Rezept gegen Fachkräftemangel:20 auf einen Streich

Rezept gegen Fachkräftemangel: Stefanie Dieterle, stellvertretende Leiterin der Pflegefachschule, Landrat Robert Niedergesäß, Leiterin der Abteilung Zentrales am Landratsamt Brigitte Keller, Pflegedirektor Peter Huber und Klinik-Chef Stefan Huber (hinten, von links) freuen sich alle gleichermaßen über die neue Unterstützung in der Pflege.

Stefanie Dieterle, stellvertretende Leiterin der Pflegefachschule, Landrat Robert Niedergesäß, Leiterin der Abteilung Zentrales am Landratsamt Brigitte Keller, Pflegedirektor Peter Huber und Klinik-Chef Stefan Huber (hinten, von links) freuen sich alle gleichermaßen über die neue Unterstützung in der Pflege.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit Kurzem sind ausgebildete Pflegekräfte von den Philippinen an der Ebersberger Kreisklinik. In den kommenden drei Monaten werden die Frauen und Männer ihre Kenntnisse der Sprache und des Pflegesystems vertiefen. Dann geht es auf Station.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Die Stimmung ist gut - schon auf dem Flur vor dem Klassenzimmer ist immer wieder zu hören, wie auf der anderen Seite der Tür gelacht wird. Nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass die Frauen und Männer hier in der Ebersberger Pflegefachschule gut 11 000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt sind und es wohl eine ganze Weile dauern wird, ehe sie das nächste Mal dort sein können. Aber bei einer solch herzlichen Begrüßung scheint die Fröhlichkeit dann doch nicht so verwunderlich: Klinik-Chef Stefan Huber ist zusammen mit Landrat und Aufsichtsratsvorsitzendem Robert Niedergesäß, der Leiterin der Abteilung Zentrales am Landratsamt Brigitte Keller sowie Pflegedirektor Peter Huber in die Klasse von Stefanie Dieterle gekommen. Sie ist auch stellvertretende Schulleiterin und heißt gemeinsam mit den Gästen die 19 neuen Pflegekräfte von den Philippinen freudig willkommen. Denn sie werden schon bald an der Ebersberger Kreisklinik arbeiten.

"Wir haben lange auf Sie gewartet", sagt Landrat Niedergesäß - und es ist schwer zu sagen, wer mehr strahlt: er oder die Frauen und Männer vor ihm. "Um den Betrieb der Klinik aufrecht erhalten zu können, sind Sie sehr wichtig - unsere Freude ist riesig." Auch Brigitte Keller stimmt in diesen Tenor ein und bedankt sich bei den Neuankömmlingen, dass sie sich für die Kreisklinik als ihren neuen Arbeitsplatz entschieden haben.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Klinik gezielt Pflegekräfte aus dem Ausland akquiriert. Vor gut 20 Jahren waren es welche aus Nordmazedonien und dem Kosovo, wie Chef Stefan Huber berichtet. "Allesamt sind sie heute vollkommen integriert bei uns." Später bemühte sich die Klinik um Personal aus Kroatien und Serbien. Mit den insgesamt 18 Frauen und zwei Männern von den Philippinen ist es nun zum ersten Mal eine Gruppe von Fachkräften, die ihre Heimat außerhalb des europäischen Kontinents hat.

Warum aber die Philippinen? Das habe mehrere Gründe, wie Klinik-Chef Huber erklärt: Von anderen Kliniken wisse er, dass diese sehr gute Erfahrungen mit philippinischen Pflegekräften gemacht hätten - sowohl bezogen auf ihre fachliche Qualifikation als auch auf ihre Mentalität. "Es gibt ja sehr viele Agenturen in anderen Ländern, auch staatliche, die Pflegekräfte nach Deutschland vermitteln", sagt Huber weiter. Thailand, Spanien, Italien, Mexiko - die Philippinen sind nur ein Land unter vielen mit solchen Initiativen. Gerade mit geografisch recht nahgelegenen Ländern wie Spanien und Italien hat es laut Huber aber oft nicht so gut geklappt - die Heimat war zu nah, das Heimweh irgendwann zu groß. "Ich kenne Kliniken, die auch größere Gruppen von 20 Kräften akquiriert haben, da sind heute gar keine mehr oder nur noch eine übrig." Bei Personal von den Philippinen seien die Akquisen langfristig erfolgreicher verlaufen.

Auf den Philippinen werden mehr Pflegekräfte ausgebildet, als vor Ort nötig sind

Ein weiterer Aspekt, der für das asiatische Land spricht, ist für Huber, dass dort über den Bedarf hinaus ausgebildet werde - das bedeutet, es gibt mehr qualifiziertes Pflegepersonal als gebraucht wird. "Wir wollen durch eine Akquise ja nicht andere Länder schwächen, weil die Mitarbeiter dort selbst dringend gebraucht werden", sagt Huber.

Bis die Frauen und Männer vor gut einer Woche am Münchner Flughafen ankamen, hat es zweieinhalb Jahre Vorbereitungszeit gebraucht. Die ersten eineinhalb Jahre dauerte das grundsätzliche Prozedere, bis sich Klinik und Agentur über die Kooperation geeinigt hatten. Anhand eines Anforderungskatalogs wurde der Klinik dann eine Bewerberauswahl vorgestellt, wie Huber weiter erzählt. Im nächsten Schritt wurden per Videokonferenz Vorstellungsgespräche geführt, danach habe die Klinik eine Auswahl getroffen und den entsprechenden Bewerberinnen und Bewerbern ein Jobangebot unterbreitet.

Die vergangenen zwölf Monate waren gefüllt mit administrativen und bürokratischen Erledigungen: Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse, Anerkennung der beruflichen Qualifikationen - all sowas. Nun steht nur noch eine letzte Anerkennungsprüfung an, dann können die neuen Pflegekräfte ihre Arbeit in der Kreisklinik beginnen.

In vier bis sechs Monaten sollen die Neuankömmlinge voll einsatzfähig sein

Bis es soweit ist, werde es aber noch gut drei Monaten dauern, schätzt Huber. Zwar haben die Neuankömmlinge bereits auf den Philippinen alle ein Deutschzertifikat auf dem Niveau B2 erworben - in der Regel erreicht man in Deutschland dieses Sprachniveau automatisch mit dem Abitur - und auch vieles über das deutsche Pflegesystem gelernt. Aber das Wissen soll nun an der Pflegefachschule vertieft werden, auch die Deutschkenntnisse. Dann soll eine Einarbeitungszeit folgen und nach vier bis sechs Monaten, so Hubers Prognose, werden die Pflegekräfte voll einsatzfähig sein. Geplant ist, dass sie auf der Intensivstation, im OP-Bereich, in der Zentralen Notaufnahme sowie auf Normalstation arbeiten.

Pro Pflegekraft hat die Vermittlung übrigens zwischen 10 000 und 15 000 Euro gekostet. Darin enthalten sind die Kosten unter anderem für Sprachkurse bis zum Niveau B2, Schulunterricht, die Tätigkeit der Vermittlungsagentur und die Reise. Wer denkt, das sei ganz schön viel, liegt jedoch falsch, wie Huber betont. "Wenn wir eine Stellenanzeige im Deutschen Ärzteblatt setzen, dann kostet das zwischen 5000 und 10 000 Euro" - und dann sei das lediglich eine einzige Stellenanzeige, ohne Garantie für den Eingang von Bewerbungen geeigneter Jobkandidaten.

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