Konkurrenzkampf:Für ein paar Euro mehr

Im Wettbewerb um Personal in den Rathäusern setzt Vaterstetten künftig auf Gehaltszulagen. Die Nachbarkommunen bewerten diese Strategie unterschiedlich

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

In Rathäusern ein wenig warten zu müssen, soll ja nicht ganz unüblich sein - doch immer öfter warten dort die Mitarbeiter auf neue Kollegen. In den Gemeindeverwaltungen im Landkreis bleiben Stellen oftmals lange unbesetzt, dementsprechend länger warten die Bürger auf die Erledigung ihrer Anliegen. In Vaterstetten will man vom kommenden Jahr an die Lücken im Stellenplan dank finanzieller Anreize schließen. Der Gemeinderat stimmte nun mit großer Mehrheit dafür, eine Gehaltszulage von bis zu 20 Prozent zu zahlen.

Allerdings kommen nicht alle Mitarbeiter in den Genuss der sogenannten Arbeitsmarktzulage, und dauerhaft soll sie auch nicht gezahlt werden. Grundlage ist ein Beschluss des Kommunalen Arbeitgeberverbandes, demnach sind solche Zulagen zwar grundsätzlich zulässig, aber an gewisse Auflagen geknüpft. Eine davon ist, dass nur "im Einzelfall" mehr gezahlt werden darf, als es die Entgeltgruppen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst vorsehen. Denn anders als in der freien Wirtschaft, können die kommunalen Arbeitgeber nicht nach Belieben Zulagen erhöhen, um Personal zu gewinnen. Damit soll verhindert werden, dass finanzstärkere Kommunen gewissermaßen den Arbeitsmarkt leerkaufen. Das ist allerdings wohl teilweise trotz der Einschränkung bereits im Gange - jedenfalls wird der Konkurrenzkampf um die besten Köpfe härter, je näher man München kommt. Im Nachbarlandkreis sei es schon länger üblich, dass solche Zulagen gezahlt würden, so Vaterstettens Wirtschaftsförderer Georg Kast. Auch im Landkreis Ebersberg habe eine Gemeinde bereits solche Zulagen eingeführt - welche das ist, wollte er öffentlich nicht sagen. Aber auf jeden Fall müsse Vaterstetten nun nachlegen, forderte auch Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU).

Um die Vorgaben des Kommunalen Arbeitgeberverbandes einzuhalten, wird die Zulage nur gezahlt "bei einer Erforderlichkeit zur Deckung von Personalbedarf". Wie aus dem Sachvortrag der Verwaltung hervorgeht, ist diese allerdings wohl bei so gut wie jeder offenen Stelle gegeben: Man habe "zunehmend mit Schwierigkeiten zu kämpfen, qualifiziertes Personal auf dem Arbeitsmarkt zu finden beziehungsweise qualifizierte Fachkräfte zu binden". Der zweite Teil des Satzes definiert gleich den zweiten Fall, in dem die Zulage gezahlt werden soll.

Was Herbert Uhl (FW) die Frage stellen ließ, ob es künftig reiche, mit Kündigung zu drohen, um eine Gehaltserhöhung zu bekommen: "Die Job-Hopper bekommen mehr Geld, und wer bleiben will, ist der Dumme." Sepp Mittermeier (SPD) zeigte sich ebenfalls "enttäuscht" darüber, dass nur einige Rathausmitarbeiter in den Genuss der Zulage kommen werden. Auch Renate Will (FDP) hätte eine pauschale Gehaltserhöhung für alle besser gefunden - doch gerade dies sei "leider nicht" möglich, so Wagner. Insgesamt sei das "ein schwieriges Thema", befand Bürgermeister Georg Reitsberger (FW), er könne verstehen, wenn die Zulage nicht bei jedem auf Verständnis stoße.

Im Gremium betrifft dies allerdings ausschließlich Manfred Schmidt (FBU/AfD). Er hatte beantragt das Thema öffentlich zu diskutieren und bereits gegen einen ersten Beschluss des Gemeinderates zur Zahlung von Zulagen erfolgreich Aufsichtsbeschwerde eingelegt. Mit der gleichen Begründung argumentierte er nun auch gegen den neuen Beschluss: Dieser berücksichtige die Forderung, nur in absoluten Einzelfällen zu zahlen, zu wenig. Schmidt kündigte daher eine erneute Aufsichtsbeschwerde an. Hat dies keinen Erfolg, wird Vaterstetten von Januar an die Arbeitsmarktzulage zahlen, allerdings wird diese bis längstens Ende 2021 befristet.

Zumindest eine weitere Gemeinde könnte demnächst ähnliche Schritte einleiten. "Wir diskutieren die Thematik", sagt Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD). Ob und in welcher Form die Gemeinde dann Zulagen einführt, sei zwar noch nicht entschieden aber Bedarf gebe es auf jeden Fall. "Wenn man schaut, was auch in Anzeigen im Staatsanzeiger Fachkräften alles angeboten wird", da müsse man schon auch Angebote machen können. Denn nicht nur Vaterstetten habe ein Problem, Personal zu finden, sagt Hingerl, "manche Stellen sind jahrelang unbesetzt". Besonders schwierig sei es etwa im Bereich Bauen und Technik. Keine Auskunft über Arbeitsmarktzulagen gibt es dagegen aus Vaterstettens anderer Nachbargemeinde. Bürgermeister Piet Mayr (CSU) erklärt, ob Zorneding eine solche einführen wolle oder bereits zahle, dazu werde er öffentlich nichts sagen.

Dass die Vaterstettener so offen über das Thema diskutieren, verwundert auch Erik Ipsen. Eine Auskunft zum Thema gibt der Hauptamtsleiter im Ebersberger Rathaus dennoch - die Kreisstadt zahle keine Arbeitsmarktzulage, weil es nicht nötig sei. "Wir haben das Problem nicht so", bisher konnten offene Stellen immer relativ zeitnah besetzt werden. Dass die westlichen Landkreiskommunen damit Probleme haben, könne er aber nachvollziehen. Schließlich zahlten die Münchner die Zulage schon länger, da gebe es eine gewisse Konkurrenz, die aber bis Ebersberg noch nicht durchgedrungen sei.

Und auch nicht nach Grafing, wie Markus Weißmüller erklärt. Der Ordnungsamtsleiter ist auch für die Personalverwaltung zuständig, und weiß, dass es nicht immer einfach ist, Stellen zu besetzen. Daher habe es auch in Grafing schon Fälle gegeben, wo Zulagen bezahlt wurden. So weit wie die Vaterstettener müsse man aber noch nicht gehen: "Vielleicht werden wir irgendwann mal dazu gezwungen - aber nicht in nächster Zeit." Ähnlich ist die Situation im Landratsamt. Wie Sprecherin Evelyn Schwaiger erklärt, habe man zwar in Einzelfällen auch schon Zulagen gewährt, um dringenden Personalbedarf zu decken. Laut der zuständigen Stelle im Landratsamt handelt es sich dabei aber um maximal drei Fälle im Jahr, eine Zahl, die auch weitgehend gleich bleibe, "es gibt keine Tendenz nach oben und keine Konkurrenz mit anderen Landratsämtern".

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