Konzertkritik:Luftschlangen im Klangraum

Konzertkritik: Beatrice Menz als Häuptlingsfrau entlockt beim Faschingskonzert in der Vaterstettener Pfarrkirche ihrer Orgel die höchsten Töne, genauso wie MiroslavDimitrov, der später die Melodien aus seiner Querflöte tanzen ließ.

Beatrice Menz als Häuptlingsfrau entlockt beim Faschingskonzert in der Vaterstettener Pfarrkirche ihrer Orgel die höchsten Töne, genauso wie MiroslavDimitrov, der später die Melodien aus seiner Querflöte tanzen ließ.

(Foto: Christian Endt)

Große Stimmen und pfiffige Töne lassen das Faschingskonzert mit Camilla Francesca Bull und Tyrone Chambers in der Vaterstettener Pfarrkirche hell und bunt leuchten

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

"Immer heiter, Gott hilft weiter." Die alte katholische Lebensweisheit darf man durchaus so verstehen, dass Lachen für Gläubige nicht auf den Fasching begrenzt bleiben soll. Ins Gotteshaus selbst bringt mancher dann allerdings doch eine gewisse Scheu vor überbordendem Frohsinn mit - selbst wenn die Kirchenmusikerin zum Faschingskonzert einlädt, wie es in der Pfarrei "Zum kostbaren Blut Christi" inzwischen eine kleine Tradition ist. "Man hat halt einen gewissen Respekt vor der Kirch", sagt angesichts der spärlichen Maskerade im Publikum der Bürgermeister, der das Spektakel genüsslich von seinem Platz in der hintersten Bank verfolgt.

Dort, unter der Empore, ist's vielleicht noch etwas dunkler als im Rest des Kirchenraums, dafür kommt man in den Genuss eines unheimlichen Nebeneffekts: das Gerumpel der Orgelpedale klingt mal wie ein Faschings-Umzugswagen, der über eine Holzbrücke rollt, mal wie Tanzschritte auf dem Wirtshausboden beim Ball. Weil Organistin Beatrice Menz sowohl bei Bachs Fuge D-Dur wie bei Francois Bornes "Carmen Phantasie" sehr großzügig die tiefen Töne registriert, gibt es reichlich von diesem Ungewitter, aus dem blitzgleich die höchsten Flötentöne züngeln. Zwischendrin dann noch etwas Rummelplatz-Atmosphäre mit fetzigem Orchestrion-Sound und man kann mithören, wie sich die "Königin der Instrumente" aus ihrer sonst so frommen Zurückhaltung löst.

Die gesanglichen Glanzlichter setzten dieses Jahr die Mezzosopranistin Camilla Francesca Bull und der Tenor Tyrone Chambers. Wobei "Glanzlicht" nur ein Teil der Wahrheit ist. Zwei prächtige Stimmen, weltweit auf großen Bühnen und in gewichtigen Rollen zuhause, die auch für diesen Auftritt in einer kleinen oberbayerischen Gemeindekirche ihr ganzes Können ausspielen - das ist mehr als ein Freundschaftsdienst für die Gastgeberin. Das ist großes Kino. Bull zeigt die ganze Bandbreite ihrer reichen Stimme, vom heiteren Musical-Stil bei Zina Goldrichs "Alto's Lament" über eine elegant-beschwipste Operetten-Diva bei Strauss' "chacun à son goût" bis zu geschliffen präzisen Koloraturen in Rossinis "La Cenerentola". Wie Luftschlangen wirbelten die kunstvollen Tonfolgen durch den Klangraum und verzückten die Zuhörer. Der jubilierende Schlusstakt reißt das Publikum zum begeisterten Applaus von den Bänken.

Tyrone Chambers steht ihr weder in stimmlicher Qualität noch in stilistischer Vielfalt nach. Auch er, verkleidet in schwarzem Kleid und Regenbogenperücke, nutzt eine Puccini-Arie, "Un bel di, vedremo" aus Madame Butterfly, um in einer Sopran-Rolle den Tenorissimo zu geben, fein in den Höhen, elegant auf den Tempi-Wellen dahingleitend und im Forte mit kraftvoller Hingabe. Das mag als musikalischer Scherz angelegt sein, aber es gerät zu einer Demonstration großen Könnens. Die eindringliche Gospel "Ride on, King Jesus" und das lyrische "The lord is my light" von Frances Allitsen bestätigen den Eindruck einer großen Stimme, was das heftig applaudierende Publikum honoriert. Zumal es beim "Fledermaus-Finale" die beiden Solisten noch in einem famosen Duett erleben - und in der Zugabe auf "lalala" sogar begleiten darf.

Einen ebenso liebe- wie kunstvollen Kontrast zwischen Flöten verschiedener Dimensionen bescherte Miroslav Dimitrov. Ganz anders, als sein überdimensioniertes Wikingerkostüm vermuten ließ, entlockte er seiner Querflöte tänzerisch-leichte, filigrane Melodien von zauberhafter Fröhlichkeit. Selbst das bedrohliche Motto aus "Spiel mir das Lied vom Tod" erhielt da heitere Farbtupfer. Fast schon beiläufig zelebrierte er die kunstvollen Schnörkel der "Irlandaise" von Claude Bolling, flötierte farbenprächtig den Charakter der Carmen und war treffsicherer Dialogpartner der Orgel beim "Pink Panther". Sein Marsch als Rattenfänger mit Plüschtieren im Gefolge ließ selbst jene lächeln, die vor lauter Respekt gegenüber Kunst und Kirche kaum zu atmen wagten.

Minutenlanger, begeisterter Applaus, durchsetzt mit Bravos des Publikums, das sich von den Kirchenbänken erhob, war der verdiente Lohn für ein großartiges Konzert. Eine Glanznote dieses Faschings.

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