstellen. "Mein Mann hatte sehr, sehr viele Auftragsarbeiten", erzählt Kunigunde Bromberger, "von 1950 bis 1981 hat er fleißig gearbeitet." Die Menschen aus Vaterstetten kamen etwa zu ihm, um zum Namenstag eines Familienangehörigen ein solches Glasbild fertigen zu lassen. "Das war für viele Bürger ein Stück Heimat", fasst es Archivarin Flitner zusammen. Auch ein Mosaik im Hallenbad Vaterstetten stammt aus seiner Hand, sowie ein Altarfenster in der katholischen Pfarrkirche der Gemeinde.

Aus gesundheitlichen Gründen, erzählt Kunigunde Bromberger, hörte ihr Mann mit 60 Jahren dann auf zu arbeiten. "Zu Hause hat er aber immer weitergemacht", sagt sie. Für den Keller kauften sie einen Brennofen und richteten eine Werkstatt ein, außerdem ein kleines Atelier zum Malen. Immer wieder seien, auch in seinem Ruhestand, Menschen aus der Umgebung gekommen und hätten ihn darum gebeten, etwas für sie anzufertigen, zum Beispiel auch Familienwappen. "Mit 80 hat er noch gemalt", erinnert sich seine Frau. "Wenn er das nicht zuhause hätte machen können, wäre er eingegangen wie eine Primel."

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SZ vom 28.08.2021
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