Süddeutsche Zeitung

Konzert in Ebersberger Kirche:Fünferlei von der Posaune

Ensemble "Pentatrom" kredenzt ein höchst kurzweiliges Musikmenü

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Wer einen Vogel hat, ist für prägnante Melodien gut. Victor von Bülow, genannt Loriot, trug nicht nur einen gefiederten Freund im Familienwappen, sondern hat Tieren immer wieder Schlüsselrollen in seinem Opus gegeben. Weniger bekannt, gleichwohl von maximaler poetischer Kraft ist seine Variation über den "Karneval der Tiere", vor 44 Jahren erstmals auf Schallplatte veröffentlicht und bis heute ein Seelenkitzler sondergleichen. Es spricht für ein entspanntes Selbstverständnis und ein tiefgründiges Verständnis von Humor, dass die fünf Posaunisten von Pentatrom in der Ebersberger Heilig-Geist-Kirche am Sonntagabend ihr Spiel mit Loriots Texten verweben - und so ihr Publikum mit einem Lächeln in die neue Woche schicken.

Dabei ist Camille Saint-Saëns' Klassiker in spannenden, energiegeladenen Arrangements von Brian Lynn und Andreas Oblasser, einem Mitglied des Quintetts, zwar der inhaltliche Schwerpunkt in einem aus zehn Werken komponierten Sommerkonzert - ein alleiniger Höhepunkt ist er nicht. Denn die Fünf, allesamt in verantwortlichen Positionen bei namhaften Orchestern, erweisen sich als meisterliche Repräsentanten ihrer Zunft und lassen die Sinne des Publikums und die Wände des Gotteshauses vibrieren. Wie das alte Haus von Rocky Docky mag es, gerade in der ausgeprägten Posaunenchor-Welt der lutherischen Kirche, vieles schon gehört haben, aber an diesem Abend ist es in der Tat kein Wunder, dass es zittert, dass es bebt. Die Posaune, ein Instrument, das in jedem Orchester, in jeder Bigband, bei jedem Jazz-Ensemble die erste Wahl für dramatische Szenarien ist, vermag in fünffacher Besetzung jeden Gefühlszustand zwischen sanftem Dahinschmelzen und wütendem Zorn, zwischen grummelndem Zweifel und explodierender Zuversicht anzuregen.

Schon der "First Shout" zu Beginn, eine Komposition des genannten Lynn, einer Koryphäe der modernen Posaunenliteratur, bringt die Botschaft in Hörweite: Weghören gilt nicht! Die Belohnung folgt unmittelbar in einer mitreißenden Vielfalt von Stücken, die gegebenenfalls vorhandene Vorurteile über die Bedeutung dieses Instruments widerstandlos vom Tisch blasen. Wie könnte man auch eine Fantasie vielschichtiger interpretieren, einen Blues rostiger ansetzen oder einen Walzer impulsiver ins Rollen bringen, als Pentatrom dies mit Verve und Esprit unternimmt? Die spitzbübische Art und Weise, wie Lea Hehnen und Birgit Oblasser als Duo den "Devil's Waltz" von Steven Verhelst durch den Raum drehen lassen, reißt denn auch das Publikum von den Sitzen und wird mit stürmischem Applaus belohnt. Claus Jäkel wiederum erwirbt sich Respekt und Zuneigung der Zuhörer, indem er als percussionierender Posaunensolist den lyrischen Tiefgang in Leonard Bernsteins "Elegy for Mippy II" mit Augenzwinkern würzt und mit der Zärtlichkeit behandelt, die dieser musikalischen Streicheleinheit für einen Lieblingshund bis ins Detail gerecht wird. Philipp Hasselt schließlich, geboren in Steinhöring und in Ebersberg "dahoam", liefert den glaubwürdigen Beweis dafür, wie sehr es doch auf inspirierende Vorbilder und jugendliche Begeisterung ankommt, um die Grundlage für instrumentale Kunst zu legen. Als temperamentvoller "Leader of the gang" beim fröhlich-lässigen "Hanslima Go Go" erweist er den Slokar Tromobones seine Reverenz, deren Album in ihm einst den Wunsch weckte: "Ich möchte so spielen wie die!"

Das wahre Vergnügen in diesem Konzert aber liegt nicht in den solistischen Künsten der einzelnen Posaunisten, sondern in ihrer Abstimmung untereinander. Gerade auf der Posaune, wo Millimeter am Zug den Unterschied zwischen gekonnt und versucht ausmachen, wirkt ein so geschlossenes und klangreines Ensemble höchst überzeugend. Das gilt auch und insbesondere für Samuel Scheidts "Canzon"; das älteste Stück des Abends, ein Klassiker mit jenem Unterton, der den Gläubigen in der Kirche das Seelenheil verkündet. Als Quartett gespielt, zeigt sich diese Miniatur von einer anmutigen, glanzvollen Seite.

Der Glaube mag Berge versetzen, aber Gottvertrauen füllt Konzerte. Darum steht Pastor Edzard Everts die Freude über die trotz Feriensonntag restlos gefüllten Kirchenbänke ins Gesicht geschrieben - und seinen Gästen die Begeisterung. Sie lohnen das mit jubelndem, stürmischem, letztlich im Stehen gewährten Applaus, beim Schalldruck den Posaunen kaum nachstehend.

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SZ vom 06.08.2019
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