Konzertkritik:Wunderland der Klänge

Konzertkritik: Hier stimmt die Chemie: Geigerin Jehye Lee, Pianist Tae-Hyung Kim und Cellist Samuel Lutzker vom "Trio Gaon" beim Kammermusikzyklus.

Hier stimmt die Chemie: Geigerin Jehye Lee, Pianist Tae-Hyung Kim und Cellist Samuel Lutzker vom "Trio Gaon" beim Kammermusikzyklus.

(Foto: Christian Endt)

Zum Saisonauftakt der Zornedinger Kammermusikreihe spielt das "Trio Gaon" aus München mit großer Ausdruckskraft französische Musik des 19. Und 20. Jahrhunderts

Von Rita Baedeker, Zorneding

Bevor sich die Zuhörer im Martinstadl auf die "Wege der Liebe", einem als Zugabe gespielten Chanson von Francis Poulenc, machen können, begeben sie sich zusammen mit dem Trio Gaon auf eine Wanderung durch ein Wunderland der Klänge.

Zum Auftakt der Kammermusik-Saison des Kulturvereins Zorneding-Baldham am Sonntag geht es mit den drei Musikern mitten hinein ins geheimnisvoll verschlungene Labyrinth der französischen Musik des 19. Und 20. Jahrhunderts. Pianist Tae- Hyung Kim absolviert derzeit ein Kammermusikstudium an der Musikhochschule München, Jehye Lee ist Konzertmeisterin der zweiten Geigen im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons und Samuel Lutzker gehört dem Orchester als Cellist an. Nicht nur als Trio, auch als Solisten haben die Drei bereits etliche Preise errungen.

Der koreanische Ensemblename "Gaon" bedeutet so etwas wie "Mittelpunkt der Welt" und "Wärme erschaffen". Dem darin enthaltenen Anspruch, Musiker aus verschiedenen Kulturen zu einer künstlerischen Einheit zu verschmelzen, wird das Ensemble mehr als gerecht. Ausdruckskraft, Spielfreude und solistische Brillanz der drei vermischen sich zu einer energiereichen chemischen Reaktion, einer klanglichen Dichte, deren einzelne Elemente und Farben jedoch durchweg erkennbar bleiben. Da ist der Pianist, der wie mühelos und versunken in die Musik über die Tasten fliegt; da ist der Cellist, der seinem Instrument betörende Klänge entlockt und die Stücke bisweilen mimisch und gestisch untermalt. Und da ist die Geigerin, die so kraftvoll und energisch streicht, dass man jederzeit mit Funkenflug rechnet.

Das Programm des Abends ist raffiniert gewichtet. Zwischen den Klaviertrios von Claude Debussy in G-Dur und Maurice Ravel in a-Moll erklingen ein Stück der Komponistin Lili Boulanger, die 1918, im Alter von nur 24 Jahren, starb, und das Klaviertrio von Jean Françaix, der von 1912 bis 1997 lebte. Er hatte sein Studium bei Boulangers älterer Schwester Nadia begonnen.

Debussy war 18, ein Musikstudent in Paris, der in den Semesterferien einen lukrativen Job ergattert hatte, einen Job bei Nadeshda von Meck, einer Gönnerin Tschaikowskys. Der "kleine Franzose", wie sie ihn nannte, hatte den Auftrag, ihre Kinder zu unterrichten und ein Klaviertrio zu komponieren, eben jenes in G-Dur, ein heute gern gespieltes Werk. Von jugendlichem Übermut und Einfallsreichtum zeugt besonders das Scherzo mit seinen koboldhaften Hüpfern, das einem, einmal gehört, nicht mehr aus dem Ohr geht.

Vom noch übersichtlichen Einstieg in die musikalische Kletterpartie geht es bald schon ins Dickicht eines Klangteppichs, in den clusterartig allerlei Motive und Rhythmen verwoben sind: ein Singen und Schwirren, ein Tropfen und Klopfen, dazwischen eine jubelnde Melodie, angestimmt von der Geige. Lili Boulangers "Frühlingsmorgen" klingt duftig, vital, erzählt aber auch von Schmerz und Drangsal.

Der Weg zweigt nun ab in ein Gelände, in dem der Wanderer immer wieder auf die falsche Fährte gelockt wird. In vier Sätzen führt Jean Françaix ihn an der Nase herum. Und das mit großem Unterhaltungswert. Mal glaubt man sich im Zirkus, mal im Wirtshaus oder im Salon. Der Komponist erlaubt sich parodistische Einlagen, rhythmische Brüche, Ironie, burleske Komik. Kaum klingt eine Passage vertraut, schon driftet sie ab in halsbrecherische Rhythmen und Figuren. Nichts wie weg? Aber nein, da möchte man noch verweilen, das ergreifende Andante genießen, die Hau-drauf-Bogenschläge im Allegrissimo, die ganze zuweilen wie betrunken umherschwankende Musik - und die Mimik des Cellisten. Das Glas Sekt danach in der Pause, es passt zur Stimmung.

Allmählich geht es mit Maurice Ravel und seinem einzigen Klaviertrio in verlässlichere, wenn auch keineswegs ruhigere Gefilde. Ravel kam im baskischen Teil Frankreichs zur Welt. Etwas von der musikalischen Tradition seiner Heimat findet sich in diesem Werk ebenso wie eine schwerelose Klangpoesie, rhythmische Experimentierfreude und barocker Schönklang.

Für diese kundig und beglückend geführte Wanderung durch Frankreichs Musik bedankt sich das Publikum im Zornedinger Martinstadl beim Trio Gaon mit lautstarkem Applaus.

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