Krise im Jagdverband:"Ich war unbequem. Und das gefiel einigen nicht"

Lesezeit: 5 min

Mechtild Maurer bei einem Treffen im Januar in ihrer Kanzlei in Hohenlinden - einem zum Büro umgebauten Bauernstadel. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mechtild Maurer war knapp drei Jahre lang im Präsidium des Bayerischen Jagdverbands - ihre erneute Kandidatur zog sie wegen Drohungen zurück. Im Interview spricht sie über ihre Gegner, die Probleme im Verband und ihre Position als Frau.

Interview von Korbinian Eisenberger

In ihrer Kanzlei ist sie durchs Fenster schon von weitem an der roten Bluse zu erkennen. Sie wird gleich über ihren Rückzug aus dem Präsidium des Bayerischen Jagdverbands (BJV) sprechen. Und über jene Drohungen, die dazu führten. "Ich werde Methoden finden, sie zu vernichten", lautet eine. Sie, damit ist Mechtild Maurer aus Hohenlinden gemeint, bis vor Kurzem die Landesschatzmeisterin des BJV. Maurer arbeitet als Mediatorin und Steuerberaterin, in diesem Moment steht sie allein im Büro und telefoniert. Ihre zweistöckige Kanzlei ist ein alter Bauernstadel, der großflächig verglast wurde. Man kann sie also nicht hören, aber sehen.

SZ: Frau Maurer, mit diesen Räumen ist Ihnen gelungen, etwas Altes zu modernisieren, ohne es kaputt zu machen. Beim Bayerischen Jagdverband haben Sie das auch versucht.

Mechtild Maurer: Genau. So, dass es transparent ist, funktionell und dass man gerne hingeht.

Bayerischer Jagdverband
:Frag doch mal die Jäger

Der Jagdverband will seine Mitglieder im Netz mehr mitreden lassen - bis bei einer Umfrage unbequeme Antworten kommen.

Von Christian Sebald

Beim BJV haben Sie den Versuch unternommen, etwas zu verändern, das Sie nicht gut fanden. Ist Ihnen das gelungen?

Ich habe vielerlei Verbesserungen vorgenommen. An neuralgischen Stellen wurde es schwierig - weil es da um persönliche Interessen ging. Das führte zu Dissonanzen im Präsidium.

Hintergrund ist ein Streit um den Führungsstil im Verband. Ein Mitglied reichte eine Anzeige wegen Verdachts der Untreue und Unterschlagung ein. Bisher hat sich das so nicht bestätigt, die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Nun haben Sie Ihre Kandidatur zur Wiederwahl als Schatzmeisterin zurückgezogen. Lag das vor allem an den Bedrohungen, die Sie zitiert haben?

Mit den Zitaten wollte ich klar machen, in welchem Klima ich mich bewegt habe. Der Hauptgrund für meinen Rücktritt war aber die Verantwortung dafür, dass da wieder Frieden einkehrt. Wenn der, der den Finger in die Wunde legt, ihn nicht wieder rausnimmt, kann kein Frieden einkehren.

Sie zitieren: "Schlachte sie, lieber Jürgen, dann hast Du am schnellsten wieder Ruhe in Deinem geliebten Verband." Sie, damit sind Sie gemeint, die - mittlerweile - Ex-Schatzmeisterin. Mit "Jürgen" ist vermutlich der langjährige Präsident Jürgen Vocke gemeint. War der Verfasser ein Verbandsmitglied und wie haben Sie davon erfahren?

Ja, ein Mitglied. Das Schriftstück wurde mir zugespielt.

Haben Sie die Person damit konfrontiert?

Ich bin diesen Dingen nicht nachgegangen. Ich bin Mediatorin und lebe auch so. Mir sind solche Eskalationen fremd.

Im Fall der Anzeige sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Was war Ihr Streitpunkt?

Mich hat interessiert, ob im Verband steuerlich alles mit rechten Dingen zugeht. Das ist die originäre Aufgabe eines Schatzmeisters. Mir wurde vorgeworfen, dass ich mich zu sehr einmische.

Worum ging es Ihnen bei all dem?

