Süddeutsche Zeitung

Konzertkritik:Hommage an die Stimme

"Nice Try" und "SingCronix" aus erobern die Riem Arkaden

Von Pauline Weindorf, Riem

Sie haben ihre Wurzeln in Vaterstetten, die beiden Sextette Nice Try und SingCronix. Die aus Vaterstetten und Umgebung stammenden Formationen Don Camillo Chor und Rondo Vocale, bei denen die Vokalisten aktiv sind, haben gewissermaßen ihre Boten entsandt in die große Stadt. Am Samstagabend haben sich die beiden Ensembles in der Kulturetage der Riem-Arcaden getroffen und dort viel Herz und Witz, vor allem aber richtig viel Stimme bewiesen.

Nice Try - spätestens wenn die Gruppe zu singen beginnt, wird klar, dass der Name mit Augenzwinkern zu verstehen ist. Mit kleinen Gesten und wohlgewählter Mimik verpassen die Sänger ihrem Auftritt das gewisse Etwas, lassen einen feingeistigen Humor spüren. Edel sehen sie aus in Anzug und schwarzen Abendkleidern. Die drei Sängerinnen und drei Sänger bewegen sich stilsicher in der Welt der Vokalmusik. Vor allem im Swing sind sie zu Hause, betören mit glasklar intonierten Jazz-Harmonien beim zuckersüßen "Blue Moon" und dem rotzig-bluesigen "Is you is or is you ain't my baby?" ebenso wie in herzanrührenden, schlichten Volksweisen aus Schottland und Irland. Sie überzeugen durch stimmliches Können: Mal flötig weich, dann wieder hell und frech bei Chanson und Swing. Beeindruckend saubere Unisonoläufe im perfekten "Blend" fächern sich auf zu jazzig strahlenden Akkorden; die wechselnden Solisten stets geschmackvoll untermalt von einem aus Stimmen gewobenen Klangteppich.

Da gibt es unterhaltsame Texte über Liebe und Zwischenmenschliches, aber auch solche über aktuelle Themen wie personalisierte Werbung und gläserne Bürger. Während sie die "Hymn of Acxiom" mit dem eindringlichen Text von Vienna Teng vortragen, sind die Gesichter der Vokalisten auf der dunklen Bühne nur von ihren Handys angestrahlt. Als die letzten Töne verklingen, herrscht kurz Stille im Publikum. Dann bricht lauter Applaus los, befreiende Lacher brechen sich Bahn.

Blockweise wechseln sich Nice Try ab mit SingCronix, die stilistisch eine perfekte Ergänzung bieten. SingCronix bestechen mit vor Ideen nur so sprühenden Arrangements des Band-Gründers, Bariton Stefan Schmeußer; mit ganz individuellen Stimmen, kreativen Choreografien und witzigen Accessoires. Es gibt viel zu sehen: ständig wechselnde Aufstellungen mit Tanzeinlagen. Sogar echte Lebkuchenherzen kommen zum Einsatz. Auch dieses Sextett ist schön anzusehen auf der Bühne: eher leger und ganz in Hellgrau, eine der drei Damen kontrastierend im Glitzer-Look.

Schmeußer zeigt seine musikalische Verspieltheit: Mash-ups, bei denen zwei oder mehrere Lieder zusammen in Eins verpackt werden, sowie viele kleine schmissige Ideen zeichnen seine Arbeit aus. So vermischt er die beigen Right said Fred-Songs "I'm too sexy" und "Deeply Dippy" zu einem kunstvollen Gesamtwerk; ein Stück von Sting bekommt in "Boogie Down" einen Gastauftritt als Bridge (Mittelteil) und bildet in Form eines vokalen Streichsextetts einen krassen Gegensatz zum groovigen Funkrhythmus. SingCronix spielen gerne mit ihren Stimmen als wären sie Instrumente; wie eine Trompete etwa - mit, und ohne jazz-typischem Dämpfer. Joe Zawinuls "Mercy Mercy Mercy" klingt nach Rock aus den Siebzigern. Das Gitarrensolo wird verzerrt gesungen und die dazu mit vollem Einsatz dargebotene Luftgitarreeinlage macht den Song zur echten Show.

In "Butterfly" steigert sich ein unter den Stimmen aufgeteiltes Glockenspiel zu einem afrikanisch anmutenden Chor, um dann wieder ganz intim zum Ausgangspunkt zurück zu kehren - das ganze Leben eines Schmetterlings gemalt in ein paar Takten. Aus einer ganz anderen Welt stammen traditioneller Dreigesang und mehrstimmige Jodler mit humoristisch-bayerischem Text. Der Bass zählt einen funkigen Groove ein und das Publikum beginnt spontan mit zu klatschen - angestachelt vom Spaß der Künstler auf der Bühne.

Für das Finale haben sich die beiden Vokalensembles eine Überraschung überlegt. Vereint in einem großen Chor singen sie "Thank you for the Music" von Abba. Immer mehr Konzertbesucher singen mit, während die Künstler auf der Bühne Arm in Arm selig schunkeln. Beim Verlassen des Saals sind viele gelöste und fröhliche Gesichter zu sehen. Sichtlich zufrieden geht es heimwärts.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2018
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