Kopfsprung in den Klostersee:Um Haaresbreite

Kopfsprung in den Klostersee: Auf dem Wasserwachtssteg ist nun ein Schild angebracht, welches das Hineinspringen verbietet.

Auf dem Wasserwachtssteg ist nun ein Schild angebracht, welches das Hineinspringen verbietet.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Ein junger Mann bricht sich bei einem Kopfsprung in den Klostersee mehrere Wirbel und entgeht nur knapp einer Querschnittslähmung. Jetzt verklagt er die Stadt Ebersberg auf Schadenersatz.

Von Alexandra Leuthner

Bei der Schilderung der Geschichte, die am Freitagmorgen im Landgericht München II verhandelt wurde, konnte es einem kalt den Rücken hinunter laufen. An einem Dienstag im Juli 2013 verabredet sich der damals 23-jährige Thomas S. mit einer Freundin zum Baden am Ebersberger Klostersee. Es ist heiß an diesem Mittag. Kurz vor den Ferien hätten viele Schüler früh Schulschluss gehabt, erzählte er im Gerichtssaal, es sei "gerammelt voll" gewesen, als er sich gegen 13 Uhr mit seiner Freundin auf die Liegewiese beim Wasserwachtssteg gelegt habe. Nach einer halben Stunde beschlossen beide, sich im See abzukühlen. Sie laufen also zum Steg, müssen dort kurz warten, weil andere Schwimmer vor ihnen ins Wasser springen, wie S. berichtet, und machen dann nebeneinander einen Kopfsprung in den See - der den jungen Mann wohl das Leben hätte kosten können.

Genau an jener Stelle nämlich, vom Steg aus gesehen etwas links zum Nichtschwimmerbereich hin, befindet sich im See eine kleine Untiefe. Und während seine Freundin wie so viele vor ihr problemlos ins tiefe Wasser eintaucht, prallt Thomas S. mit dem Kopf auf den Boden. Er habe sofort bemerkt, dass dabei etwas passiert war, berichtete sein Erdinger Anwalt Jörg Kaiser nach der Sitzung. Der 23-Jährige habe noch selbst aus dem Wasser steigen können. Dass er sich aber mehrere Hals- und Brustwirbel gebrochen hatte, mussten kurz darauf die Ärzte im Krankenhaus feststellen, wo ihn die herbeigerufenen Sanitäter hinbrachten. "Ein Millimeter hat gefehlt, und er wäre vom Hals ab querschnittsgelähmt gewesen", so der Anwalt.

Nun hat Thomas S. die Stadt Ebersberg verklagt, auf Schadenersatz in Höhe von 8000 Euro und, wie der Vorsitzende Richter am Landgericht II vortrug, die Erstattung von Behandlungskosten und eines Verdienstausfalls, zusammen knapp 1200 Euro. Ein Jahr lang habe sein Mandant nach der sofortigen Operation mit Reha-Maßnahmen zugebracht, berichtete Anwalt Kaiser, bis er soweit wieder hergestellt gewesen sei, "aber er hätte auch tot sein können, und das war wohl auch ein Grund zu klagen." Der Vater des jungen Mannes sei zu ihm gekommen und habe erklärt, nach dem was seinem Sohn zugestoßen sei, gehe es vor allem darum, dass nicht noch mal jemand hier verunglücke.

Der Stadt Ebersberg werfen S. und seine Familie vor, die Stelle nicht ausreichend markiert zu haben. Die Untiefe sei im Wasser ja nicht zu erkennen, erklärte der Kläger-Anwalt vor dem Richter, "da stellt sich schon die Frage, ob man da in einem Badesee nicht besondere Vorkehrungen treffen muss." Wenn der linksseitige Bereich des Stegs mit einer Kette abgesperrt wäre, könnte so etwas nicht passieren. "Dann muss jemand zumindest darüber steigen." Zwar stehe auf einem am linken Rand des Stegs angebrachten Schild "Wassertiefe 1 Meter", das aber könne man nur lesen, wenn man sich in Richtung des neben dem Steg gelegenen Nichtschwimmerbereichs wende. Vorn am Steg sei auch noch eine Leiter angebracht, über die man heraussteigen könne. "Das lädt zum Springen doch geradezu ein."

Die Anwältin der Stadt, Nicole Tassarek-Schröder, sieht das ganz anders. Die Verkehrssicherungspflicht sei nicht verletzt worden. "Da steht ein großes Schild, auf dem steht Wasserwachtssteg und nicht Badesteg." Es gebe noch zwei weitere Stege, die an anderer Stelle viel weiter in den See hineinreichten und eine Mittelinsel, die zum Springen geeignet seien. "Wie viele Schilder soll man denn aufstellen?" Ein Badegast habe auch die Pflicht zur eigenen Vorsorge. "Gegen gänzlich unvernünftiges Verhalten helfen auch die besten Vorsichtsmaßnahmen nichts." Wer einen Kopfsprung in ein unbekanntes Gewässer mache, ohne es sich angeschaut zu haben - da gebe es genügend Urteile-, der verletze die Sorgfaltspflicht. "Nur weil alle anderen über eine rote Ampel rennen, tue ich das doch nicht auch", sagte sie nach der Sitzung.

In ähnliche Richtung gingen auch die Nachfragen des Vorsitzenden Richters. Ob der Kläger schon einmal an diesem See gewesen sei, wollte er wissen. Auf welche Weise die anderen Badegäste, die er in der halben Stunde, in der er am See gelegen habe, ins Wasser gesprungen seien. Ob er als Kind einen Schwimmkurs gemacht habe und ob er die Baderegeln kenne, vor allem die, dass man nicht in unbekannte Gewässer springen solle. Die kenne er natürlich, erklärte der Kläger. Als Kind habe er irgendwann das Seepferdchen gemacht und sei später in der Grundausbildung der Marine gewesen. An jenem Julitag aber habe er beobachten können, dass viele andere Schwimmer auch vom Steg hinein gesprungen seien, auch mit Kopfsprüngen - und was man halt so mache. "Da bin ich davon ausgegangen, das ist ein öffentliches Badegewässer, da kann gar nichts passieren." Eine Einschätzung, die auch der Vorsitzende Richter in seiner Entscheidung bedenken dürfte, wenn er auch signalisierte, dass er wohl die größere Verantwortung beim Kläger sieht.

Eine Entscheidung wird am 23. Februar verkündet, sollte die Klage abgewiesen werden, dürfte Thomas S. wohl in Berufung gehen. Die Stadt Ebersberg hat inzwischen ein Schild am Boden des Stegs anbringen lassen, das einen durchgestrichenen Wasserspringer zeigt.

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