Der Bayerische Jagdverband ist gemeinnützig, das ist die umfassendste Steuerbefreiung, die wir in unserem Land haben. Deswegen sind die Anforderungen entsprechend hoch.

Ihr Verdacht ist, dass der BJV diesen Anforderungen zuletzt nicht gerecht wurde?

Es ging los im September 2019 mit dem ersten Wirtschaftsprüfungsbericht. Meiner Ansicht nach hätte das Ergebnis Anlass für Verbesserungen sein müssen. Da war ich konsequent, aber unbequem. Und das gefiel einigen nicht.

Sie zitieren ein Verbandsmitglied mit der Empfehlung, sich einen anderen Wirtschaftsprüfer zu suchen, der den Prüfbericht beschönigen soll. Wie kam es dazu?

Der Bericht der Wirtschaftsprüfer deckte sich mit meinen Eindrücken. Was ich festgestellt hatte und was diese Buchhaltung hergab, das haben die Prüfer formuliert und im Verband vorgetragen. Es hätte in jedem Fall ein verändertes Verhalten und Reaktionen gebraucht.

Der Bayerische Jagdverband (BJV), der mit seinen 50 000 Mitgliedern gut zwei Drittel der Jäger im Freistaat vertritt, steckt seit Monaten in einer Krise. Das Foto zeigt einen Jägerstand im Bereich des BJV-Kreisverbands Ebersberg. (Foto: Christian Endt)

Was genau meinen Sie?

Es geht um die Frage, welche Ausgaben der Verband übernimmt und welche nicht. War es ein Businesslunch oder ein privates Mittagessen? Es gab meinen Recherchen nach sehr fragliche Spesenabrechnungen, die Vergütung der Präsidiumsmitglieder ist formal umstritten.

Was heißt "formal umstritten"?

Mitglieder, die über das Präsidium abstimmen, müssen wissen, worum es genau geht. Etwa, dass sie auch über die Höhe der Vergütung abstimmen. Die Frage, ob diese Prozedur im Verband - auch aus steuerlicher Sicht - korrekt durchgezogen wurde, ist aus meiner Sicht nach wie vor strittig.

Wie hoch sind diese Vergütungen?

84 000 Euro fürs komplette Präsidium, davon 60 000 für den BJV-Präsidenten.

Ein gutes Jahresgehalt.

Ein gemeinnütziger Verein hat das hohe Ziel der Selbstlosigkeit. Er darf auf keinen Fall seinen Mitgliedern oder den Organen monetäre Vorteile verschaffen. Es ist ungewöhnlich, dass ehrenamtliche Positionen überhaupt vergütet werden, außer mit einem Sitzungsgeld von vielleicht 25 Euro. Trotzdem kann eine gemeinnützige Einrichtung davon abweichen und eine höhere Aufwandsentschädigung zahlen. Das erfordert aber dann - und darum geht es mir - eine komplett transparente Herangehensweise nach ganz strengen Regeln.

Wie hoch ist diese Vergütung in anderen Landesverbänden in Deutschland?

Meines Wissens werden die üblicherweise im Ehrenamt ausgeübt, also ohne Vergütung.

Führte die Prüfung nun zu der von Ihnen geforderten Transparenz?

Die Wirtschaftsprüfer haben vieles von diesen Dingen zutage gebracht. Die Reaktion im Präsidium war aber konträr. Es wurde versucht, die Ergebnisse unter den Tisch zu kehren. Etwa, indem man Gegengutachten machte und Termine platzen ließ.

Sie traten erst im Lauf des Wahlkampfs um die Neuwahl des Präsidiums von ihrer Kandidatur zurück. Was ist in dieser Zeit passiert?

Das war die zweite Phase der Bedrohung, erst sollten die Ergebnisse verhindert werden, dann ich. Da merkten nun einige: Sakradi, jetzt ist diese Maurer immer noch da. Solange die da ist, ist keine Ruhe. Nur so kann ich mir die Bedrohungen erklären.

Diese Schreiben kamen womöglich nicht von beliebigen Mitgliedern des Verbands?

Das ist richtig.

Sie kennen sich mit der Materie und dem Steuerwesen gut aus. Wäre es nicht vielmehr verantwortlich gewesen, zu bleiben und den Finger in der Wunde zu lassen?

