Wenn man wie ich mit Leuten von einer Tageszeitung zu tun hat, dann fällt dieser Tage ein Wort ziemlich oft: Sommerloch. Die nachrichtenarme Zeit hat begonnen: Viele Termine und Sitzungen, die in einem regelmäßigen Turnus stattfinden, fallen nun aus – und damit auch Ereignisse, Debatten und neue Entwicklungen, über die Journalistinnen und Journalisten ansonsten berichten. Bevor es die Pflegekolumne gab, war mir gar nicht bewusst, wie gut solche Zeiten vorbereitet werden müssen, damit trotzdem Interessantes in der Zeitung zu lesen ist. Da bin ich froh, dass sich das Sommerloch auf unserer Intensivstation ganz anders gestaltet: überhaupt nicht aufwendig.
Wir haben dann weniger Patienten zu versorgen als für gewöhnlich. Unsere Station ist darauf ausgelegt, bis zu 15 Patienten aufzunehmen – im Sommerloch liegen aber nur zwischen sechs und acht bei uns. Bei einer normalen Schichtbesetzung von sechs Pflegekräften heißt das, dass jeder von uns für einen Patienten zuständig ist. Ansonsten sind es zwei oder drei.
Zu einem großen Teil liegt die Ursache für unser Sommerloch bei unseren Chef-Chirurgen. Die operieren sehr viel, häufig elektive, also planbare Eingriffe. Sind sie nun in ihrem Sommerurlaub, gibt es weniger OPs und damit weniger Patienten, die danach zur Überwachung auf die Intensiv müssen.
Es ist ein anderes Arbeiten, von dem alle profitieren. Sonst sitzt mir die Zeit immer im Nacken – ich brauche Routine und einen ruhigen Kopf, um alle anfallenden Arbeiten bei zwei oder drei Patienten in einer Schicht zu schaffen. Das gilt erst recht, wenn es sich um in der Pflege aufwendige Krankheitsbilder handelt. Da muss ich Prioritäten setzen.
Im Sommerloch gibt’s kaum Prioritäten, weil ich Zeit habe, mich jeder Aufgabe gleich intensiv zu widmen. Ich arbeite dann noch ruhiger und kann mich noch mehr in meine Patienten hineinfühlen – in das, was sie gerade brauchen. Und ich bin in der Lage, ihnen das auch zu geben. Weil ich Zeit dazu habe.
Zweimal bin ich in den vergangenen Wochen zu Hause geblieben, obwohl ich eigentlich Dienst gehabt hätte. Wenn so wenig los ist, wird manchmal vor Schichtbeginn gefragt, ob jemand spontan freihaben möchte. Das muss niemand in Anspruch nehmen, aber es ist eine Möglichkeit, um Überstunden abzubauen – für Schichtdienstler ist das ansonsten nicht so leicht. Meistens bleibt nur einer von uns daheim, denn wir müssen trotzdem sicherstellen, dass die Versorgung auch mit neu hinzukommenden Patienten weiterhin klappt.
Und was noch schön ist: unser Vorrat an Steckerleis. Kürzlich erst hat eine unserer Ärztinnen fünf Schachteln mitgebracht, weil’s draußen so heiß war. Kurz darauf kamen noch drei Packungen von Angehörigen eines Patienten hinzu. Ganz schön viel Eis also, was sich in unserem Gefrierfach angesammelt hat. Aber kein Problem: Im Sommerloch haben wir genügend Zeit für entspannte Pausen – da schaffen wir es, so viel Eis aufzuschlecken.
Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 40-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.