In einer Hinsicht geht es bei uns auf der Intensivstation zu wie am Flughafen: Da wird auch ganz genau geschaut, wer oder was hinein- und wieder hinausgeht. Die Rede ist von unseren Medikamenten. Die lagern wir in Schränken in einem Durchgangsflur direkt hinter dem Pflegestützpunkt am Eingang zur Station – zentraler geht es nicht. Es ist wichtig, dass wir alle Medikamente bei einem Notfall schnell erreichen können. Deshalb können wir sie nicht im hintersten Eck unserer Station aufbewahren.
In einem der Schränke ist ein weiterer, kleiner Schrank eingebaut. Dort ist ein Sicherheitsschloss angebracht, das immer abgeschlossen ist. Zu Beginn einer jeden Schicht werden zwei von uns Pflegekräften jeweils mit einem Schlüssel betraut – mehr Exemplare gibt es nicht.
SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 114:Hitze auf der Intensivstation
Eigentlich sorgt eine Lüftungsanlage für angenehme Temperaturen auf der Station von Pola Gülberg - allerdings nicht, wenn sie kaputt ist. Bei der Pflegerin sorgt das für einen Blick in die Zukunft: Wie soll das werden, wenn es immer häufiger so heiß sein wird?
Die Medikamente in diesem Safe, wie wir das Schränkchen nennen, sind rezeptpflichtig: drei Dosierungen von Schmerzpflastern, zehn Präparate in Tablettenform und acht Ampullen-Medikamente. Sie alle fallen unter das Betäubungsmittelgesetz, deshalb dürfen sie zum einen nicht frei zugänglich aufbewahrt werden, zum anderen müssen wir ihren Bestand genau dokumentieren. Also: Wenn wir ein solches Mittel brauchen, notieren wir die entnommene Menge auf einer Liste mit Namen und Geburtsdatum des Patienten, dem eigenen Namen sowie dem des Arztes, von dem die Anordnung stammt.
Durchrutschen kann da nichts, denn wir sorgen vor: Wir Pflegekräfte kontrollieren dreimal am Tag den Bestand. Außerdem sind wir dazu angehalten, generell nachzuzählen, ob alles passt, wenn wir ein Medikament herausnehmen. Wenn sich dann herausstellt, dass etwas ohne dazugehörigen Austrag fehlt, wird dem sofort nachgegangen. So groß ist unsere Intensivstation nicht, wir bekommen also sehr genau mit, wer gerade einen Notfall oder einen Neuzugang hatte. Somit ist die Ursache für einen noch ausstehenden Austrag schnell gefunden. Denn wenn es pressiert oder der Patientenname noch gar nicht bekannt ist, ist ein sofortiger Austrag zunächst zweitrangig.
Wenn von einem Medikament, das unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, etwas übrig bleibt, zum Beispiel weil der Patient nicht den vollständigen Inhalt einer Spritze benötigt hat, dann muss die übrige Menge aus Hygienegründen spätestens nach 24 Stunden verworfen werden. Das bedeutet: Wir spritzen die Flüssigkeit in einen Mülleimer. Damit soll verhindert werden, dass jemand die Spritze mit dem Medikament klaut – mit Betäubungsmitteln wird ein Haufen Mumpitz getrieben, da kann es nicht penibel genug zugehen.
Deshalb gilt bei alledem auch das Sechs-Augen-Prinzip: Die Pflegekraft, die das überflüssige Mittel verwirft, dokumentiert die Menge in der Patientenakte – sowohl beim Verwerfen als auch bei der Dokumentation gibt es zwei Zeugen, die mit ihrer Unterschrift gewähren, dass alles richtig gemacht wurde. Gleiches gilt, wenn zum Beispiel mal eine Ampulle zerbricht. Alles kein Beinbruch, nur ordentlich dokumentiert muss es sein.
Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 40-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.