Kommunalpolitik:Kreis Ebersberg: Die Wahlbeteiligung befindet sich im freien Fall

Wahllokal

Symbolfoto.

(Foto: Günther Reger)

Die Kommunalwahl ist die direkte Einflussmöglichkeit des Wählers. Die Statistik seit 2002 zeigt aber: Immer weniger Landkreisbewohner wissen das zu schätzen.

Von Franziska Bohn, Ebersberg

"In der Kommunalpolitik wird das entschieden, womit die Bürgerinnen und Bürger jeden Tag unmittelbar konfrontiert sind", sagt Ebersbergers Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU). Doch mehr und mehr Menschen gehen nicht zur Wahl. Die Ergebnisse der Wahlbeteiligung findet er deshalb "schon traurig". Seit Jahren sinkt diese, vor allem bei den Kommunalwahlen, auch im Landkreis Ebersberg: Wenn im Jahr 2002 bei den Kommunalwahlen noch fast 66 Prozent der Bürgerinnen und Bürger im Landkreis zur Wahl gingen, waren es sechs Jahre später schon knapp unter 63 Prozent. Im Jahr 2014 sanken die Zahlen um weitere zehn Prozentpunkte.

Dabei liegt die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen in Bayern fast immer unter der bei Bundestags- und Landtagswahlen. Das verdeutlichen auch die Zahlen aus dem Landkreis: 2018 gingen landkreisweit fast 80 Prozent der Wählerinnen und Wähler zur Landtagswahl, bei der Bundestagswahl 2017 waren es sogar knapp über 84 Prozent. Das bestätigt auch Jörg Siegmund, er beschäftigt sich an der Akademie für Politische Bildung Tutzing mit Demokratie- und Wahlforschung: "Die Wahlbeteiligung lag bei Kommunalwahlen in Bayern seit Gründung der Bundesrepublik immer unter der Wahlbeteiligung bei Bundestags- und Landtagswahlen." Eine Ausnahme bildeten nur die Wahlen im Jahr 1990.

Für Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) sind die Kommunalwahlen besonders wichtig: "Die Kommunalpolitiker sind die, bei denen noch der Blickkontakt da ist. Die Auswirkungen der Wahl spürt man nirgends besser als bei der Kommunalwahl." Er sieht diese als große Chance. Warum nehmen trotzdem so viele Wähler diese nicht an?

Brilmayer sieht als Grund unter anderem, dass es bei ihm in Ebersberg viele Zuzüge gebe, bis zu 800 im Jahr. Die neuen Bürger haben dann häufig keine Bindung zum Ort und zur Kommunalpolitik aufgebaut. Auch Siegmund kann dieses Verhalten erklären. Für viele seien die Kommunalwahlen nicht so wichtig, weil die Bürger das Gefühl haben, es gehe bei Kommunalwahlen nur um die kleinen, die unwichtigeren Fragen: "Sie gelten als Nebenwahlen", erklärt Siegmund, "weil es bei ihnen eben nicht um Krieg und Frieden oder grundlegende Weichenstellungen etwa in der Wirtschaftspolitik geht, die nachhaltige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben". Zudem spielen laut Siegmund die Kommunalwahlen in den sogenannten Massenmedien keine so große Rolle. Dadurch können Wählerinnen und Wähler die Unterschiede zwischen den Parteien und Kandidaten nicht so gut erkennen.

Je größer die Gemeinde, desto niedriger die Wahlbeteiligung

In den vergangenen Jahren hat sich das Problem noch einmal verschärft. "Während Anfang der Fünfzigerjahre die Beteiligung bei Bundestags- und Landtagswahlen ungefähr zehn Prozentpunkte über der bei Kommunalwahlen lag, betrug diese Differenz bei den Wahlen 2013 beziehungsweise 2014 schon mehr als 20 Prozentpunkte", sagt Siegmund.

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Dabei sind Kommunalwahlen nicht unwichtiger als andere: Kommunalwahlen ermöglichten es den Menschen, ihr unmittelbares Umfeld mitzugestalten. "Sie wirken sich also in vielfacher Hinsicht ganz konkret auf unseren Alltag und die Gestaltung unserer Umgebung aus", unterstreicht auch Siegmund. Zudem könne man viel direkter mit den Politikern kommunizieren: "Dem Bürgermeister kann man auch eine Beschwerdemail schreiben, die Bundeskanzlerin würden die Wenigsten kontaktieren", ergänzt Hingerl.

Schaut man in die verschiedenen Orte des Landkreises, fällt eines auf: Je größer die Gemeinde, desto niedriger die Wahlbeteiligung. Hier ein Beispiel aus der Kommunalwahl 2014: Während sich in der Kreisstadt Ebersberg fast 54 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten, waren es im kleinen Moosach 20 Prozentpunkte mehr. "Je kleiner die Gemeinde ist, umso besser wissen die Wahlberechtigten, wer mit welchen Vorstellungen zur Wahl antritt", erklärt Wahlforscher Siegmund. Medien spielen als Vermittler dadurch eine kleinere Rolle. Zum anderen könne auch der soziale Druck eine Rolle spielen: Auf dem Land wisse der Nachbar, wenn man nicht beim Wählen war. Das könne zum Gang in die Wahlkabine motivieren, so Siegmund.

Um die Leute zu den Wahlurnen zu bewegen, gibt es in München eine Initiative, im Landkreis Ebersberg ist man da zurückhaltender. Große Wahlaufrufaktionen sind im Landkreis nicht geplant. Brilmayer verlässt sich auf die üblichen Wahlveranstaltungen der verschiedenen Gruppierungen und auf Wahlaufrufe im Stadtmagazin sowie Erklärungen, wie die komplizierte Wahl funktioniert.

In Ebersberg gibt es beispielsweise sechs verschiedene Gruppierungen mit 140 Kandidaten. "Da ist für jeden was dabei, nicht zur Wahl zu gehen wäre schade", sagt Brilmayer. Er erhofft sich für die Kommunalwahl im März 75 Prozent Wahlbeteiligung. "Nicht zur Wahl gehen und danach schnell kritisieren und gescheit daher reden geht nicht."

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