Diese Entscheidung, nicht mehr anzutreten, habe ich getroffen, kurz nachdem die Finanzverwaltung die Betriebsprüfung angeordnet hatte. Sie ist die einzige Behörde, die hier von Relevanz ist. In dem Moment war klar, das wird jetzt aufgeklärt.

Also sahen Sie Ihre Mission erfüllt?

Es gab für mich keinen anderen Weg mehr. Ich kann nicht eineinhalb Jahre Änderungen fordern und dann nach einer Prüfung der Finanzverwaltung erklären: Wir haben doch alles richtig gemacht, was habt ihr denn überhaupt?

Mit wie vielen Frauen hatten Sie innerhalb des Präsidiums zu tun?

Wir waren in dem Zwölf-Personen-Gremium zu zweit.

Die BJV-Kreisgruppe Ebersberg berichtet, dass die Zahl der weiblichen Mitglieder und damit der Jägerinnen zunimmt. Wie ist ihre Wahrnehmung?

In den Kreisgruppen sind schon eine Reihe von Frauen in der Vorstandschaft, in Ebersberg sind wir zu zweit. Der klassische Aufgabenbereich ist interessanterweise die Schatzmeisterei, es gibt auch weibliche Vorsitzende. In der Führungsriege der Kreisgruppen ist der Anteil aber noch nicht so hoch wie in den Jagdkursen. Da haben wir mittlerweile Frauenquoten von 20 Prozent und mehr.

Was sagen Ihre jüngsten Erfahrungen über den Stand der Frau in Bayerns Jägerschaft aus? Haben diese Beleidigungen etwas mit Ihrem Geschlecht zu tun?

Manchen Männern fehlt die Methode, wie man mit Frauen umgeht. Da habe ich Varianten kennen gelernt. Versuche, mir mit Ehrenabzeichen zu schmeicheln, damit ich einlenke. Hinzu kommen eindeutige Einladungen und Drohungen.

Warum ist es Ihnen als Mediatorin nicht gelungen, diese wie Sie es ausdrücken, Eskalationen zu verhindern?

Meine Methode ist: Ich erkenne das Problem, stelle es ab und dann ist Ruhe. Damit kamen aber einige nicht zurecht.

Ärgern Sie sich manchmal, dass Sie sich zurückgezogen haben?

Ich habe dieses Ehrenamt mit viel Herzblut gelebt, und es waren im Schnitt 20 Stunden in der Woche. Es ist mir ganz schwer gefallen, meine Kandidatur zurückzuziehen, weil ich viel angeschoben hatte. Wir waren kurz vor der Auswahl einer neuen Software für die Mitgliederverwaltung. Es tut mir leid, dass ich das nicht mehr abschließen konnte. Ich habe allerdings eng mit den Mitarbeitern zusammen gearbeitet, die können jederzeit übernehmen.

Was ist die Herausforderung bei der Jagd, die der neue Präsident Ernst Weidenbusch mit seinem Gefolge zu meistern hat?

Ich glaube, dass wir in einem noch nicht vorstellbaren gesellschaftlichen Umbruch sind. Wir befinden uns in einem Dreiecks-Dilemma: Naturschutz hat andere Ziele als Klimaschutz - als Tierschutz. Der Jagdverband muss sich Gedanken machen, wie alle Landnutzer - Landwirte, Forstwirte, Familienbetriebe und Waldbesitzer - miteinander zum Gelingen beitragen können. Gegeneinander werden wir es nicht schaffen.

Sind Sie noch Mitglied?

Ich bin weiter in der Kreisgruppe Ebersberg und dort im Vorstand als Schatzmeisterin nach wie vor nah dran an der Jagd.

© SZ vom 21.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Jagdgesetz
:Baumschutz mit dem Gewehr

Bisher schützen die Waldbauern Neupflanzungen vor Wildverbiss. Nun sollen das nach dem Willen von Landwirtschaftsministerin Klöckner die Jäger übernehmen. Der Preis könnte ein Wald ohne Wildtiere sein.

Von Rudolf Neumaier

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: