Süddeutsche Zeitung

Kuhzucht in Frauenneuharting:"Die Susi hat quasi zur Familie gehört"

Die Wiesers betreiben ihren Zuchtbetrieb in Frauenneuharting bereits in dritter Generation - und kennen deshalb auch die Schattenseiten des Geschäfts.

Von Andreas Junkmann, Frauenneuharting

So eine Kuh wie es die Susi war, wünscht sich jeder Züchter. Ein wahres Prachtexemplar von einem Tier, gut gebaut, prall gefülltes Euter und gepflegtes braun-weiß geflecktes Fell. In ihrem Leben hat Susi rund 115 000 Liter Milch gegeben und zehn Mal gekalbt. "Das war für uns schon eine Ausnahmekuh. Die Susi hat quasi zur Familie gehört", sagt Konrad Wieser aus Frauenneuharting, auf dessen Hof sie 13 Jahre lang zu Hause war. Wieser ist einer von mehreren Landwirten im Landkreis Ebersberg, die mit der Fleckviehzucht ihr Geld verdienen. Dazu gehört aber eben auch, sich immer wieder von Tieren zu trennen - und so ging es auch für Susi schließlich auf den Viehmarkt nach Mühldorf.

"Das ist schon nicht so einfach. Man hängt an jeder Kuh, die man verkauft", sagt Konrad Wieser, wenn er sich an seine Susi zurückerinnert. Doch der 51-Jährige muss - genau wie alle anderen Züchter - wirtschaftlich denken. Gerade weil die Zeiten für Wieser und seine Kollegen wegen immer neuer Regulierungen zunehmend schlechter werden. Der Landwirt kann die Entwicklung gut beurteilen, hat er doch die Kuhzucht von Kindesbeinen an gelernt. Zusammen mit seiner Frau Christine und Sohn Konrad junior betreibt Wieser den Hof in Frauenneuharting nun bereits in dritter Generation. Etwa 60 Kühe stehen im Stall, jedes Tier hat hier noch einen Namen.

Die Aufzucht der Kühe unterscheide sich gar nicht so sehr von der normalen Fleckviehhaltung, sagen die Wiesers. "Züchtung bedeutet im Grunde genommen ja nur, dass man mit einer gezielten Bullenauswahl versucht, nicht optimale Merkmale jeder einzelnen Kuh zu verbessern", erklärt der 23-jährige Konrad junior. Was einfach klingt, ist inzwischen aber zu einem hochtechnischen Prozess geworden.

Während man früher vor allem auf Glück und Zufall hoffen musste, kann die Nutzleistung der Tiere heute relativ präzise gesteuert werden. "Vor etwa 20 Jahren lag das Hauptaugenmerk auf der Steigerung der Milchmenge", sagt Konrad Wieser. Doch die Ansprüche haben sich geändert. Seine Frau zeigt einen Prospekt mit Zuchtbullen. Darin sind, ähnlich wie bei einem Quartettspiel, Werte für Fitness, Fruchtbarkeit oder Langlebigkeit aufgeführt. Das Kalb kommt sozusagen aus dem Katalog.

"Die Langlebigkeit macht eine Kuh erst rentabel"

Eine Garantie für den perfekten Nachwuchs ist das freilich nicht. Die Merkmale des Bullen werden mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 50 Prozent vererbt. Dennoch lässt sich laut Wieser die Zucht dadurch recht gut steuern. Und gesunde, fitte Kühe zu haben kommt nicht nur dem Bauern zugute, sondern werde heute auch in gewisser Weise gesellschaftlich gefordert, sagt Sohn Konrad. Es gehe nicht mehr darum, die Kühe schnellstmöglich bis zum letzten Tropfen auszumelken und sie dann zur Schlachtbank zu führen. "Die Langlebigkeit macht eine Kuh erst rentabel", so der Nachwuchslandwirt.

Durchaus rentabel kann auch der Verkauf der Tiere sein. Die wichtigste Anlaufstelle für Kuh- und Bullenzüchter aus der Region ist hierfür der Viehmarkt in Mühldorf, wo gerade das Fleckvieh aus dem Landkreis wegen seiner guten Qualität regelmäßig hohe Erlöse erzielt. Auch die Wiesers sind in Mühldorf mit ihren Tieren vertreten. Die Nachfrage sei schon recht hoch, sagt Konrad Wieser.

