Krimilesung in Grafing:In süßen Untiefen

Krimilesung in Grafing: Gebannt folgen die Zuhörerinnen und Zuhörer im Grafinger Fair-Weltladen den Worten von Krimiautor Tom Hillenbrand.

Gebannt folgen die Zuhörerinnen und Zuhörer im Grafinger Fair-Weltladen den Worten von Krimiautor Tom Hillenbrand.

(Foto: Christian Endt)

Tom Hillenbrand sorgt mit seinem Roman "Bittere Schokolade" für Heiterkeit aber auch Nachdenklichkeit im örtlichen Fair-Weltladen

Von Michaela Pelz, Grafing

In einem Supermarkt hat er schon gelesen - in einem Schaufenster noch nie. Doch Autor Tom Hillenbrand fühlt sich ausgesprochen wohl in dem bequemen Sessel aus recyceltem Sari-Stoff. Bis auf die Artikel in den Wandregalen ist der Verkaufsraum des Grafinger Fair-Weltladens leer geräumt für die Lesung aus "Bittere Schokolade", dafür sitzen aber bestimmt 70 Personen auf Stühlen vor dem Schaufenster. Sie alle wollen hören, wie Serienheld Xavier Kieffer den gewaltsamen Tod einer Chocolatière aufklärt und bei dieser Gelegenheit tief eintaucht in die Welt des Kakaos.

Eine, die die Auflösung schon kennt, weil sie den Roman bereits dreimal gelesen hat, ist Angela Reichmeyer vom Vorstand, die bei ihrer Begrüßung wissen will, wie der frühere Spiegel- Online-Ressortleiter zum Schriftsteller wurde. Die Antwort erheitert die Anwesenden nicht nur, sondern macht sie vor allem froh. Weil nämlich Hillenbrand der Anregung einer Sachbearbeiterin des Arbeitsamts Hamburg-Altona nicht gefolgt ist, das doch lieber zu lassen, um sich stattdessen als technischer Redakteur auf das Erstellen von Gebrauchsanleitungen zu konzentrieren.

Auch im weiteren Verlauf der insgesamt gut zweistündigen Veranstaltung bringt der Mann mit der sonoren Stimme viele launige Anekdoten, etwa wenn er über die Materialkosten bei der Recherche spricht - 650 Euro für Schokolade vom Spezialversand. "Aber keine Sorge, ich konnte es von der Steuer absetzen." Souveränität und schauspielerische Fähigkeiten beweist der 47-Jährige während der Lesung der hervorragend ausgewählten Passagen, bei denen ihm weder die Aussprache von "cacahuaquahitl" (= Kakao) noch der Wechsel ins Schwyzerdütsche Probleme bereiten, was vom Publikum mit großer Begeisterung quittiert wird.

Doch Hillenbrand kann seine Texte nicht nur gekonnt vortragen, er vermittelt auch jede Menge Informationen. Darüber, woran man einen luxemburgischen Namen erkennt, warum die Topografie der Hauptstadt hervorragende Bedingungen für Krimischriftsteller liefert, oder wie es gelang, die schon seit den Zeiten der Olmeken übliche Trinkschokolade in eine feste Form zu überführen.

Aber der Autor findet auch viele deutliche Worte: Vor allem für die großen Konzerne, die sich aus der Verantwortung stehlen sowie für den Verdrängungsmechanismus vieler Endverbraucher beim Thema Kinderarbeit in der Kakaobohnen-Ernte, welche notwendigerweise manuell durchgeführt muss: "Man weiß es, hat es aber direkt wieder vergessen."

Dass die vorhandenen Alternativen nicht nur für ein gutes Gewissen sorgen, sondern auch für ungeahnte Geschmackserlebnisse, zeigt sich in der Pause beim Stehimbiss in der von Vermieter Riederer zur Verfügung gestellten Halle hinter dem Laden. Dort kann man, neben süßem und salzigem Fingerfood, zubereitet von den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Ladens nämlich sowohl Pacari-Schokolade aus Ecuador probieren als auch die Produkte von fairafric, die das Münchner Unternehmen in Ghana herstellen lässt. Besonders apart - und angeblich perfekt in Verbindung mit Rotwein: Die Varianten mit Salz beider Hersteller.

Gut gesättigt, geht es nach einem Schlag auf den handgearbeiteten Gong aus getriebenem Metall weiter. Er hängt neben dem Sari-Sessel und stammt, ebenso wie die darüber befindlichen gefilzten Blumen, aus Nepal. Auch im zweiten Teil mischen sich Lesung und Information, bei der zu erfahren ist, dass es circa 400 verschiedene Kakao-Varietäten gibt und Hillenbrand sich die Kakao-Genomdatenbank und das "International Cocoa Quarantine Centre" keineswegs ausgedacht hat.

Bei der Fragerunde am Ende erklärt er, warum der Schauspieler und Krimiautor Gregor Weber als Saarbrückener für das Einsprechen der Hörbücher besser geeignet ist als er selbst. Außerdem kündigt er an, er werde nach dem Erscheinen von "Qube", der Fortsetzung des SF-Thrillers "Hologrammatica" im Februar 2020 und der Vollendung eines weiteren Romans wohl im März 2020 den nächsten Kieffer-Band beginnen. "Es gibt so viele Lebensmittelsauereien da draußen, da ist noch eine Menge Stoff übrig!" Die Chancen, ihn wieder live erleben zu können, stehen also gut. Zunächst aber lädt der Fair-Weltladen alle, die mehr über Kakaoherstellung wissen wollen, ein zur Filmvorführung von "Decolonize Chocolate" mit Verkostung, am Freitag, 22. November, um 19.30 Uhr ins Evangelische Gemeindehaus.

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