Konzert am 11. November:In Etappen zur ewigen Freude

Vaterstettens Kirchenchor führt das Deutsche Requiem von Johannes Brahms auf. Bei der Probe achtet Beatrice Menz-Hermann auf eine lebendige Gestaltung des komplexen Werks

Von Rita Baedeker

Aufstehen, Arme und Beine ausschütteln, herzhaft gähnen! Die Anweisungen von Beatrice Menz-Hermann klingen nach der Aufwärmphase vor dem Rücken-fit-Kurs. Doch es sind nicht eingerostete Gelenke und müde Glieder, die hier gelockert und aufgeweckt werden sollen, sondern die Singstimmen der Mitglieder des Kirchenchors der katholischen Pfarrkirche Zum kostbaren Blut Christi in Vaterstetten.

Damit Herz und Brust sich öffnen und der sensible Stimmapparat Kraft entfalten kann, stehen die Chormitglieder, etwa siebzig an der Zahl, von ihren Stühlen auf, straffen den Rücken und schauen nach vorne zur Chorleiterin, die sodann am Piano Vokale und Umlaute anstimmt, schön die Tonleiter rauf und runter. Das schult Artikulation und Intonation. Es folgen weitere Übungen, etwa die klangvolle Zeile "so ein schöner Morgentau". Nach kurzem Einsingen erklingen hell die Stimmen der Tenöre, die Soprane entwickeln Glanz, der Alt gibt Festigkeit und Wärme, die Bässe bilden das Fundament.

Geprobt wird an diesem späten Vormittag im Gemeindesaal ein anspruchsvolles und komplexes Werk, das Deutsche Requiem von Johannes Brahms. Dafür hat sich der Komponist, der evangelischen Glaubens war, nicht an der katholischen Liturgie orientiert, sondern Texte aus dem Alten und Neuen Testament gewählt. Den Lebenden in ihrer Trauer Trost zu spenden, war ihm wichtiger als der Toten zu gedenken und Hölle und Verdammnis heraufzubeschwören. Konzipiert ist das Werk für mehr als 200 Sänger. Für die Aufführung, die der Kirchenchor Vaterstetten zusammen mit dem Chor der Klosterkirche Alpirsbach einstudiert, wurde eine leicht reduzierte Fassung von Joachim Linckelmann ausgewählt.

VAT Brahms Requiem Probe

Etwa 70 Mitglieder zählt der Vaterstettener Kirchenchor.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Satz eins hat seinen Ursprung in der Bergpredigt, Satz sieben in der Offenbarung des Johannes. Das Versprechen "selig sind, die da Leid tragen" verbindet die beiden Ecksätze, mit ihm beginnt und endet das Requiem. Dieses Mal steht der zweite Teil im Mittelpunkt der Probe. Und der beginnt mit einer trostlosen Metapher: "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras, und alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blumen. Das Gras ist verdorret und die Blume abgefallen. " Ein schmerzhafter Trauermarsch in Moll macht das nüchterne Grauen dieser Aussage fühlbar. Doch gleich darauf verheißen Text und Musik, nunmehr in Dur, Hoffnung und Freude, ewige Freude.

Doch es dauert eine Weile, bis es auch im Chor klappt mit der ewigen Freude - oder besser: der "Frrreude!" Aber es heißt ja auch: "Seid nun geduldig!" Das wird schon. Geduldig, aber unmissverständlich ermahnt Menz-Hermann die Anwesenden, doch bitte nicht mitten im Stück zu quatschen; sie unterbricht, mal weil die Intonation bei dem Wort "Gras" zu tief geraten ist, mal, weil die Terzen unsauber klingen. Sie bittet, heller und leiser zu singen und beim Decrescendo "nicht runterzufallen". Takt für Takt analysiert die Chorleiterin rhythmische und dynamische Feinheiten. "Beim Konzert werden wir hundert Leute sein, da ist es schwer, die eigene Stimme zu hören und zu halten", erklärt sie und ermahnt nebenbei den Bass, "nicht zu grummeln." Die anderen lachen.

VAT Brahms Requiem Probe

Beatrice Menz-Hermann führt und begleitetn den Kichenchor am Klavier.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Was bei der Chorprobe wirkt wie Pedanterie, ist elementar für die Gestaltung dieses Werks in seiner ganzen kontrastreichen Dramatik und Tiefe. Mit einer Botschaft, die von Leben, Tod und Auferstehung handelt, vom Schrei nach Erlösung, vom Menschsein. Etwa an der Stelle, an der ein Motiv von lauter Achtelpausen unterbrochen wird, wie um dem Text verzweifelten Nachdruck zu verleihen, um darauf zu pochen, dass, wie es heißt, "Schmerz und Seufzen wegmüssen".

Auch in Teil fünf wird der Kontrast zwischen Traurigkeit und Trost beschworen, um diesen Gegensatz überzeugend zu gestalten, gibt Menz-Hermann weitere entscheidende Ratschläge: "Textlich müssen wir alle übertreiben, damit etwas rüberkommt. Und bei langsamen Sätzen bitte nicht hektisch werden."

Am Ende stehen alle Sängerinnen und Sänger wieder auf und singen das Geprobte einmal am Stück durch. Nun erwacht das sorgfältig erarbeitete Stückwerk zum Leben, die Chormitglieder, von Beatrice Menz-Hermann am Klavier geführt und begleitet, sind mit Herz und Stimme dabei, alle Gruppen vereinen sich zu einem harmonischen Klang. Die junge Vaterstettener Kirchenmusikerin lacht und lobt: "Gar nicht schlecht, mit Orchester läuft das dann schon".

Das Deutsche Requiem von Johannes Brahms für großen Chor mit Orchester kommt am Sonntag, 11. November, um 17 Uhr, in der Pfarrkirche zum kostbaren Blut Christi in Vaterstetten zur Aufführung. Gespielt wird eine Bearbeitung für ein Kammerensemble aus 25 Musikern. Es singen die Chöre der Katholischen Pfarrei Vaterstetten und der Klosterkirche Alpirsbach unter Leitung von Beatrice Menz-Hermann. Solisten sind Susanne Winter, Sopran, und Daniel Holzhauser, Bariton.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: