Konzertkritik:Glücklichmacher

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Haben etwas zu erzählen, musikalisch wie menschlich: "The Brass" im Wirtshaus Taglaching. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Lokalmatadore von "The Brass" begeistern in Taglaching mit selbst geschriebenen, der Tradition verpflichteten Songs

Von Anja Blum, Bruck

Es gibt viele Bands, die den alten Helden huldigen. Die sich an den Meisterwerken von Beatles, Stones oder Pink Floyd abarbeiten. Eine Seltenheit aber ist es, wenn Musiker den Geist dieser Vorbilder transformieren, sie also nicht nur covern, sondern in ihrem Sinne Neues entstehen lassen. Dann nämlich gesellt sich zum Handwerk echte schöpferische Kraft. Zu erleben war solch eine musikalische Sternstunde nun im Wirtshaus Taglaching, beim Konzert von The Brass. Mit glänzendem Blech kann die Truppe zwar nicht aufwarten, da führt der Name in die Irre, doch ansonsten bietet sie alles, was Freunde handgemachter Musik glücklich macht: der Tradition verpflichtete, selbst geschriebene Songs mit Botschaft und Melodie. Einen spannenden Mix aus Rock, Folk, Jazz und Blues.

Die fünf Musiker, die an diesem Abend in einer voll besetzten Wirtsstube spielen, brauchen sich dem Publikum gar nicht vorzustellen: Sie sind Lokalmatadore. Kopf von The Brass ist der Grafinger Rudi Baumann, aus seiner Feder stammen die Songs, er singt und spielt Gitarre. Ihm zu Seite steht "Synchronsängerin" Gundula Schuler aus Grafing, ausgezeichnet mit einer wunderbar sanften Stimme und der Fähigkeit, jeden noch so rhythmusfernen Einsatz Baumanns mit schlafwandlerischer Sicherheit zu erahnen. Am Piano gesellt sich Bruno Renzi aus Wasserburg hinzu, ein virtuoser Feingeist und Publikumsliebling, der für jedes Solo mit Extraapplaus bedacht wird. Verstärkt wird das Quartett an diesem Abend von Helmut Zeller am Bass, der Ayinger liefert unaufgeregt eine solide Basis. Der zweite Star neben Baumann ist Gunther Skitschak, ebenfalls Grafinger, einer der besten Blues-Gitarristen weit und breit. Baumann vergleicht seinen Ton mit David Gilmore - "an einem sehr guten Tag", von Schuler gibt es nach einem besonders gelungenen Song gar ein Küsschen.

Schnell wird klar: Hier stehen nicht nur Kollegen auf der Bühne, sondern Freunde. Neben den Nettigkeiten nämlich gibt es auch allerhand Neckereien. "Kannst Du des ohne Bruin überhaupt spuin?", fragt der Bandleader den Gitarristen, als dieser zum Stimmen kurz die Lesehilfe zückt. Ja, jung sind diese Musiker nicht mehr, man spiele bereits seit 35 Jahren in Taglaching, erzählt Baumann. Doch das zahlt sich aus: Diese Band hat reichlich Erfahrung - musikalisch wie menschlich - sie hat etwas zu erzählen, und das Publikum weiß das auch zu schätzen. Zwar kokettiert Baumann damit, wie schön es sei, "keine Hits schreiben zu müssen", doch der Erfolg im Kleinen, die volle Stube, das gespannte Lauschen, der herzliche Applaus - all das tut den Musikern spürbar gut.

Schließlich hängt ihr Herz an diesem Projekt, vor allem Baumann lässt mit den Liedern tief in seine Seele blicken. Eindringlich zum Beispiel ein Song, den der Grafinger 1991 schrieb, nach den rechtsradikalen Übergriffen in Hoyerswerda: "Underneath our mask", heißt er, "we all are one - da sind wir alle gleich". Keine getragene Friedenshymne ist das, sondern eher ein gehetzter, dramatischer Weckruf, inklusive Bläsersatz von der Mundharmonika. Er habe nicht gedacht, dass er dieses Stück noch einmal mit solcher Aktualität spielen müsse, sagt Baumann, "aber wir werden nicht damit aufhören, so lange diese Idioten unterwegs sind".

In die gleiche Kategorie fällt ein Lied, das einst unter dem Eindruck des Grubenunglücks von Lengede entstand: "Das war damals die erste Liveübertragung im Schwarz-Weiß-Fernsehen, das hat mich sehr beeindruckt", erzählt Baumann. "Und als ich später dann politisiert war, hab ich dieses Stück geschrieben". Es berührt bis heute, lässt es doch den Schmerz und die Verzweiflung der Verschütteten deutlich spürbar werden. "Lieber Gott, mach, dass der Regen noch ein Mal mein dreckiges Gesicht abwäscht." Dazu lässt Skitschak seine Gitarre singen und flehen, dass es so richtig unter die Haut geht.

Ebenfalls im Repertoire: ein lässiger Cowboy-Song, der als Lösung aller IT-Probleme einen 75er Colt empfiehlt, "All I ever want", ein Stück im Stile Neil Youngs über eine unvollendete Liebe, der humorvolle Rockabilly-Song "The curse", die Blues-Nummer "Let your sun shine" - Gundula Schuler beschwört hier voller Gefühl das Weitermachen - ein betörender, orientalisch angehauchter "Siren-Song" und noch einiges mehr. Vieles davon hat durchaus Ohrwurmpotenzial - wie gut, dass The Brass immer noch spielen!

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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