Kritik:Als wäre Gerhard Polt gekommen

Ringlstetter und Zinner im alten Kino

Donnerstagabend im Alten Kino: Zinner, der Oberbayer (rechts) mit Ringlstetter, dem Niederbayern - zwei, die sich trotzdem gut verstehen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hannes Ringlstetter und Stephan Zinner lösen beim Ebersberger Kabarett-Publikum eine Begeisterung aus wie lange nicht

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Kabarett im Alten Kino lockt heimliche Pfeifenraucher an, ein Jazzpublikum, moralisch gefestigt, "Ebersberg hoid". Mit ihrer Analyse haben die Männer auf der Bühne sicherlich recht. Das Ebersberger Publikum ist ja nicht gerade für Ausgelassenheit bekannt, was so einen Auftritt auch mal spannend machen kann, für den der oben steht. "Wir spielen oft auf dem Land, vor lauter Bauernschädel - des is heute ganz anders", hieß es dazu noch, ehe der jüngere von beiden zu einer geschmeidigen Salve ausholte, da reichte ein kurzer Nebensatz: "Nach Steinhöring aber wenns'd fahrst..." Da hatten sie im Alten Kino schon Freudentränen in den Augen.

Es gibt ja kaum etwas schöneres, als wenn einer gegen das Nachbardorf austeilt. Weil Humor in seiner Einfachheit und Direktheit manchmal am effektivsten ist. Zwei Kabarettisten, die diese Kunst bis in die Haarspitzen beherrschen, sind Stephan Zinner, 43, und Hannes Ringlstetter, 47. Wobei Zinner kaum mehr Haarspitzen hat, ähnlich wie Ringlstetter, mit dem er an diesem Donnerstag auf der Bühne im Alten Kino in Ebersberg steht. Sie lesen vor, spielen Gitarre und vor allem: Sie erzählen, frei von der Leber weg (ja, Alkohol ist ein Leitmotiv dieses Abends). Zinner, der Oberbayer, zusammen mit Ringlstetter, dem Niederbayern - zwei, die sich trotzdem gut verstehen. Meistens zumindest.

Ringlstetter erzählt die Geschichte vom Dorfalkoholiker. "Eine Eiche sauft 10 000 Liter Wasser am Tag, und de Oide regt sich wegen zehn Hoibe auf." Es geht derb zu, krachert bis gschert, ohne erkennbare Rücksicht auf irgendwen. Mit kleinen Ausnahmen, wenn Zinner zum Blues-Solo ansetzt, was gut passt, bei Gästen, denen man Jazz-Affinität nachsagt. Oder wenn Ringlstetter sein bekanntestes Stück, das Niederbayern-Lied, anstimmt. Da wird es still an den Tischen. Ehe die nächste Pointe wie ein Ruck durch den Saal geht.

Es ist ein Abend, an den sich die 140 Gäste im ausverkauften Alten Kino noch länger erinnern dürften. Nicht weil das Fernsehen da ist, sondern weil das Duo im Scheinwerferlicht einen solch pointierten Auftritt hinlegt, dass es selbst dem zwidernsten Grantler die Mundwinkel nach oben biegt. Wäre es im Alten Kino nicht so eng, wahrscheinlich wären einige vor Begeisterung unter dem Tisch gelegen, so sehr machten die zwei Stimmung. Es waren Szenen, wie man sie in Ebersberg zuletzt erlebte, als Bayerns berühmtester Humorist Gerhard Polt in die Stadt kam, knapp vier Jahre ist das her. Die Ebersberger sollen schwierig zu bespaßen sein? Davon ist an diesem Abend nichts zu merken.

Es wird nicht einfach, das zu toppen, auch nicht für Helmut Schleich, einen Meister seines Fachs, der am Samstagabend mit seinem neuen Programm ins Alte Kino kommt. Im Gegensatz zu Schleich sind Zinner und Ringlstetter auf der Bühne wenig politisch, abgesehen von kleinen Spitzen, wie diese zum Thema Antisemitismus. "Vielleicht wird jetzt am Königsee das Echo auch abgeschafft", sagt Ringlstetter - der nächste Lacher im Saal. Recht viel mehr Politik liefern sie nicht, wer auf einen Seitenhieb Richtung Markus Söders Kreuz-Politik hoffte, wartete vergeblich.

Es braucht hier aber weder Schleichsche Politsatire, noch Poltsche Tragikomik. Zinner und Ringlstetter sind keine Parodisten. Sie sind sie selbst auf der Bühne. Und dabei wie ein eingespieltes Sturmduo beim Fußball, das sich gegenseitig mit Vorlagen beglückt, so dass jeder mal einnetzen darf. Wobei sie sich den Ball manchmal auch gegenseitig abluchsen: Der bekennende wie bedauernswerte Sechzger-Anhänger Ringlstetter etwa hat gerade einen Witz erzählt, worauf Zinner zum Folge-Kalauer ansetzt. Da unterbricht ihn sein Sturmpartner: "Lass die Leute erst einmal zu Ende klatschen." Der Saal tobt.

Das raffinierte am Duett Zinner/Ringlstetter - das sieht man oft, wenn sie gemeinsam auftreten: Es wirkt nicht einstudiert, sondern spontan. Zinner gönnt sich etwa einen Seitenhieb auf das Verkehrschaos in Ebersberg. "Da ich länger an der Straß' dort im Stau g'standen bin, hab ich viel Bob Dylan gehört." So leitet er seine bayerische Version von "Blowing in the wind" ein. Weil das Leben eine Reise ist, singt Zinner. Dann wird er wieder derb: "Viele nehmen Drogen, andere heiraten eine Frau." Das grenzt an Chauvinismus und taugt dem Publikum unheimlich gut. So einen Satz würde man von Ringlstetters Partnerin in seiner TV-Show nicht hören. Die wöchentliche Sendung ist aber auch nicht so lustig. Am Ende erheben sich viele Gäste von den Stühlen, minutenlanges Klatschen. Pfeifenraucher und Jazzliebhaber? Vielleicht ist das Ebersberger Publikum moralisch doch weniger gefestigt als gedacht.

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