Süddeutsche Zeitung

Konzertkritik:Out of Eggendorf

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Die Musik der österreichischen Bands "Ramsch & Rosen" und "Federspiel" umspannt ganz Europa. Beim Alpenspektakel in Sonnenhausen entfachen beide Ensembles ein Klangfeuerwerk

Von Rita Baedeker

In einem seiner Lieder erzählt das Duo Ramsch & Rosen, was es mit den Männern von Eggendorf bei Linz auf sich hat: Schön seien sie alle, heißt es da, aber klein. Ein noch zweifelhafteres Kompliment macht man dort den Studenten, von denen gesagt wird, sie seien allesamt Lumpen, ganz gleich, ob groß oder klein. Schlichte Lebens- und Liebesweisheiten sind für die traditionelle Volksmusik nicht nur der Alpenländer ebenso typisch wie einfache Harmonien, Tonschritte im Terzabstand und Dreiklänge in Dur. Schließlich sollte jedermann die Möglichkeit haben, spontan zu singen und zu musizieren, ohne Ausbildung, quasi "aus 'm Huat".

Beim dritten Alpenspektakel auf Gut Sonnenhausen spielen Ramsch & Rosen, Julia Lacherstorfer und Simon Zöchbauer, das Auftaktkonzert. Zwar fällt das Festival aufgrund der großen Baustelle auf dem Anwesen heuer kleiner aus, kulinarisch und kulturell ist dennoch viel geboten. Die Küche serviert Bodenständiges wie Ochsenbuckel, Schweinswampe und Kasnocken. Anschließend öffnet sich die Reithalle grenzenlosen Klangerfahrungen. Die beiden Musiker erzählen, dass sie leidenschaftlich gern in Archiven graben und dabei allerlei Schätze entdecken, die Rosen im Ramsch sozusagen. In einer Art "alchimistischem Prozess", wie Zöchbauer es nennt, verwandeln die beiden das Material in eine Melange, die eigensinnig, schöpferisch und poetisch, die zugleich alt und neu ist.

Julia Lacherstorfer hat Jazz und Improvisation studiert und kreiert mit Geige, Bratsche, Schellen und ihrer ausdrucksstarken Stimme eine wunderschöne klangsinnliche Tonsprache. Zusammen mit Zöchbauer, klassisch ausgebildeter Trompeter, Zitherspieler und Sänger, entstehen moderne Klangerzählungen, Stücke wie "Dudelsack", "Sei ma guat" und "Draeho", deren Wurzeln zwar hörbar sind, die aber ihre lokale Tradition und die Schlichtheit des Satzes weit hinter sich lassen. Eines der schönsten Lieder des Abends ist das Klagelied einer Frau, die Tag für Tag zum Brunnen geht und auf ihren Schatz wartet, der in den Krieg ziehen musste. Kreiselnde Tanzweisen wechseln in stimmiger Folge mit Meditativem, mit Jazzrhythmen, Jodlern, mit in Klänge übersetzten Erinnerungen etwa an einen Morgen im Nebel oder einer fröhlichen Festmusik, vielleicht aus Eggendorf - wo die Männer nach diesem Abend zusehen müssen, wie sie ihr zweifelhaftes Image wieder los werden.

Männliche Schönheit bleibt weiterhin ein Thema. Bevor die zweite Band, das siebenköpfige Bläserensemble Federspiel, auf die Bühne kommt, preist Stefanie Boltz, die künstlerische Leiterin des Kulturprogramms Sonnenhausen, neben deren musikalischer Meisterschaft auch die Attraktivität der Männer: "Es ist nicht zu entscheiden, wer hübscher ist". Das muss man zum Glück auch nicht, denn die sieben Absolventen der Wiener Musikhochschule aus der Wachau sind seit 14 Jahren sehr erfolgreich als Schatzsucher in den Wunderkammern der Klangkultur unterwegs und verzaubern ihr Publikum zuallererst mit hörbaren Reizen. 2017 errangen sie in gleich zwei Kategorien den ersten Preis der deutschen Schallplattenkritik. Mit Simon Zöchbauer musizieren Ayac Juan Jimenez-Salvado, in Mexiko geboren, Roland Eitzinger, Philip Haas, der auch als Conferencier mit scharfsinniger Ironie brilliert, Thomas Wienalek, Matthias Werner und, als einziger Holzbläser mit Klarinette, Frédéric Alvarado-Dupuy.

Die Titel einiger CDs der Gruppe deuten an, was hier gespielt wird. "Wolpertinger" zum Beispiel. Dieses Fabelwesen, zusammengesetzt aus den Körperteilen verschiedener Tierarten, ist eine gute Metapher für die artenreiche Musik des Septetts. Mal jazzige, mal liedhafte, mal sphärische und auch spaßige Bläsersätze, Choräle, Jodler, Musik vom Balkan, aus Südamerika und natürlich Österreich, alles selbst komponiert. In einen feierlichen Choral grätscht ein Zwiefacher hinein, die Klarinette wird zur Sirene und aus den versammelten Trompeten, Tuben und Posaunen rauscht ein norwegischer Wasserfall. Es gibt wohl kein musikalisches Stilmittel, kein Motiv, dessen sich die sieben nicht bedienen, sogar einen orchestralen Sound entfachen sie mühelos und - ja - federleicht!

"Ich bin nicht von hier, und ich bin nicht von dort", sagt der Mexikaner Jimenez-Salvado und beschreibt damit auch den Charakter der Musik, die sich nicht packen, bündeln oder gar auf eine lokale nationale Schiene zwingen lässt. Beide Bands erhalten lautstarken, mit den Füßen getrommelten Applaus. Dieser gilt auch Stefanie Boltz und dem Alpenspektakel als Idee. Ganz im Sinn von Hausherr Georg Schweisfurth, der hier die Musik eines "Europas der Regionen" zelebrieren, die Vielfalt feiern möchte. "Das Alpenspektakel ist nichts, wohin AfD-Wähler gehen", sagt er noch. In der Musik gibt es keine Grenzpfähle.

Der Bayerische Rundfunk hat die beiden Konzerte aufgezeichnet, die Ausstrahlung erfolgt am Freitag, 23. November, auf BR-Klassik

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SZ vom 25.09.2018
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