Konzertkritik:Paradiesischer Kehlenglanz

Konzertkritik: Mit jeder Menge Swing begeistern der "Bonner Jazzchor" und sein Gastgeber, der "Don-Camillo-Chor", bei einem außergewöhnlichen Doppelkonzert im Ebersberger Alten Speicher.

Mit jeder Menge Swing begeistern der "Bonner Jazzchor" und sein Gastgeber, der "Don-Camillo-Chor", bei einem außergewöhnlichen Doppelkonzert im Ebersberger Alten Speicher.

(Foto: Christian Endt)

Der "Don-Camillo-Chor" aus Baldham und der "Bonner Jazzchor" begeistern im Alten Speicher Ebersberg

Von Claus Regnault

Der singende Mensch ist sich sein eigenes Instrument. Das konnte das Publikum nun in einem begeisternden Doppelkonzert im Alten Speicher Ebersberg erleben, in welchem nacheinander der in Baldham residierende Don-Camillo-Chor und der Bonner Jazzchor auftraten und - den Glanz der menschlichen Kehle von mehr als fünfzig Protagonisten demonstrierend - den gut gefüllten Saal zum Toben brachten. Der Gesang dieser beiden Chöre legt jedenfalls die Vermutung nahe, dass der menschliche Gesang noch vor der Sprache entstand - wenn man der Bibel Glauben schenken will, sogar schon im Paradies.

Beide Chöre zeichnen sich durch perfekte Disziplin aus, beide sind sich in ihrer hörbaren Lust an der musikalischen Mitteilung ähnlich, aber in ihrer Struktur und damit im Klangergebnis durchaus verschieden. Maßgeblich hierfür sind die jeweiligen Arrangements, wobei der Don-Camillo-Chor sich im Laufe seiner schon Jahrzehnte dauernden Geschichte zu einer deutlich polyfonen Gestaltung entwickelt hat, während die Bonner Kollegen den differenzierenden Klang zu bevorzugen scheinen. Indes: Beide Chöre haben Swing, wobei das Baldhamer Ensemble rhythmisch deutlicher akzentuiert, während die Gäste die rhythmische Bewegung mehr in den Klang integrieren.

Bildlich unterscheiden sich die Chöre durch ihre Aufstellung: Bei den Baldhamern sind die Männer links, die Frauen rechts gruppiert, bei den Bonnern findet eher eine Mischung beider Geschlechter statt. Beispielhaft auch der verschiedene Stil der Dirigate: bei den Baldhamern der aufrecht in swingender Bewegung dirigierende jugendliche Matthias Seitz, bei den Bonnern die ganzkörperlich bewegte, mit beschwörend modellierender Gestik dem Chor vortanzende Sascha Cohn.

Die Programme beider Chöre wiesen dementsprechend eine durchaus verschiedene Handschrift des Arrangements auf, bei den Bayern deutliche Struktur und entsprechend deutliche Rhythmisierung, bei den Bonnern den Klang beweglich modellierende harmonische Farbigkeit. So fanden sich bei den ersteren auch vertraute Titel wie "Night and day" oder "If I never sing a song" oder gar ein zutiefst bayerisches Intermezzo mit dem "Holzwurm-Jodler" und "Schwing di", was nicht eine Aufforderung zum besseren Swingen, sondern eher einen Hinauswurf bedeuten sollte. Beides unterstrichen durch das Aufsetzen bayerischer Hüte und stampfender Betonung des graden Rhythmus'.

Die Bonner hatten zwar auch vertraute Titel im Programm, so "Baba-Yaga" oder Gregory Porters "Liquid Spirits", aber überwiegend waren die Stücke ganz auf Klang-modellierung ausgerichtete Eigenkompositionen (von mehreren Arrangeuren gestaltet), die harmonisch zum Teil in dissonante Bereiche führten. Was aber bei dieser eigenwilligen Klangwelt die Zuhörer verführte, war die weitgehend intonationssichere, von sichtbarem Enthusiasmus getragene Interpretation der Stücke.

Ganz am Schluss, nachdem beide Gruppen schon ihre Zugaben gebracht hatten, vereinigten sie sich zum gemeinsam interpretierten "Boy on the island", hier - wie das ganze Konzert hindurch - bedacht mit frenetischem Jubel des Publikums.

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