Tiere, die auch als Schlachtvieh verkauft werden können, gingen besonders gut. "Am Ende bestimmt aber immer die Qualität den Preis." Eine gute Kuh im besten Alter könne um die 2000 Euro bringen. Wenn die Kühe der Wiesers unter den Hammer kommen, sind sie im Schnitt fünf Jahre alt und haben etwa 54 000 Liter Milch gegeben. Der Preis wird schließlich durch eine Auktion bestimmt, bei der jeder mitbieten kann.

Natürlich wollen die Landwirte ihre Tiere auf dem Zuchtmarkt bestmöglich präsentieren - "und da hängt viel Arbeit dran", wie Wieser sagt. Die Kühe werden nicht nur geschoren und gewaschen, sondern bekommen auch noch eine Klauenpflege. Unmittelbar vor der Versteigerung steht dann noch eine tierärztliche Untersuchung an.

"Für uns ist es wichtig, dass die Zucht in Bauernhand bleibt"

Unterstützt werden die Landwirte vom Zuchtverband, der sich nicht nur um die komplette Abwicklung kümmert, sondern den regionalen Betrieben auch eine Plattform zum Austausch bietet. "Für uns ist es wichtig, dass die Zucht in Bauernhand bleibt", sagt Konrad Wieser junior. Durch offene Märkte wie in Mühldorf könne man verhindern, dass Besamungsstationen zu viel Einfluss gewinnen.

Hilfe bekommen die Züchter aber nicht nur vom Verband, sondern auch von den staatlichen Beratern. "Das sind die wichtigsten Leute bei der Zucht", so Wieser. Die Beratung sei dem Landwirt zufolge neutral und vor allem derzeit noch kostenlos. Neben regelmäßigen Besuchen auf dem Hof bereiten sie auch die sogenannte genomische Selektion vor, bei der mittels DNA-Analyse das Erbgut der Bullen ausgelesen wird.

Auch beim Embryotransfer, einem weiteren Griff in die biologische Trickkiste, sind die Bauern auf Unterstützung angewiesen. Hierbei werden Embryonen aus einer Spitzenkuh entnommen und auf Spenderkühe übertragen, die schließlich die Kälber zur Welt bringen.

Doch trotz der technischen Möglichkeiten, die den Züchtern heutzutage zur Verfügung stehen, kämpfen viele von ihnen - auch im Landkreis - mit Problemen. Da wäre zum einen die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Arbeit. Ein Beispiel dafür ist die Enthornung der Jungtiere, für die sich die Landwirte immer wieder Kritik gefallen lassen müssen. Das sei aber aus Sicherheitsgründen - sowohl für die Kuh selbst, als auch für den Züchter - unumgänglich, erklärt Konrad Wieser junior. Es werde aber daran gearbeitet, auch das genetisch zu regeln. So könnten Kälber künftig bereits ohne Hornwuchs geboren werden. "In etwa zehn Jahren wird das dann Standard sein."

Gut möglich jedoch, dass es bis dahin einige Betriebe gar nicht mehr geben wird. Denn noch mehr als jede gesellschaftliche Kritik setzt den Züchtern die staatliche Reglementierung zu. "Das ist zur Zeit unser größtes Problem", sagt Konrad Wieser. Er spielt damit auf die 2017 abgeänderte Düngeverordnung an. Züchter dürfen demnach deutlich weniger Tiere als zuvor auf der vorhandenen Fläche halten, erklärt Wieser. Außerdem müsse der Gülle-Überschuss für viel Geld exportiert und im Gegenzug Mineraldünger eingekauft werden. "Das führt dazu, dass viele Betriebe abstocken müssen oder sogar ganz aufhören, wenn es nicht mehr wirtschaftlich ist."

Und auch die 115 000-Liter-Kuh Susi ist in ihrem hohen Alter zumindest indirekt noch der Düngeverordnung zum Opfer gefallen. "Eigentlich war geplant, dass sie ihr Gnadenbrot bei uns bekommt", sagt Konrad Wieser. Da man sich inzwischen aber genau überlegen müsse, welche und wie viele Tiere noch auf dem Hof bleiben können, hatte Susi das Nachsehen gegenüber ihrer jüngeren und vor allem wirtschaftlicheren Artgenossen. Ein Abschied, der den Wiesers besonders schwer gefallen ist - der aber auch zum Geschäft eines Züchters gehört.

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SZ vom 15.06.2019/koei
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