Die Szenen, die sich am späten Nachmittag des 20. April vergangenen Jahres vor einem Wohnhaus in Poing abspielten, wirkten wie aus einem Actionfilm. Tatsächlich aber wollten zwei Kriminalbeamte in Zivil einen Drogendealer festnehmen. Gerade hatte sich der Mann in seinen Ford Focus gesetzt, die Scheibe an der Fahrerseite war heruntergelassen. Einer der Kriminalbeamten lief zu dem Mann, zeigte ihm seinen Dienstausweis und sagte: "Grüße Gott die Polizei." Zu mehr sei er nicht gekommen, berichtete der 35-Jährige am Freitag vor der 2. Strafkammer am Landgericht München II.
Auf der Anklagebank sitzen zwei Herren mittleren Alters in Anzügen. Sie müssen sich unter anderem wegen unerlaubten Handeltreibens mit Heroingemisch verantworten. Der Fahrer des Ford, ein 53 Jahre alter Schreiner aus dem Landkreis, habe sofort den Gang eingelegt und sei losgefahren, so der Kriminalbeamte. Der Fahnder hing in diesem Augenblick mit dem Oberkörper in dem geöffneten Fenster des Pkw. Er hatte versucht durch die Lenkradspeiche an den Zündschlüssel zu kommen. Das Auto aber hatte einen Startknopf. Vor dem Wagen stand ein geparkter Pkw und der Kollege des Kriminalbeamten.
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Um nicht eingequetscht zu werden, rettete sich dieser mit einem Sprung auf die Motorhaube. Der Fahrer legte darauf den Rückwärtsgang ein und fuhr "schneller als in Schrittgeschwindigkeit" los, wie es in der Anklage heißt. Währenddessen hing der andere Beamte noch immer mit dem Oberkörper im Fahrerfenster. Er wurde etwa 30 Meter mitgeschleift. Sein Kollege lag auf der Motorhaube. Dann prallte der Pkw gegen einen Gartenzaun.
Der Beamte, der sich auf der Motorhaube festgehalten hatte, ging nach dem Aufprall an die Beifahrerseite und forderte den Schreiner auf, aufzugeben. Doch der legte erneut den Vorwärtsgang ein. Der Kriminalbeamte, der im Fenster auf der Fahrerseite hing, konnte jedoch die Handbremse ziehen und den Motor ausschalten. Wäre er während der Fahrt mit einem Fuß unter das linke Vorderrad gekommen, hätte er überrollt werden können. Doch der 35-Jährige hatte Glück. Er zog sich nur leichte Blessuren zu.
"Ich möchte mich aufrichtig entschuldigen"
"Ich möchte mich aufrichtig und in aller Form entschuldigen", sagte der Schreiner zu dem Beamten nach dessen Vernehmung am Freitag. Der 53-Jährige gestand die Vorwürfe aus der Anklage. Für diesen Fall hat ihm das Gericht eine Haftstrafe zwischen fünf und fünfeinhalb Jahren zugesichert. Darauf haben sich der Vorsitzende Richter Stefan Weickert, mit Staatsanwalt Michael Meyer und der Verteidigung in einem Rechtsgespräch verständigt.
Neben dem Schreiner sitzt ein 49-jähriger Karosseriebauer auf der Anklagebank. Ihm wird vorgeworfen, an jenem 20. April 6,4 Gramm Heroingemisch von dem Schreiner gekauft zu haben. Ihm stellte das Gericht eine Haft zwischen zwei Jahren und zwei Jahren sechs Monaten in Aussicht, unter der Bedingung, dass er ein Geständnis ablegt. Auch der Karosseriebauer räumte die Vorwürfe ein.
Nach der Festnahme der beiden Männer hatte die Polizei deren Wohnungen durchsucht. In der des Schreiners fanden die Ermittler 13 500 Euro Bargeld, knapp 26 Gramm Heroingemisch und eine CO₂-Pistole. Im Magazin befanden sich Eisenkugeln. In der Wohnung des Karosseriebauers entdeckten die Ermittler unter anderem 109 Gramm Marihuana und insgesamt 30 Gramm Heroingemisch. Ein Urteil in dem Prozess wird kommende Woche erwartet.