Süddeutsche Zeitung

Konzertkritik:Bass im Fokus

Lesezeit: 2 min

Christian Schantz und Josef Reßle begeistern beim Benefizkonzert in Ebersberg

Von Daniel Fritz, Ebersberg

Dass sie ihr Handwerk bestens verstehen, haben Christian Schantz (Kontrabass) und Josef Reßle (Klavier) am Freitagabend im Pfarrsaal von Sankt Sebastian in Ebersberg bewiesen. Die beiden gaben dort ein gut zweistündiges Benefizkonzert zugunsten der Grund- und Mittelschule. An renommierten Hochschulen studiert, pflegen und erweitern Schantz, der aus Ebersberg stammt, und der Münchner Reßle ihren musikalischen Kosmos in diversen Formationen unterschiedlichster Besetzungen und Stilistiken.

Beide musizieren in der Sprache des Jazz, spielen aber neben Standards auch Pop- und Rocksongs der Achtziger und Neunziger. Man ahnt, was vor und neben dem Klassik- und Jazzstudium lieben gelernt wurde. Technisch, rhythmisch und harmonisch auf hohem Niveau zeigt das Duo seine Freude am kreativen Umgang mit dem musikalischen Material. Das Spannende ist sicher auch der Fokus auf den Bass. Ein Instrument, das sehr oft im Hintergrund spielt und klingt. Schade, dass einige schnelle Linien und virtuose Bass-Passagen in der etwas schwammigen Akustik des Saals nicht so zur Geltung kommen wie sie sollten. Informativ und humorvoll führt der Bassist durch das bunt gemischte Programm.

Es beginnt mit "Dancing in the Dark", einem Bossa geprägt von zurückhaltendem, fast vorsichtigem Klavierspiel und einem Song der Band Pixies, bei dem Schantz mit eindrucksvoll sauberer Intonation in hohen Lagen auf dem Bass soliert. Besonders gefällt im ersten Teil des Konzerts "The Windmills of your Mind" aus dem Film "The Thomas Crown Affair" von 1968. Dem wunderschön-traurigen, von Mozarts Violinkonzert in Es-Dur inspiriertem Thema, das einen im Quintfall wie in einen sehnsuchtsvollen Sog zieht, setzen die Musiker einen kontrastierenden, wilden Soloteil mit schnellen Klavier-Arpeggios und schrägen Harmonien entgegen.

Es folgen Eigenkompositionen des Bassisten wie "Antons Lied", modern harmonisiert, aber inspiriert durch eine kleine Melodie seines Sohns, sowie ein Jazzwalzer mit dem Titel "Für Gitti, als sie noch jung war", allerdings recht komplex für eine kleine Gitti. "Have you met Miss Jones" spielen die Zwei mit einem rasenden Viertelpuls. Die schnellen Melodiefragmente von Klavier und Bass wirken wie eine verrückt gewordene barocke Fuge. Der Achtziger-Hit von Robert Palmer "Johnny and Mary" klingt blues-mäßig, der Bass wird hier wie eine Gitarre über mehrere Saiten geschlagen. Die Interpretation von Radioheads vielgecovertem Hit "Creep" pendelt irgendwo zwischen samba-ähnlichen Rhythmen und einer Horrorfilm-Score. Die Melodie lässt lange auf sich warten, die Vier-Akkord-Folge wirkt hypnotisch und wird durch einen Orgelpunkt teilweise noch mehr verfremdet. Bill Evans "Time remembered" kommt quasi unbemerkt im Fünf-Viertel- Takt daher, der Standard "I didn't know what time it was" wird ordentlich reharmonisiert und swingt gewaltig, auch ohne Schlagzeug. Bei der Zugabe "On a slow boat to China" sieht man dann auch schließlich die für ein Jazzkonzert typischen wippenden Köpfe und Füße.

Die zwischenzeitliche Vermutung, dass das Ebersberger Publikum vielleicht vom anspruchsvollen Instrumental-Jazz des Duos überfordert sein könnte, bestätigt sich insofern nicht, als dass man beim Schlussapplaus viele fröhliche und aufgeladene Gesichter sieht. Bei den letzten Stücken schnarcht irgendwo leise ein Kind auf dem Schoß seiner Mutter. Doch es hat vorher sicher auch seine volle Aufmerksamkeit gegeben.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2018
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